Bislang sind günstige Potenzmittel Amerikanern vor allem aus dem Spam-Ordner bekannt, nun kommen sie ganz offiziell auf den Markt: Viagra wird in den USA als Generikum zugelassen. Das lässt die Preise purzeln und zwingt den Original-Hersteller Pfizer zum Umdenken.
Vor fast zwei Jahrzehnten wurde das Potenzmittel Viagra zugelassen, es sollte das Sexleben erektionsschwacher Männer revolutionieren. Die kleine blaue Pille wurde zum Vorreiter sogenannter Lifestyle-Medikamente zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Für den US-Pharmakonzern Pfizer waren Entdeckung und Patentierung des Produkts ein Volltreffer. Viagra wurde rasch zum Verkaufsschlager, der dem Unternehmen zuverlässig die Kassen füllt.
Doch jetzt ist der Hersteller sein patentrechtlich geschütztes Privileg los - auch auf dem wichtigen US-Markt darf die Konkurrenz ab sofort günstigere Nachahmer-Produkte anbieten. Was Pfizer schmerzt, freut Patienten: mehr Wettbewerb und niedrigere Preise. Bislang kostet Viagra teure rund 65 Dollar pro Pille, weshalb viele Fälscher im Internet mit vermeintlich lukrativen Angeboten locken. Generika sorgen nun ganz ohne dubiose Online-Händler für einen Preissturz.
Am Montag erfolgte etwa der Startschuss für das Billig-Viagra der israelischen Ratiopharm-Mutter Teva. Das Produkt bringe "den rund 18 Millionen Männern mit Erektionsstörungen in den USA eine erschwingliche generische Behandlungsoption", versprach Brendan O'Grady, der Nordamerika-Vizechef des Generikaherstellers. Durch den Vorstoß wird der laut Analysehaus IMS Data etwa 1,4 Milliarden Dollar Jahresumsatz schwere US-Markt für Viagra kräftig aufgemischt.
Der Grund dafür, dass Teva jetzt mit dem Generikum in den USA angreifen darf, liegt schon einige Jahre zurück. Eigentlich sollte Pfizers Patentschutz für Viagra erst im April 2020 ablaufen. Der US-Konzern schloss aber Ende 2013 einen Vergleich mit Teva, der vorsieht, dass der Wettbewerber seine Billigversion der Potenzpille über zwei Jahre früher auf den Markt bringen darf. 2015 einigte sich Pfizer auch mit dem Konkurrenten Mylan auf einen solchen Deal.
Zu den Details dieser Vereinbarungen wollen sich die Konzerne nicht äußern. Bekannt ist lediglich, dass bis zum Ende des ursprünglichen Patentschutzes Lizenzgebühren an Pfizer fällig werden. Für die Amerikaner ist der Verlust der Exklusivität dennoch schmerzlich. Die nahende Zulassung für Nachahmerpräparate hinterließ bereits Spuren in der Bilanz. Im dritten Quartal sank der Viagra-Absatz im Jahresvergleich um 20 Prozent auf 308 Millionen Dollar, da der Großhandel in Erwartung neuer Billigprodukte weniger bestellte.
Doch nach dem Wegfall des Patentschutzes will Pfizer aus der Not eine Tugend machen. Man werde Viagra weiterhin als Markenartikel anbieten, über die Tochter Greenstone jedoch selbst eine generische Variante herausbringen, sagte ein Sprecher des Pharmariesen in New York. Pfizer erkenne damit an, "dass Generika eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen und die geeignete Option für viele Patienten sind". Die hausgemachte Kopie ist anders als die blaue Originalpille weiß und soll etwa die Hälfte kosten.
Für Pfizer ist die neue Viagra-Welt in den USA eine unbequeme Herausforderung, doch diese Situation kennt der Pharmakonzern schon. In mehreren anderen Ländern ist der Viagra-Patentschutz bereits zuvor abgelaufen, in Deutschland etwa war dies Mitte 2013 der Fall. Außerhalb der USA setzt Pfizer deshalb schon länger auf Alternativen. In Großbritannien wurde vergangenen Monat sogar erstmals weltweit eine nicht verschreibungspflichtige Variante genehmigt, die rezeptfrei verkauft werden darf.
Unter dem Strich war die Entdeckung von Viagra für Pfizer ohnehin so etwas wie der größte anzunehmende Glücksgriff. Dass der Wirkstoff Sildenafil als Potenzmittel taugt, stellte man per Zufall fest - eigentlich sollte eine Arznei gegen Bluthochdruck entstehen. Seitdem die blaue Pille herauskam, hat sie ihrem Hersteller alleine in den USA mehr als 17 Milliarden Dollar an Erlösen in die Kasse gespült.
Dabei ist der Markt schon länger umkämpft. Zwar war Viagra zuerst da, doch seit Jahren versprechen auch andere Anbieter potenzschwachen Männern in den USA Abhilfe. 2003 brachten Eli Lilly und Bayer mit Cialis und Levitra Stimulanzmittel raus, die sich rasch verbreiteten. Zusammen mit Viagra schaffen sie weltweit einen Jahresumsatz von über vier Milliarden Dollar. Durch Generika wird der Markt künftig weiter anschwellen - was die Preise immer stärker sinken lassen könnte.