Mehr Komplikationen bei akuter Tonsillitis: eine Folge der Leitlinienaktualisierung?

Abszesse, thrombembolische Komplikationen oder eine Mediastinitis im Rahmen akuter Tonsillitiden können lebensbedrohlich sein und erfordern ein rasches Handeln. Dabei gibt es verschiedene therapeutische Möglichkeiten.

Mögliche Komplikationen einer akuten Tonsillitis:

Warnsignale bei akuter Tonsillitis 

In der Regel reicht ein Blick in den Rachen: geschwollene, gerötete, oft eitrig belegte Tonsillen, dazu häufig ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Odynophagie und Fieber – die Diagnose einer akuten Tonsillitis ist in der Regel rasch gestellt. Meist ist eine ambulante, ggf. antibiotische Therapie ausreichend, wobei primär Phenoxymethylpenicillin eingesetzt wird, alternativ Makrolide oder Clindamycin. Als Analgesie dienen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Paracetamol.

Doch nicht immer verläuft die Erkrankung glimpflich. Warnsignal für einen akuten Peritonsillarabszess ist eine Asymmetrie der Pharynxseitenwände mit einseitig vorgewölbtem Gaumenbogen; Kieferklemme und kloßiger Sprache erhärten den Verdacht. Laborchemisch zeigt sich häufig eine Leukozytose sowie ein erhöhtes CRP und ggf. Procalcitonin. Beweisend ist letztlich eine Punktion der Abszesshöhle mit Eiter-Aspiration, wobei eine Punctio sicca einen Abszess wiederum nicht ausschließt. Besteht trotz erfolgloser Punktion der Verdacht auf eine para- oder retropharyngeale Abszessausbreitung, ist eine Bildgebung des Halses mittels MRT oder CT indiziert.

Abszessspaltung oder Abszesstonsillektomie?

Bei auftretenden Komplikationen ist stets eine kalkulierte i. v.-Antibiose einzuleiten, ergänzt um eine adäquate Schmerztherapie sowie bei ausgeprägten Ödemen ggf. um Kortison. Eine tonsillenerhaltende Abszessentlastung kann in Lokalanästhesie erfolgen. Sie ist rasch durchführbar und birgt ein geringes Eingriffsrisiko, geht allerdings mit einer hohen Rezidivrate einher, v. a. bei jüngeren Patienten mit erstmaliger Diagnose. Bei mangelnder Compliance, kritischem Allgemeinzustand oder Ausbreitung in den Retro-/Parapharyngealraum ist eine Intubationsnarkose vorzuziehen.

Eine Abszesstonsillektomie zur nachhaltigen Beseitigung des Infektfokus kommt bei rezidivierenden Abszessen oder zusätzlichen Komplikationen wie einer Sepsis in Frage. Allerdings birgt der Eingriff ein höheres postoperatives Risiko, verbunden mit einem längeren Krankenhausaufenthalt und Genesungsprozess. Ob eine synchrone Tonsillektomie der Gegenseite vorgenommen werden sollte (verbunden mit einem erhöhten postoperativen Blutungsrisiko), hängt von der Anzahl vorheriger Rezidive ab. Auch bei septischen Patienten kann die beidseitige Entfernung der Gaumenmandeln sinnvoll sein. Bleibt es bei einer einseitigen Abszesstonsillektomie, ist eine engmaschige Kontrolle obligat.

S3-Leitlinie: modifizierte Indikation für Tonsillektomien

Anfang 2024 wurde die S3-Leitlinie zur Therapie der Tonsillo-Pharyngitis aktualisiert. Demnach wird bei der Indikationsstellung zur Tonsillektomie die wiederholte antibiotische Behandlung einer akuten Tonsillitis nicht mehr als zwingend gefordert. Ausschlaggebend ist vielmehr der klinische Befund anhand der ärztlich dokumentierten Halsschmerzepisoden innerhalb eines Zeitraums von mindestens 12 Monaten. Dies könnte sich durchaus auf die Anzahl an Tonsillektomien, die Komplikationsrate und die durchgeführten Notfalloperationen auswirken. Daher ist es wichtig, die Zahlen weiterhin kritisch zu beobachten. 

Quellen

  1.  

    Sikora A et al. Tonsillitiden – Management und Komplikationen. HNO Nachrichten 2024; 54 (5). https://doi.org/10.1007/s00060-024-9224-7. 

  2. Windfuhr JP et al. S3-Leitlinie Therapie der Tonsillo-Pharyngitis. Stand 2024; AWMF-Register-Nr. 017-024.