Wie viele Operationen, Therapien und Arztbesuche in der Corona-Pandemie verschoben oder ausgefallen sind, darüber gibt es naturgemäß erst vorläufige und nur punktuelle Übersichten. Dennoch deuten bereits diese Daten an, um welche Größenordnungen es hier geht und dass die eingehende Betrachtung der Folgen dieser Entwicklungen unbedingt notwendig ist.
Zeigen sich doch hier zwei mögliche Risiken der medizinischen Versorgung wie unter einem Brennglas: Über- und Unterversorgung. Während die einen schlimme Langzeitauswirkungen beispielsweise wegen ausgefallener Operationen befürchten, können sich andere ExpertInnen vorstellen, dass sich langfristig etliche medizinische Prozeduren als durchaus verzichtbar erweisen werden – dann nämlich, wenn ihr Wegfall gar keine negativen Folgen zeitigt.
Rückgänge bei Terminen zwischen 30 und 50 Prozent im März und April 2020 melden niedergelassene OnkologInnen und KardiologInnen. ZahnärztInnen verzeichnen ein Minus von 80 Prozent.
Hauptsächlich um Krankenhausbetten für COVID-19-PatientInnen freizuhalten, wurden allein bis zum Mai 2020 in Deutschland hunderttausende elektive OPs abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben.
Weltweit beträgt diese Zahl laut National Institute für Health Research 28,4 Millionen. Das entspricht einer Quote von 72,3%. Daten aus 359 Kliniken in 71 Ländern wurden für diese Aussage ausgewertet und auf 190 Länder hochgerechnet.
Rund 52.000 Krebsoperationen, mithin 24%, wurden bis Mai 2020 in Deutschland verschoben.
Schätzungen zufolge (Klußmann et al) wurden allein im März und April 2020 wöchentlich insgesamt bis zu 70.000 elektive Eingriffe verschoben. Für März 2020 zeigt sich ein Rückgang von Operationen bundesweit von -24%, im April stieg die Quote auf -41%.
Viele verschiedene Publikationen basieren auf noch unvollständigen Daten, die einer genaueren Analyse und Diskussion harren. Einen guten Anhaltspunkt geben aber bereits Zahlen aus dem Benchmarking-Programm für OP-Prozesszeiten vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten, dem Berufsverband Deutsche Chirurgen und dem Verband für OP-Management (Bialas, Scheppers, Auhuber).
Schaut man zunächst einmal auf die unterschiedlichen Versorgungsstufen, so fällt der Rückgang der Fallzahlen bei den Universitätskliniken mit -35% am niedrigsten aus. Besonders stark von OP-Rückgängen sind mit -46% die Fachkrankenhäuser betroffen. MVZ/AOZ verzeichnen sogar -57% Fälle.
Die Orthopädie/Unfallchirurgie sieht insgesamt den stärksten OP-Rückgang. An erster Stelle liegen Implantationen einer Endoprothese am Kniegelenk mit -80%, gefolgt von Arthroskopischen OPs am Gelenkknorpel und den Menisken mit -67%, Implantationen einer Endoprothese am Hüftgelenk gingen um -42% zurück, wobei die Totalendoprothese eine Abnahme von -61% aufweist, während die Duokopfprothese eine Zunahme von +23% erlebt.
In der Allgemein-/Viszeralchirurgie gab es die höchsten Rückgänge im Vergleich zu den Vormonaten beim Verschluss einer Hernia Inguinalis mit –60%.
In der Augenheilkunde ging die Extrakapsuläre Extraktion der Linse um -79% zurück.
Gynäkologie/Geburtshilfe verzeichnen deutlich geringere Rückgänge bei Operationen, so z.B. -9% bei Exision der Mamma und Destruktion von Mammagewebe, sowie -12% bei der therapeutischen Kürettage.
In der Urologie führt bei Rückgängen die Transurethal Destruktion von Prostatagewebe mit -72%, dafür wurde die radikale Prostatovesikulektomie mit +10% deutlich häufiger durchgeführt.