Ein internationales Team unter Ko-Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Berlin Institute of Health (BIH) hat eine Studie veröffentlicht, in der sich eine Kombination von drei Wirkstoffen als hochwirksam zur Behandlung von Mukoviszidose erwies: Die neue Therapie führte bei PatientInnen zu einer spürbaren Verbesserung der Lungenfunktion und Lebensqualität. Die Behandlung zielt auf die Krankheitsursache ab, deshalb könnte ihr frühzeitiger Einsatz bei Kindern in Zukunft den Ausbruch der Erbkrankheit verhindern. Erschienen ist die Studie in NEJM.
"Wenn der Kuss auf die Stirn eines Kindes salzig schmeckt, wird es nicht lange leben", lautete noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Hebammenregel. Dem salzigen Schweiß auf der Stirn liegt die in Deutschland häufigste tödlich verlaufende Erbkrankheit zugrunde. Etwa eines von 2.500 bis 3.500 geborenen Kindern in der westlichen Welt ist betroffen. Mittlerweile sind über 2.000 verschiedene Fehler im CFTR-Gen bekannt, die Mukoviszidose verursachen können. Der mit Abstand häufigste ist die F508del-Mutation, die bei rund 90% der Mukoviszidose-PatientInnen vorkommt.
"Früher war die Mukoviszidose eine Krankheit für den Kinderarzt, denn die meisten Betroffenen starben bereits vor dem Eintreten ins Erwachsenenalter", erklärte BIH- und Einstein-Professor Dr. Marcus Mall, Ko-Erstautor der nun veröffentlichten Studie. Der Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin und des Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrums an der Charité betonte: "Das hat sich zum Glück geändert, die meisten Patientinnen und Patienten erreichen heute das Erwachsenenalter. Doch die Lebenserwartung ist weiterhin deutlich verkürzt und viele tragen eine enorme Krankheitslast."
Während Versuche, mithilfe einer Gentherapie das korrekte Gen in die Zellen der Betroffenen zu schleusen, bislang nicht geglückt sind, zeigte ein zweiter Ansatz vielversprechende Ergebnisse: CFTR-Modulatoren sind offensichtlich in der Lage, die Fehlfunktion des CFTR-Kanals zu korrigieren. "Diese Korrektur war bei der Hauptmutation F508del allerdings besonders schwierig, weil sie zu mehreren unterschiedlichen molekularen Veränderungen führte, die mit einem einzelnen Wirkstoff nicht effektiv korrigiert werden konnten", erklärte Prof. Mall.
Durch die Kombination von drei Wirkstoffen (Elexacaftor-Tezacaftor-Ivacaftor) ist es nun gelungen, die unterschiedlichen molekularen Defekte effektiv zu beeinflussen. An der Studie nahmen 403 PatientInnen an über 100 Studienzentren in Nordamerika, Europa und Australien teil, die eine von zwei möglichen Kopien der F508del-Mutation in ihrem Erbgut trugen. Im Gegensatz zu einem Scheinpräparat führte die Dreifachkombinationstherapie zu einer spürbaren und anhaltenden Verbesserung des Gesundheitszustandes der Betroffenen. Anhand eines Schweißtests schlossen die AutorInnen darauf, dass der CFTR-Kanal bei ihnen etwa 50% der Funktion von Gesunden erreichte. Die Wirkstoffkombination zeigte sich im Rahmen der Studie als insgesamt sicher und gut verträglich. Unerwünschte Nebenwirkungen, die zum Behandlungsabbruch führten, wurden bei einem Prozent der behandelten PatientInnen beobachtet.
"Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass mit der neuen Dreifachtherapie in Zukunft bis zu 90% aller PatientInnen mit Mukoviszidose behandelt werden können. In Fachkreisen gilt das als ein Durchbruch in der Behandlung dieser bislang tödlich verlaufenden Erbkrankheit", erklärte Prof. Mall. "Insbesondere mit einer zukünftigen präventiven Therapie, idealerweise ab dem Säuglingsalter, sehen wir eine große Chance, den Ausbruch der Lungenerkrankung erheblich hinauszuzögern oder sogar zu verhindern und damit die Mukoviszidose von einer tödlichen in eine behandelbare Erkrankung zu verwandeln. Dennoch bleiben etwa zehn Prozent der Patientinnen und Patienten, für die es noch keine vergleichbar effektive ursächliche Therapie gibt. Auch für sie eine wirksame Behandlungsoption zu entwickeln, wird Gegenstand unserer weiteren Forschung sein."
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat die neue Dreifachtherapie in den USA für PatientInnen mit einer F508del-Mutation ab 12 Jahren im Fast-Track-Verfahren zugelassen. Ein Antrag für die Zulassung in Europa ist eingereicht.
Quelle:
Middleton PG et al., Elexacaftor–Tezacaftor–Ivacaftor for Cystic Fibrosis with a Single Phe508del Allele. The New England Journal of Medicine 2019; DOI:10.1056/NEJMoa1908639