Die DGSM-Jahrestagung in Hamburg stellt neue Ergebnisse der chronobiologischen Forschung in den Fokus. Jetzt wurde an der Charité ein Bluttest entwickelt, der eindeutig die Phasenlage bestimmt, in welcher sich unser System an inneren Uhren befindet. Da Zellen, Hormone und Organe ihren eigenen Rhythmus haben und zum Beispiel über den Tagesverlauf unterschiedlich empfindlich für Nebenwirkungen sind, können solche bei der Medikamentengabe verhindert werden – im Klartext heißt das etwa bei einer Chemotherapie würde man nicht zwangsläufig seine Haare verlieren, wenn man zur richtigen Zeit über den 24-Stunden-Tag die Medikamente einnimmt: gleiche Wirkung aber weniger Nebenwirkung.
"Dieser Bluttest kann erstmalig eindeutig und exakt die Phasenlage der endogenen biologischen Rhythmen bestimmen, auch kann man mit dem Test den individuellen Chronotyp exakter bestimmen. Das ist eine Sensation. Ein Meilenstein in der chronobiologischen Forschung", erklärt Dr. Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- & Chronomedizin im St. Hedwig Krankenhaus Berlin. Zunächst hätte der Bluttest in der Medikamentengabe eine immense Bedeutung. Egal, ob bei Bluthochdruck, Chemo- oder Psychotherapie, man würde bei PatientInnen individuell nach Phasenlage den optimalen Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Medikamente ermitteln und umsetzen können. Der Test ist jetzt validiert und wird in etwa zwei Jahren auf den Markt kommen. Aber auch das Einordnen von Untersuchungsergebnissen unter dem Faktor Zeit (24 Stunden) wird zu einer Präzisierung jeder diagnostischen Maßnahme führen.
Die Arbeitsgruppe von Dieter Kunz war an der Validierung des Tests beteiligt, forscht seit langem im Bereich der klinischen Chronobiologie und derzeit schwerpunktmäßig zur Verbesserung von Lichtverhältnissen bei der Therapie von Schlaf-Wach-Störungen: "Schlaf und Wachsein macht das Gehirn selbst. Jeder Mensch kann quasi frei wählen, wann er schlafen will und ist damit mehr oder weniger erfolgreich. Darunter aber steht unsere innere Uhr, die den geeignetsten Zeitpunkt für qualitativ guten Schlaf vorgibt." Diese innere Uhr ist abhängig von Licht und Dunkelheit und nur diese beiden Einflussfaktoren können dauerhaft zu einer Phasenverschiebung führen. Da wir heute aber zu oft bei künstlichem Licht leben – Dr. Kunz nennt es das "Leben in biologischer Dunkelheit" – verändern sich unsere inneren Abläufe und das macht langfristig krank. Schlimmstes Beispiel hier sind wahrscheinlich die vielen SchichtarbeiterInnen. "Der Forschungsstand zum Einsatz von vollspektralem Licht zum Beispiel ist jetzt auf einem Stand, von dem ich denke, wir können in die praktische Anwendung übergehen", sagt Dieter Kunz. Gerade beim Einsatz von Beleuchtungskonzepten für SchichtarbeiterInnen könne man hier sehr gute Konzepte vorweisen, welche dauerhafte gesundheitliche Verbesserungen bringen würden. "Wir sprechen hier von weniger Krebserkrankungen, weniger Depressionen, weniger Demenzen, weniger Herzinfarkten – also schwerwiegenden Krankheiten", erklärt der Forscher.
Und weiter: "Mehr oder weniger betrifft uns das aber alle, ob Schichtarbeiter oder nicht. Wir sollten alle zugunsten unserer Gesundheit versuchen, mehr Tageslicht bzw. vollspektrales Innenraumlicht zu bekommen."