Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) ist ein medizinisches Rätsel: Es betrifft ca. 3,5 % der Bevölkerung – zu 90 % ältere Frauen -, verursacht chronische, breit gestreute Schmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Schwellungen, Reizbarkeit, Bewegungseinschränkungen, Verdauungsprobleme und eine ganze Reihe weiterer Befindlichkeitsstörungen.
Aber klinisch oder in der Bildgebung ist von all diesen Symptomen nichts zu sehen. Kein Wunder, dass man das FMS früher in die Ecken Hypochondrie oder Hysterie, später in die Abteilung Psychosomatik abgelegt hatte. Heute weiß man immerhin, dass es sich dabei um eine Störung der zentralen Schmerzverarbeitung handelt, der sowohl physische als auch psychische Ursachen zugrunde liegen.
Der Patiententag der Rheuma-Liga-Selbsthilfe, der anlässlich des DGRh-Kongresses in Bad Nauheim stattfand, wählte das bisher eher vernachlässigte rheumatische Krankheitsbild des Fibromyalgiesyndroms zum Schwerpunktthema.
Prof. Dr. Christoph Baerwald aus dem Universitätsklinikum Leipzig berichtete von neueren Methoden, den Ursachen der Schmerzstörungen auf die Spur zu kommen. So ist der Spiegel der Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einer der wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter des Zentralnervensystems, bei FMS-Patienten signifikant erniedrigt. Bei Druckschmerzmessungen zeigen sie eine wesentlich höhere Schmerzaktivität im Gehirn als gesunde Probanden. Auch bei einem heroischen Experiment, bei dem kranken und gesunden Personen eine saure Lösung unter die Haut gespritzt wurde, konnte man im MRT deutliche Unterschiede feststellen. Dennoch, so Baerwald, eigne sich das Neuroimaging derzeit noch nicht für eine Diagnosestellung.
Wie lässt sich das Fibromyalgiesyndrom therapieren?
Prof. Dr. Gernot Keyßer vom Universitätsklinikum Halle (Saale) fasste es in einem Satz zusammen: „Nehmen Sie möglichst wenig Medikamente!“ Damit steht er im Einklang mit der EULAR, die neben Psychotherapie und multimodalen Reha-Programmen nur bei massiven Schlafstörungen Arzneimittel empfiehlt. Wenn Medikamente nicht zu umgehen sind, müssen sie in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebunden, laufend kontrolliert und so bald wie möglich wieder abgesetzt werden.
Duloxetine und Pregabalin besitzen keine europäische Zulassung, werden in Deutschland aber oft eingesetzt; Tramadol und Cyclobenzaprin wirken schlaffördernd. Über die Effekte dieser Mittel sollte man sich keine Illusionen machen: Nur bei der Hälfte der Patienten wird eine Schmerzlinderung von 30 % erreicht. Dazu verursachen sie höchst unangenehme Nebenwirkungen.
Nicht-steroidale Antirheumatika, Steroide und starke Opiate (auch Schmerzpflaster) können zu Stürzen und Abhängigkeiten führen. Für Virostatika, Interferon, Beruhigungsmittel, Psychopharmaka, Hormone und Arzneien gegen Übelkeit konnte man bei FMS-Patienten in Studien keinerlei Schmerzreduktion feststellen. Ganz besonders warnte der Rheumatologe vor lokalen Injektionen mit Lidocain, extrakorporalen Stoßwellenbehandlungen oder gar der chirurgischen Entfernung von Triggerpunkten. Keyßers Empfehlung: „Schaffen Sie sich einen Hund an“. In einer Untersuchung reduzierte ein süßer, kleiner „Wartezimmerhund“ die Schmerzen der wartenden Patienten immerhin um 34 %.
Die wirksamste Behandlung gegen das FMS sind unbestritten physikalische Therapien. „Patienten lieben passive Maßnahmen wie Wärmebehandlungen, Thermalbäder, Massagen oder Osteopathie“, berichtete Prof. Dr. Monika Reuß-Borst, Rheumatologin aus Bad Kissingen. Doch wesentlich effektiver sind aktive Maßnahmen wie aerobes Ausdauertraining – Walken, Radfahren, Schwimmen, Tanzen, Tai Chi, QuiGong oder geringes bis moderates medizinisches Krafttraining. Schrittzähler könnten notorisch bewegungsfaule FMS-Patienten motivieren, trotz Schmerzen, Unlust oder schlechtem Wetter nach draußen zu gehen. Körperliche Aktivität müsse ja nicht gleich in Sport ausarten, schmunzelte die Referentin.
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