Diagnose des Morbus Pompe und der Mukopolysaccharidose Typ I mittels Trockenblut

Die beiden Speicherkrankheiten Morbus Pompe und der Mukopolysaccharidose Typ 1 verlaufen progredient. Vor dem Hintergrund, dass kausale Therapien mittels Enzymersatz zur Verfügung stehen, ist eine möglichst frühe Diagnose wichtig.

Seltene lysosomale Speicherkrankheiten möglichst früh und rational diagnostizieren

Die beiden Speicherkrankheiten Morbus Pompe und Mukopolysaccharidose Typ 1 verlaufen progredient. Vor dem Hintergrund, dass kausale Therapien mittels Enzymersatz zur Verfügung stehen, ist eine möglichst frühe Diagnose wichtig.

Prof. Dr. Andreas Hahn, Oberarzt der Kinderneurologie am Universitätsklinikum Gießen und Dr. Anja Köhn vom Internationalen Centrum für lysosomale Speicherkrankheiten in Hamburg-Eppendorf zeigten das für Morbus Pompe und Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) im Rahmen eines Symposiums auf der 43. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) in Bad Nauheim.

Die Inzidenz von Morbus Pompe, der zu den metabolischen Myopathien zählt, ist mit 1:40.000-1:200.000 relativ hoch. Ursache ist ein autosomal rezessiv vererbter genetischer Defekt, der zu einem völligen Fehlen oder einem Mangel des lysosomalen Enzyms saure a-Glukosidase (GAA) führt, weshalb sich Glykogen vor allem in den Lysosomen von Muskelzellen sammelt. Die durch die Glykogenspeicherung verursachten Zellschäden führen zu einer fortschreitenden Schädigung und einem zunehmenden Funktionsverlust der betroffenen Muskulatur. 

Der Schweregrad und damit die Lebenserwartung variieren stark und sind abhängig von der GAA-Restaktivität und vom Alter der Patienten bei erstmaligem Auftreten der Symptome. Man unterscheidet die infantile von der juvenilen/adulten Verlaufsform. Bei der infantilen Verlaufsform besteht keine oder eine nur sehr geringe GAA-Aktivität, klinisch zeigt sich bereits im frühen Säuglingsalter eine rumpfbetonte muskuläre Hypotonie, eine hyperthrophe Kardiomyopathie und eine zunehmende respiratorische Insuffizienz. Unbehandelt sterben 75 Prozent der Säuglinge und Kleinkinder meist aufgrund eines kardiorespiratorischen Versagens innerhalb des ersten Lebensjahres.2,3,4

Bei der juvenilen/adulten Form (late-onset M. Pompe) sind GAA-Restaktivitäten bis zu 30 Prozent nachweisbar.5 Die juvenile Form verläuft meist langsamer progressiv. Mögliche Symptome bei juvenilem M. Pompe sind: 

Auch chronische Durchfälle, so Hahn, gehören zu den Symptomen. "Manchmal kann bei einem jungen Patienten mit M. Pompe zunächst auch nur eine anhaltende CK-Erhöhung auffällig sein", so Hahn.

Eine frühe Diagnose und ein zeitiger Therapiebeginn vor dem Auftreten irreversibler Schäden sind für den Behandlungserfolg von großer Bedeutung. Bei M. Pompe erfolgt die Diagnosestellung bei Säuglingen im Median etwa im Alter von drei Monaten, bei älteren Kindern und Erwachsenen vergehen aufgrund der oft unspezifischen und langsamer progredienten Symptomatik oft Jahre bis die Diagnose M. Pompe gestellt wird.6 "Eine möglichst frühe Diagnose ist vor allem deshalb wichtig, weil wir Morbus Pompe kausal behandeln können, und zwar mit einer Enzym-Ersatztherapie", betonte Hahn. 

Die Diagnose kann einfach mithilfe eines Trockenbluttests gestellt werden. Dabei wird die Aktivität der sauren a-Glukosidase im Blut gemessen. Ist der Befund auffällig, kann über eine molekulargenetische Untersuchung die Diagnose bestätigt werden. Genzyme GmbH, Deutschland, Teil von Sanofi, unterstützt die Diagnostik-Initiative für lysosomale Speicherkrankheiten der Archimed Life Science GmbH. Daher kann Archimed Ärzten die Trockenbluttestung kostenfrei anbieten. Unterlagen sind unter der Service-Hotline 0800 / 11 15 200 erhältlich.

Mukopolysaccharidose Typ I – unterschiedliche Verlaufsformen und breites Symptomspektrum

Deutlich seltener als Morbus Pompe tritt die Mukopolysaccharidose Typ I (MPS-Typ I) auf. Die Inzidenz liegt bei 1:145.000.

Die MPS-Typ I wird autosomal-rezessiv vererbt, ihr liegt ein Defekt des Enzyms α-L-Iduronidase zugrunde. Man unterscheidet die schwere Verlaufsform (Morbus Hurler) von den langsamer progressiven, attenuierten Verlaufsformen (Morbus Hurler-Scheie/M. Scheie). Die Krankheit führt zur Anreicherung von Glukosaminoglykanen (Dermatan (DS)- und Heparansulfat (HS)) v. a. in Mesenchym- und Ganglienzellen. Hierdurch wird insbesondere die Funktion des Bindegewebes und des Bewegungsapparats zunehmend gestört, aber auch Atemwege, Herz, Augen, Leber, Milz und Nervensystem können betroffen sein.

Der Morbus Hurler beginnt meist im frühen Kindesalter, die Kinder zeigen auffällige vergröberte Gesichtszüge. Typisch ist ein großer Kopf mit kurzem Hals, teigig verdickter Haut, vergröberten Gesichtszügen, wulstigen Lippen, große Zunge, struppigem Haar. Im Gegensatz zu den attenuierten Formen zeigen die Kinder eine rasch zunehmende kognitive Beeinträchtigung bis hin zur Demenz. Die Multiorganerkrankung schreitet rasch voran und die Patienten erreichen unbehandelt kaum die Pubertät.

Bei den milderen Verläufen der MPS I treten charakteristische Symptome deutlich später und zunächst auch nicht in vollem Umfang auf, sodass es hier oft sehr lange bis zur korrekten Diagnose dauert. Auffallend können rezidivierende Infekte, rezidivierende Leisten- und Nabelbrüche, und beidseitiges Karpaltunnelsyndrom im frühen Kindesalter sein. Bei den attenuierten Verlaufsformen wie dem Morbus Scheie stehen besonders die muskuloskelettalen Symptome im Vordergrund, Einschränkungen im Bewegungsapparat, verminderte Gelenkbeweglichkeit, Gelenksteifigkeit und -kontrakturen. "Auffällig ist z. B. eine sehr eingeschränkte Schulterbeweglichkeit – gerade bei milden Verlaufsformen", so Köhn.

Mit Fortschreiten der Erkrankung kann es u.a. zur Augenbeteiligung mit Hornhauttrübung, Herzbeteiligung durch Verdickung besonders von Mitral- und Aortenklappe sowie Rückenmarkskompression durch Verdickung der Ligamente und Meningen kommen. Eine frühe Diagnostik ist sehr wichtig, sie kann ebenfalls aus einer Trockenblutprobe erfolgen. Moderne Tests erlauben hier die gleichzeitige Abklärung verschiedener MPS-Formen, die sich klinisch – insbesondere zu Beginn – oft nicht unterscheiden lassen. Meist werden dabei die behandelbaren Formen MPS-I, -II, -IVa und VI erfasst. Auch hier erfolgt eine genetische Bestätigung. Die früher übliche Diagnostik mit Nachweis von Glucosaminoglykanen im Urin oder der Nachweis der Enzymaktivität z. B. in Fibroblastenkulturen hat heute zur Diagnosestellung nur noch einen geringen Stellenwert.

Mukopolysaccharidose Typ I – frühe Diagnose, Chance auf Therapie

MPS-I-Hurler-Patienten können bei rechtzeitiger Durchführung (bis zum Alter von 2,5 Jahren) von einer Stammzell- oder Knochenmarktransplantation profitieren.7 Sie ist derzeit die einzige Therapie, die die kognitive Entwicklung der Patienten positiv beeinflussen kann. Bei MPS I ist die Enzymersatztherapie (EET)8 mit Laronidase (Aldurazyme) als Dauertherapie v. a. für Hurler-Scheie- sowie Scheie-Patienten von großer Bedeutung, bei der Hurler-Verlaufsform zudem bis zum Abschluss der Stammzelltransplantation. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, umso größer ist die Chance, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und spätere Schäden zu vermeiden.

Referenzen:
1. Seltene lysosomale Speicherkrankheiten: Spuren erkennen – rationale Diagnostik. 
Symposium von Sanofi-Genzyme im Rahmen der 43. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP), 27. April 2017, Conparc Hotel & Conference Centre, Bad Nauheim. 
2. Hahn A et al. Monatsschr Kinderheilkd 2012; 160:1243-1250.
3. Schoser B et al., Neuromuscular Disorders 2015, 25:674–678.
4. Van den Hout HM et al. Pediatrics 2003;112:332-340.
5. Van der Ploeg AT, Reuser AJJ. Lancet 2008;372:1442-1353.
6. Winkel LP et al. J Neurol 2005; 252:875-884.
7. de Ru MH et al. Enzyme replacement therapy and/or hematopoietic stem cell transplantation at diagnosis in patients with mucopolysaccharidosis type I: results of a European consensus procedure Orphanet J Rare Dis (2011) 6:55
8. Al-Sannaa N. et al. Orphanet J Rare Dis. 2015. 
Lehmann TJA. et al. Rheumatology 2011;50:v41-v48. 
Bruni S. et al. Molecular Genetics and Metabolism Reports 8 (2016) 67–73. 
Fachinformation Aldurazyme® 100 E/ml, Stand Dezember 2015.