Eine Covid-19-Erkrankung zieht neben den Atemwege auch das Blutgefäßsystem stark in Mitleidenschaft. Covid-19-Patienten zeigen eine verstärkte Blutgerinnung und häufiger auch Entzündungen der Blutgefäße. So kann es zu schwerwiegenden Komplikationen mit potenziell tödlichem Ausgang wie Thrombosen, Lungenembolien, Schlaganfällen oder Durchblutungsstörungen in den Armen oder Beinen kommen.
Die wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion sind: fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, Tabakkonsum, Bluthochdruck, Diabetes und starkes Übergewicht, genau die selben wie bei Gefäßerkrankungen, so Professor Dr. med. Markus Steinbauer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG). Weil stationär aufgenommene oder gar intensivmedizinisch betreute Covid-19-PatientInnen in ihrer Bewegung eingeschränkt sind und damit einen weiteren Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse aufweisen, benötigen sie eine Thromboseprophylaxe oder antithrombotische Therapie.
Im Oktober wurde eine Studie publiziert, nach der niedrigdosiertes Aspirin den Covid-19-Verlauf bei Herz-Kreislauf-Patienten positiv beeinflussen könne. Steinbauer rät allerdings, diese vorsichtig zu interpretieren: "Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen erscheint ein Schutz durch die gerinnungshemmende Wirkung von Aspirin plausibel". Gefäßgesunde Covid-19-PatientInnen vorbeugend mit Aspirin zu behandeln, lasse sich allerdings nicht rechtfertigen und berge aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr sogar Risiken. Hierzu müssten weitere randomisierte, kontrollierte und prospektiv angelegte Studien aufgelegt werden.
In der gegenwärtigen Situation könne in der Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen und -therapiemöglichkeiten andere Gesundheitsprobleme aus dem Blick geraten. "Die Einschränkung der Mobilität und des sozialen Lebens schützt zwar vor Infektionen, der Bewegungsmangel kann jedoch zugleich das Thromboserisiko steigern", mahnt Professor Dr. med. Dittmar Böckler vom Universitätsklinikum Heidelberg. Sofern die infektiologische Lage es zulasse, müsse daher auch über eine Verkürzung der bislang 14-tägigen Quarantäne für Infizierte und Kontaktpersonen nachgedacht werden.
Auch andere Lebensstilfaktoren, die für das Herz-Kreislauf-Risiko entscheidend sind, werden durch die Lockdown- und Quarantänebedingungen beeinflusst. "Je nach beruflicher und sozialer Situation haben manche Menschen während des ersten Lockdowns zu ungesünderem und üppigerem Essen gegriffen, mehr Alkohol getrunken und ihren Tabakkonsum gesteigert", so Böckler. Daher müsse weiter über die Bedeutung eines gesunden Lebensstils berichtet und aufgeklärt werden – umso mehr, als es sich dabei um effektive und kostengünstige Präventionsmaßnahmen handele, die das aktuell stark strapazierte Gesundheitssystem entlasten könnten.
Denkbar sei auch der Einsatz telemedizinischer Methoden, Schrittzähler oder Gesundheitsapps, mit denen sich Bewegungs- und Übungsprogramme anleiten oder kontrollieren ließen. Neben den direkten Gesundheitseffekten wirke sich die Herz-Kreislauf-Prävention nicht zuletzt auch positiv auf den Verlauf der Corona-Pandemie aus: Je besser die kardiovaskuläre Gesundheit der Bevölkerung sei, desto geringer sei auch die Zahl der Covid-Risikopatienten.