Die 'ALLHAT'-Studie1,2 (Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial) mit Daten von 33,4 Tsd. Patienten kam zu dem Schluss, dass zwischen dem Blutdruck und verschiedenen kardiovaskulären Ereignissen eine U- oder J-förmige Assoziation besteht, das heißt, bei einem zu hohen Blutdruck erhöht sich das Risiko, aber bei einem zu niedrigen ebenso. Der Wendepunkt oder Bereich, der mit dem geringsten Risiko einhergeht, war für verschiedene Outcomes unterschiedlich:
Warum ist dem so? Aufgrund der zerebralen Autoregulation kann das Gehirn seine Durchblutung trotz großer Schwankungen des arteriellen Druckes (und damit des zerebralen Perfusionsdruckes) relativ konstant halten. Im Gegensatz dazu geschieht die Perfusion des Herzens überwiegend in der Diastole. Ein zu niedriger diastolischer Druck kann sich demnach negativ auf die Durchblutung des Myokards auswirken.
Das Gehirn wäre also mit weniger zufriedener, etwa mit einem optimal zerebroprotektiven Blutdruck von 110–120 mm Hg – wenn es nicht schlecht für das Herz wäre, schreiben die Autoren eines begleitenden Editorials.3
Aktuelle Leitlinien empfehlen einen Blutdruck von < 130/80 mm Hg in fast allen Patientenpopulationen anzustreben.2 Hilft uns das so richtig weiter? Systolischer und diastolischer Blutdruck müssen gleichermaßen beachtet werden, so die Wissenschaftler. "Unsere Ergebnisse legen eine Individualisierung der Blutdruck-Zielwerte nahe, passend zu dem kardiovaskulären Ereignis, für welches der Patient das höchste Risiko aufweist."
Bei bereits stattgehabtem Apoplex in der Vorgeschichte wäre demnach eine aggressivere Blutdrucksenkung angezeigt, wenn man die (bis zu einem Druck von 110/55 mm Hg hinunter) linear verlaufende Risikoassoziation bedenkt, während bei Status nach Herzinfarkt eine zu starke Senkung des diastolischen Druckes vermieden werden sollte.2
Zahlreiche Daten weisen darauf hin, dass Bluthochdruck ein deutlich stärkerer Risikofaktor für Schlaganfälle als für Herzinfarkte ist. Umgekehrt hat eine antihypertensive Therapie seit den Studien der Veterans Administration durchweg mehr Nutzen für zerebrovaskuläre Erkrankungen gezeitigt als für KHK. Der Zusammenhang zwischen Blutdruck und Myokardinfarkt ist komplexer als der zwischen Blutdruck und Apoplex, merken die Autoren des Editorials weiter an.3
Die Erkenntnisse aus 'ALLHAT' decken sich mit denen anderer Arbeiten, zum Beispiel der großen, prospektiven randomisierten Studie 'INVEST' (International Verapamil-Trandolapril Study), die ein zunehmendes Überwiegen von Myokardinfarkten gegenüber Schlaganfällen bei niedrigen diastolischen Blutdruckwerten dokumentierte.4 Auch die Gesamtmortalität nahm mit sinkenden diastolischen Werten immer weiter zu. In beiden Studien hatten die Patienten ein ähnliches Durchschnittsalter und wiesen eine hohe Prävalenz von Komorbiditäten auf; KHK und Bluthochdruck waren Voraussetzung für den Einschluss in 'INVEST'. So sind die Ergebnisse nicht unbedingt auf normotensive Niedrigrisiko-Populationen anwendbar, doch die 'INVEST'-Autoren resümieren: "Eine übermäßige Senkung des diastolischen Drucks sollte bei Patienten mit KHK, die wegen Bluthochdruck behandelt werden, vermieden werden."4
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