Einem Team um Nikolaus Weiskopf vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig ist es gelungen, die kurzen neuronalen Fasern mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) im lebenden menschlichen Gehirn sichtbar zu machen. Ihre Studie im Journal Cerebral Cortex ist ein wichtiger Schritt, um das einzigartige Netzwerk der anatomischen Verbindungen und den Informationsfluss im Gehirn bei gesunden und erkrankten Menschen deutlich genauer zu rekonstruieren und damit besser zu verstehen.
Das menschliche Gehirn ist ein immenses Netzwerk aus einer Vielzahl von Zellen, die durch Milliarden von Nervenfasern miteinander verbunden sind. Fast 90 Prozent der Verbindungen in unserem Gehirn sind kurz und übertragen Informationen zwischen niedrigeren und höheren Verarbeitungsebenen. Diese Verbindungen sorgen dafür, dass unser Gehirn funktioniert: Mit ihrer Hilfe sehen, hören, denken und handeln wir. Deshalb sind NeurowissenschaftlerInnen auf der Suche nach neuen Methoden, die diese kurzen Verbindungen nicht invasiv darstellen können. "Wir sind jetzt in der Lage, kurze Nervenfasern mit einer Auflösung, die höher als ein Millimeter ist, zu erkennen. Um unsere Ergebnisse zu validieren, kombinieren wir die funktionelle und anatomische Magnetresonanztomographie und vergleichen deren Ergebnisse miteinander", erklärt Fakhereh Movahedian Attar, welche die Studie mit ihren KollegInnen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften durchgeführt hat.
Die Forschenden machen neuronale Fasern und Nervenverbindungen im Gehirn sichtbar, indem sie die eingeschränkte Beweglichkeit von Wasser in den dicht gepackten Nervenfaserbündeln ausnutzen. Daraus werden dann die Faserrichtungen und Verbindungsstärken abgeleitet. "Diese Methode wird standardmäßig zur Erkennung von langen Faserbahnen im Gehirn verwendet, doch die kurzen Fasern, die dünn sind und sich häufig kreuzen, werden oft nicht erkannt. Wir haben nun neueste Magnetresonanztomographie-Technik und zugeschnittene Analysetechniken kombiniert, um diese Einschränkung zu überwinden. Um die kurzen Fasern abzubilden, haben wir den Connectom Scanner unseres Instituts verwendet, eines von vier Geräten dieser Art weltweit", beschreibt Fakhereh Movahedian Attar die Methode.
Sie und ihre KollegInnen konnten zeigen, dass die Bereiche im visuellen Kortex unseres Gehirns, die für die Sehverarbeitung auf niedriger und höherer Ebene verantwortlich sind, nach einem ganz bestimmten Prinzip durch kurze Fasern miteinander verdrahtet sind. Solche kortikalen Regionen, die den gleichen Teil des Gesichtsfeldes verarbeiten, sind auch stärker miteinander verbunden. So wie Straßennetze den Verkehrsfluss und die Verkehrsrichtung bestimmen, können die Forschenden nun besser verstehen, wie die Hirnstruktur die jeweilige Funktion bestimmt.
Die kurzen Faserbahnen verändern sich mit der normalen Hirnentwicklung und können auch von verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen betroffen sein, wie zum Beispiel Multipler Sklerose. Daher verspricht ihre verbesserte Messung nicht nur Fortschritte in den Grundlagenwissenschaften, sondern langfristig möglicherweise auch in der klinischen Diagnostik.