DMKG startet bundesweite Initiative "Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen" sowie ein Kopfschmerzregister.
"Alle Kopfschmerzen lassen sich heute viel besser behandeln als noch vor zehn oder 20 Jahren", sagt Privatdozentin Dr. med. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Die erste und einzige deutsche medizinische Fachgesellschaft für Kopfschmerzerkrankungen kann auf vier Jahrzehnte erfolgreicher Kopfschmerzforschung und zahlreicher wegweisender Meilensteine in der Therapie von Migräne, Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerzen und vielen weiteren Kopfschmerzformen zurückblicken.
Ein wichtiger Schritt war die Entwicklung einer internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen, die von der DMKG aktiv mitgestaltet wurde. Erst mit dieser Systematik konnten Kopfschmerzdiagnosen besser abgesichert und Patientenkollektive für die klinische Forschung definiert werden. Heute ist es möglich, dass alle PatientInnen mit Kopfschmerzen eine individuelle Therapie erhalten können – sofern sie leitliniengerecht diagnostiziert und behandelt werden. "Hier ist noch vieles zu verbessern, darum haben wir die bundesweite Initiative "Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen" ins Leben gerufen und starten gerade das erste deutsche Kopfschmerzregister", so Förderreuther. Weitere Entwicklungen im Bereich der Bildgebung, in der medikamentösen Therapie und bei der Etablierung von spezialisierten Kopfschmerz-Einrichtungen stellen ExpertInnen auf der Pressekonferenz am 10. Oktober 2019 auf dem Deutschen Schmerzkongress vor.
Vor 40 Jahren wurde die Deutsche Kopfschmerz- und Migränegesellschaft (DMKG) gegründet und hat seit dieser Zeit das Thema Kopfschmerzerkrankungen aus seinem Nischendasein befreit. Heutzutage werden PatientInnen mit Kopfschmerzen schneller diagnostiziert und therapiert als in der Vergangenheit. Durch Forschung am Tiermodell, die Möglichkeiten der funktionellen Bildgebung am Menschen, moderne Techniken zur Bestimmung von Botenstoffen und genetische Analysen wurden nach und nach viele Schritte in der Pathophysiologie von Migräne und Clusterkopfschmerz entschlüsselt und dadurch die Grundlage für die Entwicklung spezifischer Medikamente zur Akuttherapie und Prophylaxe geschaffen. Es sind spezielle Kopfschmerz-Schwerpunktpraxen, Spezialambulanzen und Kliniken entstanden, in denen Kopfschmerzerkrankungen heute gezielter und spezifischer behandelt werden als Jahrzehnte zuvor.
"Trotz aller Fortschritte benötigen wir mehr Spezialisten. Man kann und muss noch vieles an der Versorgung von Kopfschmerzpatienten in Deutschland verbessern", betont DMKG-Präsidentin Förderreuther. "Patienten erhalten typischerweise zu viel Diagnostik und zugleich zu wenig Beratung und Therapie." Vor wenigen Tagen hat eine Analyse von PatientInnen, die in einer Spezialambulanz behandelt wurden, erneut bestätigt, dass vorbeugende Maßnahmen viel zu selten eingesetzt werden und die Empfehlungen der Therapieleitlinien zu wenig befolgt werden.
Um die Versorgung zu verbessern, hat die DMKG unter dem Motto "Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen" eine deutschlandweite Initiative gestartet, die das Bewusstsein für Kopfschmerzerkrankungen bei Ärzteschaft und PatientInnen erhöhen soll. Denn die tatsächliche Beeinträchtigung durch die immer wiederkehrenden Attacken wird noch immer unterschätzt. Gemessen an der Häufigkeit und Belastung rangieren Kopfschmerzen weltweit auf Platz drei aller Erkrankungen, bei den unter 50-Jährigen sogar auf Platz eins. Bei circa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung sind Monat für Monat Kopfschmerztage häufiger als kopfschmerzfreie Tage.
Privatdozent Dr. med. Tim Jürgens, Vizepräsident der DMKG, erklärt: "Diese Patienten sind meist aufgrund fehlender oder unzureichender vorbeugender Maßnahmen ungewollt in einen Übergebrauch von Akutmedikamenten geschlittert. Sie verstärken dadurch ihre Erkrankung, denn sie entwickeln einen Medikamenten-Übergebrauchskopfschmerz."
Die Initiative "Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen" bietet mit ihrem Onlineauftritt webbasiert Fortbildungsangebote für ÄrztInnen sowie Weiterbildungsveranstaltungen und unterstützt den Aufbau von Kooperationen zwischen den Primärversorgern und SpezialistInnen. "Besonders wichtig sind uns die nicht medikamentösen und medikamentösen vorbeugenden Therapien, um die Entwicklung von Kopfschmerzen durch übermäßige Schmerzmitteleinnahme zu verhindern. Patienten, die zu viele Akutmedikamente einnehmen, fürchten meist um ihre Nieren oder die Leber. Was sie nicht ahnen, ist, dass sie viel häufiger durch die Medikamente ihren Kopfschmerz verstärken und chronifizieren", so Förderreuther.
Bis zum Ende des Jahres wird die DMKG zusätzlich ihr deutschlandweites Kopfschmerzregister starten, das teilnehmende ÄrztInnen und PatientInnen bei der Diagnostik, Therapieplanung und Therapiekontrolle unterstützen und einen wissenschaftlichen Beitrag zur Versorgungsforschung leisten wird. Privatdozentin Dr. med. Ruth Ruscheweyh, die den Aufbau des Registers betreut, erläutert: "Mit dem Register, das durch eine Kopfschmerz-App ergänzt wird, können Patienten schon vor dem Besuch beim Arzt für die Behandlung relevante Daten zur Verfügung stellen. Dadurch bleibt mehr Zeit für die individuelle Beratung."
Quellen:
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