Von der Schummelei bei der Steuerklärung bis zu den großen Korruptionsskandalen – immer wieder lügen Menschen, um sich Vorteile zu verschaffen. In experimentellen Studien wird erforscht, welche persönlichen und umweltbedingten Faktoren Menschen zu Lügnern machen. Eine umfangreiche Metaanalyse zum Lügen fasst nun Erkenntnisse aus 565 Studien zusammen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die Tendenz zu Unehrlichkeit von Alter und Geschlecht abhängt.
Der Grundkonflikt jeder Lüge ist die Wahlmöglichkeit - Entweder weiterhin ehrlich und auf Vorteile verzichten, oder aber lügen, um beispielsweise an mehr Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen. Warum Menschen lügen, hängt von persönlichen Faktoren und Umweltfaktoren ab. Um diese empirisch zu untersuchen, wurde in vielen publizierten Studien dieser Grundkonflikt in einfachen Experimenten nachgestellt. Beispielsweise in Form des Münzwurf-Spiels.
Dabei werfen Probanden eine Münze, ohne dass sie jemand dabei beobachtet. Das Ergebnis geben sie zum Beispiel per Computer an die Versuchsleiter durch. Bei Kopf bekommen sie Geld, bei Zahl gehen sie leer aus. Führt man diesen Versuch öfter und mit vielen Probanden durch, müsste das Verhältnis von Kopf zu Zahl insgesamt fünfzig zu fünfzig betragen. Doch zeigen fast alle Studien, dass Probanden öfter Kopf als Zahl nennen. Das heißt: Mindestens einige Probanden lügen, um mehr Geld zu "verdienen".
Zahlreiche Studien mit diesem oder ähnlichem Grundaufbau haben Forscher in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt, um die verschiedenen Faktoren zu untersuchen, die zu Unehrlichkeiten führen. Lügen Nonnen häufiger als Gefängnisinsassen? Lügt man eher online oder am Telefon? Lügt man eher, wenn man mehr Geld erwartet? Für die Metaanalyse haben die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Technion – Israel Institute of Technology die Daten von 565 Studien mit insgesamt 44.050 Probanden berücksichtigt.
"Obwohl es zahlreiche Studien gibt, die untersuchen, wer, wann und warum lügt, sind die Ergebnisse nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüchlich. Mithilfe der großen Datenmenge aus allen Studien können wir nun zu einigen Faktoren eindeutigere Aussagen treffen", sagte Philipp Gerlach, Assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Erstautor der Studie.
Insgesamt haben bei den untersuchten Experimenten 42 % aller Männer und 38 % aller Frauen gelogen. Die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, konnte die Studie damit bestätigen – auch wenn der Unterschied nur gering ist.
Außerdem haben jüngere Personen häufiger gelogen als ältere. Dabei sank die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, mit jedem Lebensjahr um 0,28 Prozentpunkte. Während sie bei einer 20-jährigen Person bei etwa 47 % liegt, liegt sie bei einer 60-jährigen nur noch bei 36 %. Andere, immer wieder diskutierte Faktoren konnte die Studie nicht bestätigen. So finden die Wissenschaftler zum Beispiel keinen Hinweis darauf, dass Wirtschaftsstudierende besonders häufig lügen würden.
Auch Patienten sind nur Menschen und neigen dazu, die Unwahrheit zu sagen, Medikationen zu verschweigen oder auch zusätzlich in Anspruch genommene Therapien kurzzeitig zu vergessen. Damit findet die Psychologie der Lüge letztlich auch wieder ganz aktuellen Eingang in die medizinische Praxis und das Arzt-Patienten-Verhältnis.