Um die immergrüne Pflanze ohne irdische Wurzeln ranken sich seit jeher Legenden und Mythen. Zum Schutz vor dem Bösen, als Symbol für Fruchtbarkeit oder die ewige Liebe – gerade zur Weihnachtszeit haben die grünen Zweige mit den weißen Früchten Hochsaison. Auch eine heilende Wirkung wird der Mistel nachgesagt: Sogar gegen Krebs sollen Arzneien aus der Mistel helfen. Laut Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums lässt die aktuelle Studienlage aber keine eindeutige Aussage zur Wirksamkeit von Mistelpräparaten zu.
Neu ist der Ansatz nicht: Schon seit hundert Jahren wird der Mistel eine Wirksamkeit gegen Krebs nachgesagt. Gegen den Tumor sollen vor allem komplexe Eiweißstoffe, die Lektine, aktiv sein. Fachleute sehen die Anwendung von Mistelpräparaten in der Krebsbehandlung jedoch eher kritisch. Ihre Argumente: Bis heute gibt es keinen zweifelsfreien Beweis für die Wirksamkeit gegen Tumorerkrankungen.
Außerdem weist die Durchführung der vorliegenden klinischen Studien qualitative Mängel auf – es lässt sich nicht immer nachvollziehen, wie die Ergebnisse im Einzelnen zustande gekommen sind. Zur Bewerbung der Misteltherapie werden manchmal auch Forschungsergebnisse herangezogen, die nicht, wie üblich, in Fachzeitschriften nach einer Überprüfung durch Experten ('peer review') veröffentlicht wurden.
Auch zur vermeintlich verbesserten Lebensqualität unter Misteltherapie sind wissenschaftlich fundierte Belege noch Mangelware. Aufgrund der schlechten Datenlage spielt die Mistelbehandlung in den derzeit gültigen Leitlinien zur Krebstherapie keine Rolle. Diese geben Empfehlungen für die jeweils bestmögliche Therapie – auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz.
Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes am Deutschen Krebsforschungszentrum, stellte hierzu klar: "Alle, auch anthroposophische ÄrztInnen und die HerstellerInnen von Mistelpräparaten in Deutschland, sind sich einig – die Misteltherapie stellt keine Alternative zu geprüften Standardverfahren, wie zum Beispiel einer Chemotherapie dar. Sie kann allenfalls als eine begleitende und unterstützende Behandlung eingesetzt werden."
Mistelpräparate werden gespritzt – in der Regel in oder direkt unter die Haut. Die meisten Menschen vertragen die Behandlung gut. Die wahrscheinlichsten Nebenwirkungen sind Schmerzen und Entzündungen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und grippeähnliche Beschwerden.
Ein Problem stellen aber die möglichen Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten und allergische Reaktionen dar. Bei einigen Krebserkrankungen scheint zudem besondere Vorsicht geboten zu sein. Zum Beispiel raten ExpertInnen PatientInnen mit Leukämien, Lymphomen, einem Nierenzellkarzinom oder malignem Melanom explizit von der Misteltherapie ab. Es gibt Hinweise aus klinischen Studien, dass sich diese Krebserkrankungen unter einer Misteltherapie verschlechtern könnten.
Auch für PatientInnen mit Hirntumoren und -metastasen ist die Misteltherapie keine Option. Denn es kann dabei zu Flüssigkeitseinlagerung rund um das Tumorgewebe kommen, wodurch bei diesen PatientInnen das Risiko für ein Hirnödem steigt.