Ja? Nein? Vielleicht? An der Universität Bonn wurde durch Zufall ein neuer Bewertungs-Mechanismus im Gehirn entdeckt: Demnach zeigt die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn, wie sicher wir bei einer Entscheidung sind. Eigentlich wollten die Forschenden ein ganz anderes Phänomen untersuchen.
Welcher Kuchen passt besser zum Kaffee? Karottenkuchen oder Streuselkuchen? Beide haben ihre Vorteile, welcher soll es also werden? Der Mensch steht täglich vor zahlreichen Entscheidungen. An bestimmten Nervenzellen im Gehirn lässt sich ablesen, wie sicher er sich dabei fühlt. Das konnte in einem Experiment des Universitätsklinikums in Bonn nachgewisen werden. Zwölf Personen wurden Fotos von zwei verschiedenen Snacks gezeigt, etwa von einem Schokoriegel und einer Tüte Chips. Mit Hilfe eines Schiebereglers sollten sie angeben, welche dieser Alternativen sie bevorzugen. Je stärker sie den Regler aus seiner Mittelposition in Richtung des linken oder des rechten Fotos verschoben, desto sicherer waren sie in ihrer Entscheidung.
190 verschiedene Snack-Paare mussten die Teilnehmenden so beurteilen. Währenddessen zeichneten die WissenschaftlerInnen die Aktivität von jeweils 830 Nervenzellen im Schläfenlappen auf und stellten fest, dass sich die Frequenz der elektrischen Pulse bei manchen Neuronen (Feuerrate) mit steigender Entscheidungs-Sicherheit änderte. So hätten einige umso häufiger gefeuert, je sicherer die jeweilige Versuchsperson in ihrer Entscheidung war.
Ein solcher Zusammenhang zwischen Aktivität und Entscheidungssicherheit wurde zum ersten Mal gefunden. Die betroffenen Neuronen befinden sich in einer Hirnregion, die unter anderem bei Gedächtnis-Vorgängen eine Rolle spielt. Prof. Dr. Dr. Florian Mormann von der Klinik für Epileptologie vermutet, dass Menschen nicht nur abspeichern, welche Entscheidung sie getroffen haben, sondern auch, wie sicher sie dabei waren. "Vielleicht bewahrt uns ein solcher Lernvorgang vor künftigen Fehlentscheidungen", so der Wissenschaftler.
Aus ethischen Gründen darf der Zustand einzelner Neuronen in lebenden Menschen eigentlich nicht untersucht werden. Doch die Teilnehmenden der Studie litten unter einer schweren Variante der Epilepsie litten und die Forschenden waren auf der Suche nach Therapiemöglichkeiten. Die charakteristischen Krampfanfälle nehmen stets im selben Hirnbereich ihren Ausgang. Die Epilepsie könnte behandelt werden, in dem der Epilepsie-Herd operativ entfernt wird. Um die defekte Stelle genau zu lokalisieren, wurde den PatientInnen mehrere Elektroden eingepflanzt, die über das gesamte potenziell betroffene Gebiet verteilt sind. Gleichzeitig konnte so die Arbeitsweise einzelner Nervenzellen im Gehirn beobachtet werden.
Ursprünglich wollten die Forschenden untersuchen, ob die Neuronen auch aktiver werden, wenn der Mensch einer Entscheidung einen subjektiven Wert gibt. "Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich auch diese subjektive Wertigkeit in der Aktivität einzelner Neuronen widerspiegelt", sagt Mormann. "Dass wir stattdessen aber auf diesen Zusammenhang zwischen Feuerverhalten und Entscheidungssicherheit gestoßen sind, hat uns selber überrascht." Die Resultate sind in der Fachzeitschrift Current Biology erschienen.
Quelle:
Alexander Unruh-Pinheiro, Michael R. Hill, Bernd Weber, Jan Boström, Christian E. Elger, Florian Mormann: Single Neuron Correlates of Decision Confidence in the Human Medial Temporal Lobe. Current Biology; dx.doi.org/10.1016/j.cub.2020.09.021