In Berlin fand am 30. Juni 2017 die mittlerweile 4. Männergesundheitskonferenz statt – diesmal mit dem Fokus auf die Gesundheitskompetenz von Männern in der Erwerbsphase. Eingeladen hatte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) sowie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Berufstätigkeit, Karriereplanung und Familiengründung gehören zu den zentralen Themen für die meisten Männer im mittleren Lebensabschnitt. Doch häufig geht diese "Rush-hour" des Lebens zulasten der Gesundheit – Burnout, Stress, Sucht, Übergewicht und diverse somatische Erkrankungen sind häufig die Folge. Und auch oder gerade, wenn man(n) aus den klassischen Anspruchs- und Leistungsrastern herausfällt, kann das körperliche und seelische Wohlergehen stark beeinträchtigt werden.
Hinzu kommt, dass – laut aktueller Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – nur 47 Prozent der Männer in Deutschland über ausreichendes Gesundheitswissen verfügen. Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, betonte daher, dass es ein wichtiges Anliegen dieser Konferenz sei, Gesundheitsinformationen für Männer alltagstauglich zu kommunizieren.
Und Ingrid Fischbach, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, stellte heraus: "Der Unterschied in der Lebenserwartung von Männern und Frauen nimmt zwar stetig ab, dennoch ist die Lebenserwartung bei Männern noch etwa fünf Jahre geringer. Dies liegt zu einem wesentlichen Teil an einem anderen Gesundheits- und Risikoverhalten von Jungen und Männern, etwa durch Rauchen, Alkoholkonsum und einseitige Ernährung. Wir brauchen daher Ansätze, um das Gesundheitsbewusstsein und -verhalten von Männern gezielt zu fördern."
Ganz in diesem Sinne war auch ein Teil der ganztägigen Veranstaltung für praxisnahe Information und Austausch der Akteure vorgesehen. Auf den dafür vorbereiteten Themeninseln wurden entsprechend Aspekte wie betriebliches Gesundheitsmanagement oder die Bildung von Multiplikatoren-Netzwerken im Bereich Männergesundheit behandelt.
Dass Arbeit zwar auch krank machen kann, im Allgemeinen aber das körperliche und soziale Wohlbefinden eindeutig fördere, zeigten die Untersuchungen von Prof. Alfons Hollederer, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Nürnberg. Demnach war der Gesundheitszustand von Arbeitslosen verglichen mit Erwerbstätigen in allen gemessenen Skalen signifikant erniedrigt – die Zahl der Klinikaufenthalte in dieser Gruppe entsprechend deutlich erhöht.
Auch das Gesundheitsverhalten differierte zu Ungunsten der Arbeitslosen, die mit 66 Prozent zu 32 Prozent doppelt so oft rauchten und deutlich weniger Nie- und Exraucher zählten als Männer – und übrigens auch Frauen – mit Job. Und auch bei der körperlichen Bewegung offenbarten sich große Unterschiede: So trieben 42,2 Prozent der Nicht-Beschäftigten niemals Sport, obwohl diese Gruppe potenziell mehr Zeit dazu hätte als die Berufstätigen, die lediglich in 23,7 Prozent keinerlei sportlicher Aktivität nachgingen. Häufig fehlten einfach geeignete Settings, um Männer außerhalb der Arbeitswelt "abzuholen" und effektive Prävention anzubieten.
Einzig beim Alkoholkonsum waren die Verhältnisse – möglicherweise im Gegensatz zu manchem Vorurteil – eher umgekehrt: Hier waren es vor allem die arbeitenden Männer, die sich eher mal ein paar "Feierabendbierchen" gönnten.
Um die Männer, die von Beratung und Betreuung profitieren könnten, zu erreichen, sei das Gießkannenprinzip denkbar ungeeignet, so Dirk Gansefort, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, Bremen. Gansefort beschrieb demgegenüber einige Faktoren, die entsprechende Projekte erfolgreich machten – insbesondere in Stadtteilen mit niedrigem Sozialindex:
Zunächst sei die gute Vernetzung der Akteure eine wichtige Grundlage. Dann sei eine persönliche und direkte Ansprache der Adressatengruppe notwendig. Das Vertrauen in die eigenen Stärken müsse gefördert werden, gleichzeitig aber auch der Blick auf häufig ausgeblendete, psychische Probleme wie Gewalt, Suchtmittelkonsum oder Depression nicht vernachlässigt werden. Ein gewisser Spaßfaktor dürfe bei dem Interventionsangebot nicht fehlen – ebenso sollten Gesundheitsthemen bei Männern nicht unbedingt im Vordergrund stehen, sondern in andere Themen wie Arbeitsmarktzugang eingebettet sein.
Manchmal sei der Weg aus der vermeintlichen Deprivation auch denkbar einfach: So berichtete der Referent von einem Langzeitarbeitslosen, der sehr bald wieder in Lohn und Brot stand, nachdem die Betreuer eines "Runden Tisches" ihn auf die Wirkung seines sichtbar desolaten Zahnstatus aufmerksam machten und die Sache mit ihm zusammen angingen.
An einer weiteren Themeninsel wurde von Arne Kayser, Aidshilfe Bochum e.V. darauf hingewiesen, dass es für den weiblichen Teil der Bevölkerung eine umfassende frauenärztliche Versorgung gebe – männliche Jugendliche und Erwachsene nach der Betreuung durch den Kinderarzt aber weitgehend auf sich allein gestellt seien.
Ausnahmen bildeten hier hauptsächlich Beratungsangebote für Homosexuelle. Urologen hingegen, die sich für eine solche, speziell andrologisch orientierte Versorgung aller Bevölkerungsgruppen eignen würden, sehen sich leider oft primär als Ansprechpartner bei rein körperlichen Beschwerden.
Entsprechend qualifizierte Haus- und Fachärzte müssten in der Breite viel mehr signalisieren, dass sie für Männer auch bei sexuellen Fragen oder psychosozialen Problemen zur Verfügung stehen – zumindest als erste, niedrigschwellige Anlaufstelle. Hier genügt oft schon ein entsprechender Flyer im Wartezimmer oder Hinweis auf der Praxis-Webseite. Der Bedarf sei auf jeden Fall sehr groß – so das einhellige Credo der Akteure.
Ein abschließender Tipp: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet dazu auf www.maennergesundheitsportal.de ein umfangreiches Onlineangebot mit zahlreichen Informationen rund um das Thema. Gemeinsam mit der Stiftung Männergesundheit hat die BZgA außerdem in der „Wissensreihe Männergesundheit“ fünf Informationsbroschüren zu den Themen Bluthochdruck, Burnout, Diabetes mellitus, Herzinfarkt und Übergewicht veröffentlicht, die geschlechtersensibel über männerspezifische Gesundheitsthemen informieren.