Der Nutzen von Alltagsmasken stellt ein immer wieder auftretendes Streitthema in der COVID-19-Pandemie dar - auch unter medizinischen Fachleuten. Ärztepräsident Klaus Reinhardt äußerte sich in der Talkshow "Markus Lanz" deutlich zum Thema - und kassiert scharfe Kritik.
Im Rahmen der Talkshows "Markus Lanz" am Abend des 21.10.2020 äußerte sich der Ärztepräsident zwiegespalten zum Nutzen von Alltagsmasken. So erkannte er diesen einen begrenzten Nutzen an. Den Mund-Nasen-Schutz, so Reinhardt, könne man etwa im öffentlichen Nahverkehr oder in Räumlichkeiten, wo man notwendigerweise eng beieinander sei, tragen, wo man den Abstand nicht wahren könne. Diese Haltung zum Mund-Nase-Schutz bekräftige der Ärztepräsident auch nochmals am Folgetag in einer gemeinsamen Mitteilung der Ärztekammer-Spitze: "Dieser ist zwar kein sicherer Schutz vor einer eigenen Infektion, hilft aber, durch eine mechanische Reduktion der Aerosol-Verbreitung andere zu schützen."
Andere Aussagen Reinhardts im Rahmen der Talkshow stießen hingegen zum Teil auf Kritik und Empörung unter weiteren Vertretenden des Gesundheitswesens. So merkte der Allgemeinmediziner an, es gäbe keine "tatsächliche wissenschaftliche Evidenz", dass Alltagsmasken tatsächlich hilfreich seien, und fügte hinzu: "Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken." Darüber hinaus sprach der Ärztepräsident im Zusammenhang mit der Maskenpflicht gar von einem "Vermummungsgebot".
Kritik dazu kommt unter anderem von Susanne Johna, der Vorsitzenden der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Besonders in der jetzigen Phase der Pandemie, so Johna, müsse man die Bevölkerung mit klaren Aussagen über den notwendigen Infektionsschutz aufklären: "Diese persönliche Auffassung des Bundesärztekammer-Präsidenten steht im Widerspruch zur aktuellen Studienlage und ist geeignet, das seit Monaten wirksame und evidenzgestützte Konzept zur Minimierung von Infektionen zu diskreditieren"
Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach übt auf Twitter deutliche Kritik an Reinhardt. Dessen Aussagen seien "unentschuldbar" für den "ranghöchsten deutschen Ärztefunktionär". In seinem Tweet geht Lauterbach noch weiter: "Aus meiner Sicht ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt." Diese Option müsse in Kammerkreisen dringend diskutiert werden, wie Lauterbach "Focus online" gegenüber schilderte.
Auch aus Bayern kommt scharfe Kritik an den Äußerungen des Präsidenten der Bundesärztekammer. Der bayerische Ärztekammerpräsident Gerald Quitterer merkt an, die Aussagen Reinhardts konterkarierten Bemühungen, PatientInnen die Sinnhaftigkeit der Alltagsmasken nahezubringen, und fügt hinzu: "Die Aerosole fliegen mit Maske nicht so weit. Ohne Maske wäre man dagegen völlig ungeschützt."
Unverantwortliches Verhalten wird Reinhardt ebenso von Seiten der bayerischen Staatskanzlei vorgeworfen. Gegenüber dem "Münchener Merkur" bemängelte Staatskanzleichef und Corona-Koordinator Florian Herrmann (CSU): "Es ist mehr als irritierend, wenn sich ein hoher Vertreter der Ärzteschaft unverantwortlicher Corona-Leugner-Diktion bedient und Fake News verbreitet."