Bei herkömmlichen Chemotherapien greifen die Wirkstoffe die Tumorzellen an. Bei der Checkpoint-Therapie wird das Immunsystem der Patienten auf die Krebszellen losgelassen. Zwei Mediziner werden für die Entwicklung des Konzepts mit dem Medizin-Nobelpreis gewürdigt.
Ihre Entdeckung rettet täglich Leben: Für die Entwicklung spezieller Krebstherapien bekommen der US-Amerikaner James Allison und der Japaner Tasuku Honjo den diesjährigen Nobelpreis für Medizin. "Ihre Erkenntnisse haben großen Nutzen für die Menschheit gebracht; sie haben den existierenden Krebstherapien eine neue Säule hinzugefügt", hieß es am Montag vom Karolinska-Institut in Stockholm. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit umgerechnet 870.000 Euro (9 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.
Der US-Amerikaner Allison (70) und der Japaner Honjo (76) entwickelten die Checkpoint-Therapien gegen Krebs. Sie kommen derzeit vor allem Menschen zugute, bei denen andere Behandlungsformen nicht anschlugen und die sonst wahrscheinlich rasch sterben würden.
Die Forscher hatten entdeckt, dass bestimmte Proteine als eine Art Bremse auf das Immunsystem wirken und es von der Bekämpfung von Tumorzellen abhalten. Löst man die Bremse mit Hilfe der Checkpoint-Inhibitoren, attackieren die Immunzellen die Tumorzellen wieder. Im besten Fall kann das zur Heilung führen.
Allison, der am Anderson Cancer Center der University of Texas (Houston) arbeitet, befasste sich zunächst vor allem mit dem Protein CTLA-4. Er zeigte 1996, dass sich durch Aufhebung der Bremse krebskranke Mäuse von Tumoren heilen lassen. Basierend darauf entwickelte er einen neuen Ansatz zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Schwarzem Hautkrebs. "Ich habe Grundlagenforschung gemacht, um Grundlagenforschung zu machen, aber wissen Sie, ich hatte die gute Gelegenheit zu sehen, wie sich das zu etwas entwickelt, das den Menschen hilft", so Allison. "Das ist befriedigend."
Tasuku Honjo von der Universität Kyoto entdeckte Anfang der 1990er Jahre das Protein PD-1, dessen Funktion zunächst unklar war. Er fand heraus, dass es ähnlich wie CTLA-4 das Immunsystem ausbremst, allerdings über einen anderen Wirkmechanismus. Heute ist das Protein Ansatzpunkt für die Behandlung mehrerer Krebsarten, darunter Hautkrebs, Lungenkrebs, Nieren- und Blasenkrebs. Therapien, die auf dieser Entdeckung beruhten, hätten sich als bemerkenswert effektiv im Kampf gegen Krebs erwiesen, so die Nobeljury.
Nach Einschätzung von Krebsexperten in Deutschland hat die Checkpoint-Therapie die Krebsbehandlung revolutioniert und der Forschung neuen Schwung verliehen. "Durch die Entdeckung können Krebsarten therapiert werden, bei denen die Überlebenschancen extrem gering waren", sagte Michael Zeisberg, Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen.
"Das ist ein völlig berechtigter Preis", urteilt auch Hans Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Bis vor etwa zehn Jahren war nicht wirklich klar, ob Tumoren durch das Immunsystem kontrolliert werden können." Der Preis zeige auch, wie wichtig die Grundlagenforschung sei. "So etwas wird ja oft nicht ernstgenommen."
Ein Nachteil der Behandlung sind die hohen Kosten. Sie können bei mehreren Zehntausend Euro im Monat liegen. Und wie Chemo- und Strahlentherapie ist auch diese Form der Immuntherapie nicht frei von Nebenwirkungen. Da das Verfahren sehr präzise sei, seien die Nebenwirkungen allerdings im Vergleich zur Chemotherapie gering, sagt Carsten Watzl, Leiter Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.
Wie wichtig es ist, neue Therapien gegen Krebs zu entwickeln, betont das Nobelkomitee: 2018 werden voraussichtlich 18 Millionen Menschen auf der Welt die Diagnose Krebs bekommen. In entwickelten Ländern entwickle derzeit einer von drei Menschen im Laufe seines Lebens Krebs. In zwei Jahrzehnten werde es vermutlich einer von zweien sein.
EU-weit sind nach Angaben des Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) fünf Krebsmedikamente aus der Klasse der Checkpoint-Inhibitoren zugelassen. Die beiden Inhibitoren werden einzeln, teils auch in Kombination eingesetzt. Außerdem werden derzeit neue "Brems-Proteine" als Ansatzpunkte für die Behandlung untersucht.
Auch Nobelpreisträger Honjo hat noch viel vor. "Damit noch mehr Kranke geheilt werden können, werde ich noch eine Weile weiter meine Forschung fortsetzen", sagte der 76-Jährige am Montag.
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