Wenn die Schulter in der Nacht schmerzt und das vom Schlafen abhält oder Haare kämmen nahezu unmöglich erscheint – dann kann eine Kalkschulter die Ursache sein. Bei Kalkansammlungen, die starke Schmerzen verursachen, wird den Patienten manchmal zur Operation geraten. Eine schonende Alternative dazu kann die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) sein. Dabei richtet der behandelnde Arzt mit einem Ultraschallgerät energiereiche Stoß- oder Druckwellen gezielt auf die betroffene Schulter. Und auch bei der Diagnose kann das Ultraschallverfahren sehr hilfreich sein.
Bei einer Kalkschulter bilden sich Kalkansammlungen in einer Sehne in der Schulter. Ursache können mechanische Faktoren sowie lokale Durchblutungs- oder Stoffwechselstörungen sein. "Bewegungen über Kopf, aber auch nach hinten oder zur Seite mit Belastung sind äußerst schmerzhaft“, so beschrieb Dr. Rainer Berthold, einer der stellvertretenden DEGUM-Sektionsleiter Chirurgie, die Symptome einer Kalkschulter.
Die Vielfalt der Beschwerden lässt die Kalkschulter als Chamäleon erscheinen. Wegen der starken Schmerzen können die PatientInnen den Arm oft kaum noch bewegen und nicht auf der betroffenen Schulter liegen; durch eine Schonhaltung kann es sogar zur Versteifung der Schulter kommen.
Von einer Kalkschulter sind vor allem Menschen zwischen 35 und 50 Jahren betroffen, rund zwei Drittel davon sind Frauen. Die Erkrankung wird meist recht spät diagnostiziert, denn solange die Ablagerungen klein sind, verursachen sie keine Symptome. Es ist davon auszugehen, dass ein asymptomatischer Kalkherd zu etwa 40% im weiteren Verlauf zu Beschwerden führt.
"Wir können die Verdachtsdiagnose, die wir aufgrund des Beschwerdebildes und der Bewegungseinschränkung gewonnen haben, mithilfe des Ultraschallverfahrens und einer Röntgenuntersuchung bestätigen“, erklärte Dr. Berthold. "Diese Kombination ist im Vergleich zur Kernspintomographie von hoher Treffsicherheit und sie ist schnell und kostengünstig durchführbar.“
Warum sich die Kalkansammlungen bilden, ist noch nicht endgültig geklärt. Eine Ursache könnte eine Mangeldurchblutung und damit ein Sauerstoffmangel in den Schultersehnen sein. Ein therapeutischer Ansatz ist deshalb die Aktivierung des Stoffwechsels – und somit auch der Durchblutung – durch gezielte Bewegung. Spezielle Dehnübungen helfen, den Schmerz zu lindern. Bei Bedarf verordnet Ärzte und Ärztinnen zudem noch Medikamente gegen Schmerzen oder Entzündungen, um die PatientInnen, die häufig im Alltag und im Beruf stark eingeschränkt sind, kurzfristig zu entlasten. Manchmal setzen auch PhysiotherapeutInnen therapeutischen Ultraschall unterstützend zur Schmerzbehandlung ein.
Solange die PatientInnen mit ihren Beschwerden gut zurechtkommen, kann der meist gutartige Spontanverlauf der Erkrankung abgewartet werden. Denn oft lösen sich die Verkalkungen im Laufe der Zeit wieder von allein auf – das kann aber Monate dauern und ist mit starken Schmerzen verbunden. Bei großen Kalkansammlungen wird den PatientInnen manchmal zur Operation geraten.
Eine schonende Alternative dazu kann jedoch die Stoßwellentherapie sein. Der Nutzen der Behandlung in Bezug auf eine Besserung der Symptome und Verkleinerung der Kalkdepots ist inzwischen in vielen Studien nachgewiesen. Dabei setzen ÄrztInnen das Ultraschallverfahren nicht nur zur Diagnose, sondern auch zur präziseren Behandlung ein.
Bei der fokussierten extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) werden mithilfe der sogenannten Piezoelektrik außerhalb des Körpers Impulse erzeugt, die innerhalb des Körpers wirksam werden. Bei der Therapie der Kalkschulter werden fokussierte Stoßwellen gezielt auf das Kalkdepot in der Schultersehne gerichtet. Dieser Fokus lässt sich berechnen und das Gerät je nach Position des Kalkdepots adaptieren. Die Stoßwellenwirkung kann dann exakt auf die gewünschte Zone ausrichtet werden. Das Gewebe um die Kalkansammlung – also die Haut, die Muskulatur und das Bindewebe – wird somit nicht beeinträchtigt.
"Oft wird angenommen, die Stoßwellen würden das Kalkdepot zerstören. Dies ist aber nicht richtig – vielmehr bewirkt der Druckimpuls die Induktion zellulärer Reaktionen“, erklärte Dr. Berthold das Verfahren weiter. "Die vermehrte Durchblutung mit Gefäßneubildungen im betroffenen Areal führt danach zur Auflösung der Kalkdepots.“
Alternativ gibt es die kostengünstigere radiale Stoßwellentherapie. Sie arbeitet meist mit Druckluft. Durch den Aufschlag eines Projektils auf einen Applikator werden hier die nicht fokussierten Druckwellen erzeugt. Allerdings ist die Effektivität dieses niederenergetischen Verfahrens geringer – die Anzahl der notwendigen Behandlungen damit meist höher.
Die Anwendung gehört für gesetzlich Versicherte zu den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL); PatientInnen müssen die Kosten also selbst tragen. Die meisten privaten Krankenkassen und Beihilfestellen übernehmen die Behandlung. "Ein bis drei Behandlungen, die jeweils etwa zehn Minuten dauern, reichen bei der fokussierten Stoßwelle häufig bereits aus“, versicherte Dr. Berthold. "Die Nebenwirkungen sind gering, die PatientInnen werden durch dieses schonende Verfahren häufig wieder schmerzfrei und in der Schulter beweglich. Die Krankheitsdauer wird verkürzt und eine Operation in der Regel vermieden.“