Forscher beschreiben erstmals ein Verfahren, wie menschliche Stammzellen, die aus Hautzellen gewonnen werden, gegen Hirntumore eingesetzt werden können. Daraus ergeben sich völlig neue Behandlungsmethoden.
In einer Serie von Durchbrüchen innerhalb eines Jahres haben Forscher der University of North Carolina (UNC) in Chape Hill einen weiteren Schritt in Richtung einer effektiven Behandlung von Glioblastomen gemacht. Glioblastome sind eine häufige und besonders aggressive Art von Hirntumoren. Die Studie, die im Februar 2017 im Science Translational Medicine Magazin veröffentlich wurde, beschreibt, wie menschliche Stammzellen gezielt Zellen von Glioblastomen jagen und töten können.
Das Team um Shawn Hingtgen, Professor an der Eshelman School of Pharmacy und Mitglied des Lineberger Comprehensive Care Center, testete die neue Methode zunächst erfolgreich mit Mäusezellen. Dabei wurden Hautzellen von Mäusen in Stammzellen “umgewandelt“, die dann menschliche Krebszellen erkennen und töten konnten. Das erhöhte die Überlebensrate um 160 bis 220 Prozent, abhängig von der Art des Tumors. Das gelingt nun auch mit menschlichen Stammzellen. Die Methode wirkt außerdem schnell genug, um Patienten mit einer Lebenserwartung von weniger als 18 Monaten helfen zu können.
“Geschwindigkeit ist alles.“, so Hingtgen. “Bisher dauerte es bis zu zwei Wochen, um menschliche Hautzellen in verwendbare Stammzellen zu verwandeln. Patienten mit einem aggressiven Tumor können jedoch nicht Wochen oder Monate warten. Mit dem neuen Verfahren können diese Stammzellen einfach und schnell genug entstehen, um die Patenten zu behandeln.“
Die gängigen Therapieformen gegen Glioblastome - operative Entfernung des Tumors, Bestrahlung und Chemotherapie - sind seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr verändert worden. Und bei fast jedem behandelten Patienten kehrt der Tumor wieder. Weder Medikamente noch Ärzte können alle Tumorzellen erreichen, was eine vollständige Entfernung unmöglich mache, so Ryan Miller, Co-Autor der Studie und Neuropathologe an den Krankenhäusern des UNC und Professor bei der UNC School of Medicine.
Die neue Methode zur Stammzellengewinnung heißt “skin flipping“ und wurde 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Dazu werden Fibroblasten des Patienten gezüchtet und so umprogrammiert, dass sie zu neuralen Stammzellen werden, die dann Krebszellen im Gehirn erkennen können. Jedoch haben Stammzellen allein lediglich die Fähigkeit, Krebszellen ausfindig zu machen, können sie aber nicht töten. Das Team musste also Zellen schaffen, die Wirkstoffe mit sich tragen können, um diese auf die Krebszellen zu übertragen. Dazu nutzte Hingtgen ein Protein, das ein vorher verabreichtes Medikament (“Prodrug“) aktiviert. Das hat den Vorteil, dass der Wirkstoff nur um die Stammzellen selbst zum Einsatz kommt und nicht im ganzen Körper. So können unerwünschte Nebenwirkungen vermieden werden.
“In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir hierzu weitere klinische Studien durchführen.“, sagt Hingtgen. “Wir haben bereits einen riesigen Schritt vorwärts gemacht und sind zuversichtlich, in Zukunft Glioblastome mit menschlichen Stammzellen bekämpfen zu können.“