Unfruchtbare Männer haben ein höheres Risiko für weitere Begleiterkrankungen. Der erste digitale Andrologie-Kongress der International Society of Andrology (ISA), der European Academy of Andrology (EAA) und der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA) vom 5. bis zum 9. Dezember 2020 kam darum zu dem Schluss, dass dies bei Diagnose und Therapie stets berücksichtigt werden muss.
Studien zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen Testosteronmangel und erhöhter Sterblichkeit. Ein Hypogonadismus müsse darum immer behandelt werden, sagt Kongresspräsidentin Prof. Dr. med. Sabine Kliesch, Chefärztin der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie, Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster . "Vor allem müssen wir die Fruchtbarkeit des Mannes neu bewerten und als Indikator für die Männergesundheit ansehen und unsere Patienten dahingehend beraten. Wir wissen heute, dass die Fruchtbarkeit ein Fenster zur Gesundheit des Mannes ist und schwerstinfertile Männer im späteren Leben deutlich häufiger Begleiterkrankungen entwickeln, die ihre weitere Lebenserwartung beeinflussen.“
So führt das OAT-Syndrom zu einem erhöhten Risiko für Tumorerkrankungen. Betroffene Männer haben zu wenig, zu gering bewegliche und vermehrt fehlgeformte Spermien. Ihr Risiko für Keimzelltumoren ist 2-3fach erhöht, das Risiko für Prostatakarzinome ist 1,7fach erhöht, und ihr Risiko für Krankenhausaufenthalte wegen kardiovaskulärer Erkrankungen steigt mit abnehmender Spermienzahl. Mit Blick auf Keimzelltumoren zeigt sich eine zunehmende Bedeutung der genetischen Prädisposition und von Umweltfaktoren. In der Diagnostik sind neue "miRNAs" den klassischen Tumormarkern (AFP, hCG, LDH) zum Teil überlegen.
Bei ungewollter Kinderlosigkeit müssen laut Prof. Dr. Hermann M. Behre, Past-President der DGA, immer beide Partner untersucht werdenen. Studien zeigten, dass Frauen zum Zeitpunkt einer künstlichen Befruchtung im Durchschnitt 35,5 Jahre alt sind und die Schwangerschaftsrate dann bei nur noch 35% liege. Umso wichtiger sei die Anwendung neuer Spermienfunktionstests, die bereits vor der Behandlung zeigen, ob Funktionsstörungen auf zellulärer Ebene vorliegen.
Für großen Forschungsbedarf sorgt das Corona-Virus auch in der Andrologie: Bereits jetzt wurde in einer Studie ein Zusammenhang zwischen Testosteron und dem Verlauf einer COVID-19-Erkrankung beobachtet. Danach ist ein zu 95% günstiger Krankheitsverlauf zu erwarten, wenn der Testosteronwert bei stationärer Aufnahme über 5 nmol/l liegt. Dagegen bedeutet die Testosteronabnahme von 1 nmol/l unter diesen Schwellenwert bereits ein um 42% erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf. Völlig unklar ist derzeit noch, ob die Expression der Rezeptoren, an denen das Virus im Hoden problemlos andocken kann, tatsächlich Effekte auf die Fruchtbarkeit haben wird.