Die globale Erwärmung hat für viele Patienten konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit. Allergiker sind ganzjährig von Pollen geplagt, vor allem Senioren leiden unter Hitzewellen. Wird nichts unternommen, könnte das Gesundheitssystem kollabieren, warnt Martina Wenker.
Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker hat ein umfassendes Konzept gefordert, um die negativen Auswirkungen von Klimawandel und Umweltverschmutzung auf die Gesundheit einzudämmen. So lasse sich die Luftverschmutzung nicht allein mit Dieselfahrverboten in den Städten lösen, sagte die Lungenfachärztin der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.
"Das ist eine Stellschraube, an der man gerade herumdreht, aber kein Konzept", meinte Wenker. Wenn alte Diesel verbannt würden, seien möglicherweise mehr Benziner unterwegs, die Feinstaub ausstoßen. "Feinstaub-Partikel dringen tief in die Lunge ein und sind häufig zusätzlich mit krebserregenden Substanzen behaftet." Die Lungenfachärztin plädiert für mehr Elektromobilität aus erneuerbaren Energien.
"Wir müssen Strategien entwickeln, wie wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen", sagte Wenker. So sei es wichtig, eine aufsuchende Hilfe für alte, kranke Menschen in Zeiten extremer Hitze wie im Sommer 2018 zu organisieren. Auch bei Sturm oder Glatteis könnten Senioren ihre Wohnungen nicht verlassen. "Hausärzte sind nicht in der Lage, bei jedem Patienten jeden Tag einen Hausbesuch zu machen", gab die Ärztekammerchefin zu bedenken. Dies würde das Gesundheitssystem zum Kollabieren bringen.
Als Oberärztin in der Helios Lungenklinik Hildesheim sieht Wenker beinahe täglich Patienten, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. "Es gibt gar keine Zeit mehr, in der Asthmatiker und Allergiker einmal durchatmen können", sagte sie. "Wir haben ganzjährig eine allergene Belastung, weil es keine langen Frostperioden mehr im Winter gibt und zum Beispiel Hasel oder Birken auch im Dezember blühen."
Hinzu kommen neue Allergene wie die Ambrosia. Die aus Nordamerika stammende Pflanze breitet sich in Deutschland immer weiter aus, bereits fünf bis zehn Pollen pro Quadratmeter können heftige allergische Reaktionen auslösen.
Auch Ralph von Kiedrowski, Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), sieht dringenden Handlungsbedarf. "Die Zahl der Hautkrebsfälle steigt kontinuierlich", sagte der Hautarzt. Hintergrund sei auch, dass die Menschen ihre Freizeit draußen verbringen und immer älter werden. UV-Licht sei krebsauslösend. Daher müsse die Prävention schon im Kindergarten anfangen.
"Gerade der letzte Sommer sollte dafür sorgen, dass wir alle umdenken", betonte auch Lungenfachärztin Wenker. Die Politik, die Industrie und jeder einzelne seien gefragt.