Darmkrebs ist tückisch, denn er entwickelt sich schleichend und oft unbemerkt. Wird der Tumor spät erkannt, sinken die Heilungschancen. Wissenschaftler der Universität Stuttgart und des Dr. Margarete Fischer-Bosch-Instituts für Klinische Pharmakologie entwickeln derzeit eine neue Behandlungsstrategie, um auch fortgeschrittene Darmkrebserkrankungen besser heilen zu können. Ihr Ansatz: Sogenannte monoklonale Antikörper unterstützen das Immunsystem und hemmen so krebsfördernde Signale. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das interdisziplinäre Forschungsprojekt mit rund 382.000 Euro.
Das Immunsysten bekämpft nicht nur Krankheitserreger. Es ist auch in der Lage, kranke Körperzellen wie etwa bösartige Krebszellen zu erkennen. In manchen Fällen bedarf es aber der zusätzlichen Hilfe aus dem Labor – hier kommen Immuntherapien ins Spiel. Eine Form der Immuntherapie ist die Behandlung mit künstlich hergestellten Eiweißmolekülen, den monoklonalen Antikörpern. Ihr Wirkprinzip: Die therapeutischen Antikörper können Krebszellen anhand ihrer individuellen Oberflächenmerkmale erkennen und heften sich an sie. Angelockte Immunzellen sollen dann die markierten Krebszellen zerstören.
Doch die Antikörper können noch mehr: haben sie sich erstmal an die Krebszelle angeheftet, stoppen sie deren weiteres Wachstum. Möglich wird das durch ein Molekül mit dem wissenschaftlichen Namen ErbB1/HER1, das auf der Oberfläche der Krebszellen sitzt. Dort dient es als eine Art Antenne, die Wachstumssignale aus der Umgebung oder von anderen Zellen empfängt und an die Schaltzentrale im Inneren der Zelle weiterleitet. Durch die Antikörper wird der Empfang gestört – die Krebszelle erhält keine Signale mehr und stellt ihr Wachstum ein.
Fast die Hälfte aller Darmkrebspatienten spricht jedoch auf die Antikörpertherapie nicht an. Doch auch bei Betroffenen, die anfänglich noch auf die Behandlung ansprechen, verlieren die Antikörper im Laufe der Zeit fast ausnahmslos ihre Durchschlagskraft. Grund für diese Resistenzen ist ein weiteres Oberflächenmolekül namens ErbB3/HER3. Dieses steuert ebenfalls Prozesse wie Zellwachstum und Überleben und tritt unter anderem auf den Plan, wenn ErbB1/HER1 ausfällt.
Professorin Dr. Monilola Olayioye und Professor Dr. Roland Kontermann vom Institut für Zellbiologie und Immunologie der Universität Stuttgart haben sich zum Ziel gesetzt, der Antikörpertherapie zu neuer Durchschlagskraft zu verhelfen. "Wir wollen einen doppelt wirksamen Antikörper herstellen, der sowohl ErbB1/HER1 als auch ErbB3/HER3 hemmt. Mit dem Ausschalten beider Moleküle würden wir eine neue wirksame therapeutische Strategie vor allem für Patienten schaffen, bei denen die bisher gängige Therapie nicht wirkt", erklärt Olayioye. Die Studie ist Teil eines interdisziplinären Kooperationsprojekts mit Experten aus den Fachbereichen Molekulare Tumorzellbiologie und Biomedical Engineering der Universität Stuttgart sowie dem Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie unter der Leitung von Professor Dr. Matthias Schwab.
"Innovative therapeutische Strategien wie diese können die Krebsmedizin weiter nach vorne bringen. Die Deutsche Krebshilfe sieht es als eine ihrer Aufgaben an, solche Forschungsvorhaben zu fördern", betont Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.