Erste, frühe Daten zeigen, dass Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist (Immunsuppression), schneller und möglicherweise auch schwerer an COVID-19 erkranken als Gesunde. Vor allem bei KrebspatientInnen kann das Immunsystem durch die Erkrankung selber oder die Therapie geschwächt sein. So sind KrebspatientInnen in der derzeitigen Situation besonders vulnerabel. Doch was sagen Sie und vor allem wie sprechen Sie mit den Betroffenen?
Dominik Wolf, Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin V (Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie) beantwortete hierzu die wichtigsten Fragen:
Ganz wichtig ist es, der aktuellen Situation ohne Panik zu begegnen, aber sehr wachsam und aufmerksam zu sein und vor allem auf Selbstschutz zu achten! Hierbei gilt: Händewaschen und Einhalten der Ausgangssperre, wenn möglich nicht selber einkaufen gehen, bzw. wenn notwendig sich konsequent von Menschen außerhalb des eigenen Haushaltes sozial zu distanzieren ("social distancing", das bedeutet zwei Meter zu anderen Personen Abstand und Kontakte zu fremden Menschen zeitlich so kurz wie möglich halten). Bei Symptomen (Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen) oder Kontakt mit einem nachgewiesenen SARS-CoV-2 Fall unbedingt Verbindung zum behandelnden Team aufnehmen, das dann die Empfehlung ausspricht, wo sich der Patient oder die Patientin hinwenden soll. "Wir wissen aber aktuell leider noch nicht, ob immunsupprimierte Patientinnen und Patienten seitens der klinischen Symptomatik mit sonst gesunden Menschen wirklich vergleichbar sind", so Wolf. Zu guter Letzt gelten einige Dinge, die auch schon vor SARS-CoV-2 wichtig waren: Nikotinkarenz, bei Zuckererkrankung auf eine ordentliche Blutzuckereinstellung achten und auch die Blutdruckeinstellung kontrollieren.
Es gibt bisher sehr wenige Daten, aber vor allem Patientinnen und Patienten unter Therapie und kurz nach der Therapie sind sicher deutlich gefährdeter als gesunde Vergleichspersonen ohne Vorerkrankungen im selben Alter. Das legen auch erste Daten aus China nahe. Ebenso ist das Risiko von schweren Verläufen hier deutlich erhöht.
Patientinnen und Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation unter noch laufender Immunsuppression sind neben Patientinnen und Patienten mit Immundefekten oder Therapien, die das Immunsystem bzw. das blutbildende System für längere Zeit (Aplasie) unterdrücken, am stärksten gefährdet.
Es liegen aber bisher keine systematischen Daten vor, wie hoch das Risiko wirklich für die einzelnen PatientInnengruppen ist, da hämato-onkologische Einheiten auch schon vor der SARS-CoV-2 Pandemie besondere Sorgfalt beim generellen PatientInnenschutz haben walten lassen.
PatientInnen mit Tumorerkrankungen sind grundsätzlich auch gegenüber anderen Infektionen sehr vulnerabel und haben daher bisher bereits viele wichtige Maßnahmen zum Infektionsschutz befolgt, die nun auch das Risiko einer SARS-CoV-2 Infektion reduzieren können. Es ist jedoch sehr wichtig aufgrund der aktuellen Ausbruchssituation die Wichtigkeit der Schutzmaßnahmen nochmals zu betonen und ausführlich zu besprechen.
"Wir müssen nicht nur in der Krebsmedizin sicherstellen, dass Patientinnen und Patienten in dieser Phase der Pandemie generell weiter zu wichtigen oder gar überlebensnotwendigen Therapien kommen, bei gleichzeitig höchstem Maß an Schutz vor einer SARS-CoV-2 Infektion", meinte Wolf weiter.
Daraus lässt sich ableiten, dass nur jene Therapien und Krebsoperationen verschiebbar sind, aus denen kein Nachteil bei einem Aufschub entsteht. Therapien, die notwendig sind, weil etwa eine lebensbedrohliche Situation vorherrscht oder ein hohes Rückfallrisiko besteht oder Therapien, die auch ein akut genesendes Potenzial haben, müssen weiterhin durchgeführt werden.
Aber es gibt auch eine Reihe an Situationen, bei denen eine Verschiebung der Therapie gerechtfertigt ist, ohne dass dadurch ein Nachteil entsteht. Ein einheitliches Vorgehen gibt es hier bisher nicht, sodass dies im Einzelfall unter Abwägung von Risiko und Nutzen gemeinsam entschieden werden muss.
Es ist nachgewiesen, dass MERS-CoV und SARS-CoV im Blut erkennbar sind, wobei der Nachweis mittels PCR nicht heißt, dass dies "lebensfähige" Viren sind. Eine Übertragung durch zelluläre Blutprodukte ist bisher nicht beschrieben. Allerdings muss die Möglichkeit, wenn auch unwahrscheinlich, in Betracht gezogen werden.
Dies hat dazu geführt, dass beispielsweise die "European Society for Blood and Marrow Transplantation“ (EBMT) empfiehlt, dass PatientInnen und SpenderInnen 14 Tage vor einer Spende bzw. vor Aufnahme in die Klinik zu einer Stammzelltransplantation in häuslicher Quarantäne verbringen. Dazu werden vorab SpenderInnen und EmpfängerInnen getestet. In bestimmten Transplantationssettings gibt es nun auch die Empfehlung, dass, wenn möglich, das Präparat von Fremdspendern eingefroren wird und erst nach Erhalt und einer negativen Testung im Transplantat mit der Vorbehandlung begonnen wird.
Es ist nicht bekannt, dass SARS-CoV-2 einen Einfluss auf Krebsmedikamente hat, weil in positiv getesteten Fällen ja eine Therapie in der Regel verschoben würde. Es ist aber mit Sicherheit davon auszugehen, dass vor allem jene Krebsmedikamente mit einer immunsuppressiven Wirkung das Risiko einer Infektion und auch eines schweren Verlaufs deutlich erhöhen.
Gerade deshalb ist eine breitere und schnellere Testung von PatientInnen und MitarbeiterInnen im entsprechenden Gesundheitssektor durch eine drastische Ausweitung der Testkapazitäten und ein Expositionsschutz derzeit das einzig sinnvolle Instrument, um Krebspatientinnen und -patienten ausreichend zu schützen.
Wie bereits erwähnt, ist der Tumorpatient unter Therapie am vulnerabelsten. Frühe chinesische Daten deuten auch darauf hin, dass Krebsüberlebende ein erhöhtes Risiko haben, sodass auch diese Gruppe nach Abschluss einer Therapie sich in besonderem Maße vor Exposition im Umfeld und durch Hygienemaßnahmen schützen sollte.
"Kritische Nachsorgetermine (fraglicher Rückfall, unklare, nicht SARS-CoV-2 suspekte Symptome) ja, ansonsten machen wir derzeit extrem viel Tele-Medizin", so Wolf. Das ersetzt nicht die Ärztin bzw. den Arzt und ist kein langfristig sinnvolles Konzept, um höchste Qualität in der Krebsversorgung sicherzustellen. In der aktuellen Situation ist es aber das beste Instrument, um eine Überwachung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, sie zu informieren und auch zu beurteilen, ob eine Vorstellung am Krebszentrum wirklich notwendig ist. Alle Routineuntersuchungen sollten im Moment zum Schutz der Patientinnen und Patienten verschoben werden.
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