Man findet sie in Kunststoffen, Kosmetikprodukten, Möbeln und vielen anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs: Endokrin aktive Substanzen (EAS) oder endokrine Disruptoren (ED) entfalten selbst in extrem geringen Mengen bereits hormonartige Wirkung. Die bekannteste Substanz ist Bisphenol A (BPA). Diese darf seit einigen Jahren nicht mehr bei der Herstellung von Babyflaschen verwendet werden. Damit ist BPA jedoch noch lange nicht vom Markt: Trotz bekannter Risiken wird es weiterhin in zahlreichen anderen Produkten verwendet. Endokrinologische Fachgesellschaften rufen nun zum Handeln auf.
WHO, internationale endokrinologische Fachgesellschaften und viele WissenschaftlerInnen weltweit sind sich darüber einig, dass ED Störungen des Hormonsystems hervorrufen und damit einen schädlichen Effekt auf die Gesundheit von Lebewesen haben. Die Lage ist alarmierend. Von den mehr als 22.000 in der EU vermarkteten Chemikalien werden bereits über 1.000 als ED eingeschätzt. Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisberges, da sehr viele im Verdacht stehende Substanzen noch nicht eingehend geprüft wurden und auch vor der Zulassung neuer Substanzen keine ausreichende Prüfung auf Schädlichkeit erfolgt. Einige der bereits als schädlich klassifizierten Substanzen dürfen nicht mehr verwendet werden – andere sind weiterhin im Umlauf. Sie sind teilweise sehr langlebig und gelangen über die Umwelt (Hautkontakt, Einatmen) oder Nahrungsaufnahme in den Körper, wo sie sich zum Beispiel im Fettgewebe ablagern. Auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und andere Medizinprodukte können ED beinhalten und freigeben.
Schädliche Wirkungen
Zu den mit der Aufnahme von ED assoziierten Störungen gehören zum Beispiel die Entstehung von Adipositas und Diabetes Mellitus, aber auch hormonsensitive Krebserkrankungen und neuronale Entwicklungsstörungen. Während die Ursache-Wirkung-Kausalität beim Menschen teilweise noch nicht ausreichend belegt ist, gibt es zahlreiche Nachweise in Tierpopulationen, die die schadhafte Wirkung von ED belegen. Ausreichende Belege beim Menschen gibt es jedoch bereits in Bezug auf geringere Testosteronspiegel beim Mann, abweichende Formen der Eierstöcke und ungewöhnlich kleine Penisse oder mangelhaft entwickelte Hoden. Außerdem gelten ED als mögliche Ursachen für Endometriose. Besonders gefährdet, solche Störungen zu entwickeln, sind Kinder. Hier besteht nach wissenschaftlicher Meinung ein erheblicher Forschungsbedarf.
Die Fachgesellschaften fordern daher ein Verbot von Substanzen, für die die Wirkung als ED bekannt ist. Ersatzsubstanzen müssen sorgfältig auf ihre mögliche ED-Wirkung hin überprüft werden, bevor sie in Umlauf geraten. Dies ist in der Vergangenheit teilweise versäumt worden. Ebenso sollten nationale Behörden und die EU-Kommission dafür sorgen, dass eine einheitliche Definiton von ED erfolgt, welche für die Zulassungsprozesse EU-weit Anwendung findet. Das Problem ist schon lange bekannt: Bereits seit 1999 gibt es eine EU-Strategie, die jedoch bis heute nicht konsequent verfolgt wurde.
Quelle: Gemeinsame Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), 18.06.2019, Berlin