Mehr Vitamin D – weniger Brustkrebs
Vitamin D spielt für die Gesundheit im Allgemeinen und in der gynäkologischen Praxis im Besonderen eine wichtige Rolle – unter anderem im Hinblick auf den Brustkrebs.
Ein im April dieses Jahres in Der Gynäkologe veröffentlichter Übersichtsbeitrag1 fasst den aktuellen Stand zum Thema „Vitamin D und Mammakarzinom“ zusammen. Demnach zeigen die meisten Studien eine inverse Assoziation zwischen Vitamin-D-Serumspiegel und Brustkrebsrisiko.
Was gibt es Neues?
Diese nicht mehr ganz neue Botschaft wird erweitert durch die Erkenntnis, dass bestimmte Polymorphismen des Vitamin-D-Rezeptors (VDR) mit dem Auftreten von Mammakarzinomen in Verbindung stehen. Calcitriol bzw. 1,25(OH)2D3 ist bekanntlich die physiologisch aktive Form des Prohormons Vitamin D3 (Colecalciferol). Es bindet an den intrazellulären Hormonrezeptor VDR, wodurch die Translokation in den Zellkern und eine Interaktion mit verschiedenen Zielgenen ausgelöst wird.
Der Vitamin-D-Status wird in der Regel durch Messung der Hauptzirkulationsform 25(OH)D3 (Calcidiol) im Serum erfasst. Im Folgenden werden einige der im Übersichtsartikel referierten Ergebnisse aus überwiegend epidemiologischen und teilweise auch randomisierten Studien bzw. den entsprechenden Metaanalysen aufgelistet.
25(OH)D3-Serumspiegel und Mammakarzinom:
- signifikante Reduktion der Mammakarzinom-Risikos bei hohen Serumspiegeln;
- Senkung des Mammakarzinom-Risikos um 45 % bei den Frauen mit dem höchsten Serumspiegel im Vergleich zu denen mit dem niedrigsten Spiegel;
- Risikoreduktion um 50 % bei Frauen mit einem Serumspiegel ≥ 47 ng/ml (Einfluss auf das Überleben);
- linearer kausaler Zusammenhang zwischen Serumspiegel und Risiko für verschiedene Malignome (geringe Evidenz, Relevanz noch nicht definitiv beurteilbar);
- Serumspiegel zum Zeitpunkt einer Mammakarzinom-Diagnose: üblicherweise niedrig und zudem assoziiert mit einer ungünstigen Prognose;
- Serumspiegel in der Regel bei frühem Mammakarzinom signifikant höher als bei fortgeschrittener Erkrankung; widersprüchliche Beziehung mit den klassischen klinisch-pathologischen Prognosefaktoren;
- bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom: hoher Serumspiegel (> 30 ng/ml) bei Diagnosestellung korreliert mit kleinerer Tumorgröße und besserem Gesamt- und brustkrebsspezifischem Überleben, vor allem bei postmenopausalen Patientinnen;
- prognostische Relevanz eines erniedrigten Serumspiegels im Kontext der Brustkrebs-Subtypen: teilweise erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines triple-negativen Mammakarzinoms bei Vitamin-D-Mangel => routinemäßige Bestimmung des Serumspiegels empfehlenswert;
- Vitamin-D-Mangel (Serumspiegel < 20 ng/l) signifikant korreliert mit dem Nichterreichen einer totalen pathologischen Komplettremission (tpCR; ypT0/pTis/ypN0) bei Messung vor und während einer neoadjuvanten, anthrazyklin- und taxanhaltigen Chemotherapie (kein Einfluss auf das Gesamtüberleben).
Vitamin-D-Rezeptor und Mammakarzinom:
- VDR-Polymorphismen Bsm1, Apa1, poly(A), Apa1 und besonders Fok1: im Unterschied zu Cdx2, Bgl1 und Taq1 mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko assoziiert; unter Kaukasiern prädiktiver Wert von Fok1 am größten;
- VDR-Expression bei aggressiven Mammakarzinom-Subtypen erniedrigt, unabhängig von den verschiedenen Polymorphismen;
- VDR-Expression mit aggressiven Tumorcharakteristika (z. B. großer Tumor, negativer Hormonrezeptor-Status) und tripel-negativem Subtyp tendenziell invers assoziiert;
- VDR-Expression und Proliferationsmarker Ki67 bei über 50-jährigen Patientinnen invers assoziiert (ohne Korrelation mit dem Überleben).
Vitamin-D-Substitution und Mammakarzinom:
- signifikante Korrelationen zwischen Vitamin-D-Substitution und reduziertem Mammakarzinom-Risiko; teilweise auf Subgruppen (z. B. prä- und perimenopausale Frauen) beschränkt, inkonsistente Datenlage;
- als empfehlenswert geltende tägliche Dosis: 1.000 IE (Serumspiegel-Zielwert: 35 ng/ml);
- bei Patienten unter adjuvanter oder neoadjuvanter Chemotherapie: erhöhte Vitamin-D-Spiegel nach Substitution nachgewiesen; sehr variable Resultate aufgrund der bekannten Einflussfaktoren wie Sonnenlicht oder Ernährung; prospektive, randomisierte Studien mit Berücksichtigung aller Einflussparameter fehlen.
Die Autoren des Übersichtsbeitrags betonen denn auch: „Es besteht dringender Bedarf für bessere, prospektive und randomisierte Studien zum Stellenwert von Vitamin D beim Mammakarzinom-Risiko, um die teils sehr inkonsistente Datenlage zu verbessern.“ Ein 2017 publizierter Vorschlag2 für das künftige Design von Vitamin-D-Studien sieht so aus:
- Start mit einem moderaten Bolus einer Vitamin-D-Dosis zur Etablierung der gewünschten 25(OH)D3-Serumspiegel bei prä- und postmenopausalen Frauen;
- Monitoring mittels ELISA zur In-vitro-Bestimmung von 25(OH)D3 aus Trockenblut in Sommer und Winter, um saisonale Unterschiede und Langzeitveränderungen der 25(OH)D3-Spiegel und der Compliance erfassen zu können;
- laufende Anpassung der Vitamin-D-Dosis an die Resultate der Messungen zur Aufrechterhaltung erwünschter Serumspiegel.
Vitamin D: hohe Relevanz in der gynäkologischen Praxis
Jenseits der klinischen Forschung erscheint die Einstellung eines „erwünschten Serumspiegels“ auch in der täglichen gynäkologischen Praxis dringend geboten. Und das nicht nur in Bezug auf präventive und therapeutische Aspekte beim Mammakarzinom. Zu den Vitamin-D-assoziierten Effekten mit gynäkologischer Relevanz gehören auch die Förderung der Fertilität, ein schützender Effekt auf den Schwangerschaftsverlauf und ein reduziertes Diabetes-Risiko.3
Die präventiv orientierte Supplementierung gesund erscheinender Menschen mag, vor allem seitens der Kostenträger und staatlicher Institutionen, umstritten sein. Beim Brustkrebs ist jedenfalls häufig die Situation der kurativen Diagnostik und indikationsgerechten Therapie eines Vitamin-D-Mangels gegeben, die bei einer Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert wird.
Bei allen Mammakarzinom-Patienten gefordert: Normalisierung des Serumspiegels
In einer früheren Kohortenstudie wies nur ein knappes Viertel von über 500 Patientinnen mit frühem Mammakarzinom einen ausreichenden Vitamin-D-Status (> 28,8 ng/ml bzw. 72 nmol/l) auf. Beim Rest des Studienkollektivs waren die Serumspiegel jeweils etwa zur Hälfte mangelhaft (< 20 ng/ml) bzw. insuffizient (20–28,8 ng/ml), was das Metastasierungsrisiko um 94 % und das Mortalitätsrisiko um 73 % erhöhte (in der multivariaten Analyse nach individueller Adjustierung immer noch um 71 % bzw. 60 %).4 Die niedrigere Mortalität bei höheren Serumspiegeln wurden in weiteren Studien bestätigt. Schlussfolgerung der Autoren einer anschließenden Metaanalyse: „Bei allen Mammakarzinom-Patienten sollten die 25(OH)D3-Serumspiegel unter angemessenem Monitoring in den Normalbereich (30–80 ng/ml) gebracht werden.“5
Hochdosis-Supplementation: höhere Effektivität, bessere Compliance
Dabei kommt es auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D an. Die konventionelle Empfehlung von 400 IE (und 1.200 mg Calcium) pro Tag scheint dafür nicht auszureichen.6 Schon vor über 10 Jahren empfahl eine internationale Expertengruppe eine tägliche Vitamin-D-Zufuhr von 1.000 –5.000 IE bei Mammakarzinom-Patientinnen, die mit Aromatasehemmern behandelt werden.7
Vor drei Jahren wurde in einer randomisierten Phase-III-Studie6 die Sicherheit und Wirksamkeit einer individuell zugeschnittenen Hochdosis-Supplementation bei Frauen mit frühem Mammakarzinom unter adjuvanter oder neoadjuvanter Chemotherapie untersucht. Fast 92 % der Patientinnen wiesen einen Vitamin-D-Mangel zu Studienbeginn auf. Mit dem konventionellen Schema (400 IE täglich) gelang die Normalisierung des Serumspiegels nach 6 Monaten nicht einmal bei jeder achten Patientin (knapp 13 %), in der Hochdosis-Gruppe dagegen immerhin bei fast jeder dritten (30 %).
Die Verträglichkeit war gut, es gab keine relevanten Nebenwirkungen und es wurden auch keine Level mit Intoxikationspotenzial erreicht. Die Compliance war bei diskontinuierlicher Einnahme im Hochdosis-Arm mit 77 % höher als bei täglicher Einnahme mit rund 68 %, allerdings immer noch ausbaufähig.6
Klassifizierung der Vitamin-D-Versorgung gemäß 25(OH)D3-Serumspiegel [ng/ml]:
< 20
|
Vitamin-D-Mangel
|
21–29
|
suboptimale Vitamin-D-Versorgung (relativer Mangel)
|
30–60
|
optimaler Vitamin-D-Spiegel
|
> 150
|
Vitamin-D-Intoxikation
|
nach Holick8
Hinweis: Die häufig zitierte Klassifizierung des Institute of Medicine (IOM) bewertet die 25(OH)D-Konzentration nach ihrer Auswirkung auf die Knochengesundheit (Mangel: < 12 ng/ml; suboptimal: ≥ 12 bis < 20 ng/ml; ausreichend: ≥ 20 ng/ml). Die nichtskelettalen Effekte von Vitamin D bleiben dabei unberücksichtigt.
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- Hochdosiert: 20.000 I.E. Vitamin D3
- Einfach: einmal wöchentliche Einnahme
- Erstattungsfähig: indikationsgerechte Verordnung bei symptomatischen Vitamin-D-Mangel
Weitere Informationen
- Thill M et al. Vitamin D und Brustkrebs: Was gibt es Neues? Gynäkologe 2019;52(5):336-42
- Grant WB, Boucher BJ (2017) Randomized controlled trails of vitamin D and cancer incidence: a modeling study. PLoSONE 12:e176448
- Spitz J. CME Prakt Fortbild Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2018;14(1):14-34
- Goodwin PJ et al. Prognostic effects of 25-hydroxyvitamin D levels in early breast cancer. J Clin Oncol 2009;27(23):3757-63
- Mohr SB et al. Meta-analysis of vitamin D sufficiency for improving survival of patients with breast cancer. Anticancer Res 2014;34(3):1163-6
- Jacot W et al. Impact of a tailored oral vitamin D supplementation regimen on serum 25-hydroxyvitamin D levels in early breast cancer patients: a randomized phase III study. Ann Oncol 2016;27(7):1235-41
- Roux C et al. New insights into the role of vitamin D and calcium in osteoporosis management: an expert roundtable discussion. Curr Med Res Opin 2008;24:1363-70
- Hollick MF: Vitamin D Deficiency. N Engl J Med 2007;357:266-81