Lauterbach: Reformen auch für die ambulante Medizin
Weitreichende Reformen für die ambulante Versorgung und für die Verzahnung zwischen vertragsärztlicher Versorgung und zukünftigen Level 1i-Kliniken hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beim SpiFa-Fachärztetag angekündigt.
Ambulante Medizin muss neu organisiert werden
Mit der Alterung der Babyboomer, der steigenden Morbiditätsbelastung und "dramatischem" Fachkräftemangel entsteht ein "doppeltes Versorgungsproblem", so Lauterbach vor dem SpiFa-Fachärztetag: "Wir stehen am Vorabend einer Notsituation. Bis 2040 werden uns rund 50.000 Ärzte fehlen." Schon im anstehenden ersten Versorgungsgesetz sollen daher erste Ansätze gefunden werden, die Zahl der Medizinstudienplätze aufzustocken – auch gegen den Widerstand der Länder, kündigte Lauterbach an.
Das geplante Versorgungsgesetz werde deutlich umfangreicher als zunächst absehbar gewesen sei. Die wichtigsten Elemente:
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Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars. Dazu wird der Quartalsbezug abgeschafft zugunsten einer Jahrespauschale. Das soll viele bislang formal notwendige Arzt-Patienten-Kontakte überflüssig machen und Luft schaffen für die Konzentration auf schwer kranke Patienten. Über die Details werde in enger Abstimmung mit dem Hausärzte-Verband und den KVen verhandelt.
- Arzneimittelregresse seien eine überkommene Misstrauenskultur und sollen weitgehend abgeschafft werden.
- Für investorengetragene MVZ soll es starke Einschränkungen geben; dabei sollen auch Vorschläge der Bundesärztekammer aufgegriffen werden.
- Als Ersatz für die Neupatienten-Regelung soll eine Alternative geschaffen werden; Lauterbach verspricht hierzu eine eingehende Diskussion mit den Facharztverbänden.
- Ein besonders wichtiger Punkt werde sein, dass eine neue gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, dass Vertragsärzte als Freiberufler auch im Krankenhaus arbeiten können. Das soll es vor allem ermöglichen, die Sektorengrenzen in den zukünftigen Level 1i-Kliniken zu überwinden. In seiner Eröffnungsrede hatte SpiFa-Vorsitzender Dr. Dirk Heinrich das bestehende Problem direkt angesprochen: Die gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen führten dazu, dass Vertragsärzte, die auch im Krankenhaus arbeiteten unter permanentem Verdacht der Korruption stünden.
- Ferner kündigte Lauterbach die Bereitschaft zu einem Dialog über eine GOÄ-Novelle an, "obwohl da nicht mein Herzblut fließt". Er wisse und respektiere aber, dass dies der Ärzteschaft ein wichtiges Anliegen sei.
- Insbesondere auf Initiative der FDP werde es ein spezielles Gesetz zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen geben.
Den Zustand der Gesundheitsversorgung beurteilt Lauterbach als kritisch: Durch Vernachlässigung der Prävention, Ineffektivität und Ineffizienz sei das System eines der teuersten, zugleich aber auch qualitativ im internationalen Vergleich zurückgefallen. Beim Zuwachs an Lebenserwartung liege Deutschland inzwischen am untersten Ende in Europa. Trotz Subventionen von weit mehr als 20 Milliarden Euro arbeiteten viele Krankenhäuser – auch aufgrund niedriger Auslastung – mit Defiziten. Nach monatelangem Ringen mit den Bundesländern soll nun in wenigen Tagen ein Referentenentwurf zur Reform von Strukturen und Vergütungen für die stationäre Versorgung vorgelegt werden.
In seiner Eröffnungsrede hatte SpiFa-Chef Heinrich auf den sich verschärfenden Ärztemangel hingewiesen. Es müsse gelingen, die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung so zu gestalten, dass ältere Ärzte möglichst lange in ihrem Beruf produktiv bleiben. Heinrich: "Wir wollen gerne bis 70 arbeiten!"