Im Stadium III eines Kolonkarzinoms nach R0-Resektion des Primärtumors ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert, wobei Allgemeinzustand, Komorbiditäten und Alter des Patienten zu berücksichtigen sind. Im Stadium II kann anhand klinischer Risikofaktoren entschieden werden, wer eine adjuvante Chemotherapie erhält, so Univ.-Prof. Dr. Josef Thaler, Leiter der Abteilung für Innere IV, Klinikum Wels-Grieskirchen, Österreich, beim DGHO-Kongress 2017 in Stuttgart.
Eine adjuvante Chemotherapie im Stadium II eines Kolonkarzinoms führt zu einer Reduktion des Rezidivrisikos um absolut 3 bis 5 % und zu einem grenzwertig signifikanten Überlebensgewinn von absolut 1 bis 5 %. Für die Therapieentscheidung spielt das Vorliegen eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) eine wichtige Rolle. Darunter versteht man das Auftreten neuer Allele innerhalb kurzer, repetitiver DNA-Sequenzen (Mikrosatelliten) mit daraus folgenden Längenveränderungen, die aufgrund fehlender DNA-Reparaturproteine auftreten. Patienten mit MSI haben eine bessere Prognose, hier ist – außer bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren – keine adjuvante Chemotherapie angezeigt.
Liegt eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) vor, ist eine individualisierte Therapie in Abhängigkeit von den vorliegenden Risikofaktoren sinnvoll. Zu den diskutierten Risikofaktoren gehören beispielsweise Tumorperforation, intraoperativer Tumoreinriss, Operation unter Notfallbedingungen, weniger als 13 Lymphknoten untersucht, histologisch dokumentierte Lymphknoten- und Gefäßinvasion. Thaler empfiehlt eine Fluorouracil(5-FU)-basierte Chemotherapie oder FOLFOX (5-FU, Folinsäure, Oxaliplatin).
Im Stadium III führt die adjuvante Therapie zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivrate und zu einer signifikanten Verbesserung der Überlebensrate nach 5 Jahren. Die Adjuvant Colon Cancer Endpoints Group (ACCENT) analysierte Daten von 20.898 Patienten aus 18 Studien und kam zu dem Ergebnis, dass nach 8 Jahren Follow-up ohne adjuvante Chemotherapie 42,7 % mit Kolonkarzinom im Stadium III überlebten, mit adjuvanter Chemotherapie waren es 53,0 % (p < 0,0001). Der Haupteffekt war nach 2 Jahren zu sehen. Bemerkenswert war nach Aussage von Thaler, dass sich die Kurven in der ganzen Nachbeobachtungszeit nie kreuzten, was auf eine "anhaltende Kuration durch 5-FU" hinweist.
Eine weitere wichtige Studie ist – so Thaler – MOSAIC (Multicenter International Study of Oxaliplatin/5-FU-LV in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer), in der FOLFOX versus 5-FU/Folinsäure (FA) jeweils 12 Zyklen alle 2 Wochen gegeben verglichen wurden. Bei der ersten Auswertung nach 3 Jahren war das krankheitsfreie Überleben von Stadium-III-Patienten in der FOLFOX-Gruppe um absolut 6,6 % verbessert im Vergleich zur 5-FU/FA-Gruppe. Nach 6 Jahren ergab sich für die FOLFOX-Gruppe ein Überlebensvorteil von absolut 4,2 %. Dieser Effekt verstärkte sich im weiteren Verlauf der Studie, denn nach 10 Jahren betrug der Überlebensvorteil in der FOLFOX-Gruppe absolut 8,1 %. Besonders gut profitierte die N2-Subgruppe mit einem Überlebensvorteil von absolut 12,9 %.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Fluorpyrimidine wie 5-FU oder Capecitabin das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben signifikant verbessern. Die Zugabe von Oxaliplatin erhöht die Heilungsraten und verbessert das Überleben, wobei es bei Patienten im Stadium N2 besser als im Stadium N1 wirkt. Hauptproblem von Oxaliplatin ist jedoch die Neurotoxizität, an der mehr als 90 % der Patienten während der Therapie leiden und über die auch 48 Monate nach Therapie noch etwa 20 % der Patienten klagen.
Beim ASCO 2017 stellten nun Shi et al. die Ergebnisse der IDEA-Studie vor. In der prospektiven gepoolten Analyse von sechs klinischen Studien mit mehr als 12.800 Patienten wurde bei Patienten mit Kolorektalkarzinom im UICC-Stadium III auf Nichtunterlegenheit einer 3-monatigen adjuvanten Therapie mit FOLFOX oder CAPOX (Capecitabin plus Oxaliplatin) gegenüber dem Standard einer 6-monatigen Therapiedauer geprüft. Als primärer Endpunkt wurde die Nichtunterlegenheit angenommen, wenn die obere Grenze des 95%-Konfidenzintervalls (95%-KI) für die Hazard Ratio (HR) des krankheitsfreien Überlebens (DFS) unter 1,12 lag, also ein DFS-Unterschied von 2,7 % bestand, wobei ein Unterschied von 72 % vs. 69,3 % prognostiziert wurde. Thaler wies darauf hin, dass nur etwa 70 % der Patienten die geplante Oxaliplatin-Dosis erhalten haben, sodass tatsächlich eine Therapiedauer von 4,2 versus 2,7 Monate verglichen worden sei.
Klinisch bedeutsam war der Unterschied in der Neurotoxizität (Grad ≥ 2) für die 3-Monats-Therapie (12–14%) gegenüber dem 6-Monats-Arm (32–36%) (p < 0,001). In der primären Wirksamkeitsanalyse zeigte sich zwar ein nur geringer Unterschied in der 3-Jahres-DFS-Rate im Vergleich zu einer 6-monatigen Therapie (74,6 vs. 75,5%, HR 1,07, 95%-KI 1,00–1,15). Die obere Grenze des 95%-KI lag jedoch bei 1,15, sodass das primäre Studienziel verfehlt worden war.
In einer Subgruppenauswertung nach Risikogruppen konnte die Nichtunterlegenheit der 3-Monats-Therapie für die Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko (T1–3, N1) im Vergleich zur 6-Monats-Therapie belegt werden (HR 1,01, 95%-KI 0,90–1,12). Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko (T4 oder N2) war die 3-monatige Therapie unterlegen (HR 1,12, 95%-KI 1,03–1,23). Zusätzlich zeigte sich für Patienten, die CAPOX erhalten hatten, ein geringerer Unterschied (HR 0,85, 95%-KI 0,71-1,01) zwischen den beiden Armen als für Patienten, die mit FOLFOX behandelt worden waren (HR 1,10, 95%-KI 0,96-1,26).
Als Fazit aus den Ergebnissen ergibt sich nun, dass Patienten mit einem geringen Rezidivrisiko (T1–3, N1) für nur drei Monate adjuvant behandelt werden, bevorzugt mit CAPOX. Patienten mit hohem Rezidivrisiko sollten weiterhin über sechs Monate adjuvant therapiert werden. Dieses Vorgehen wird auch in den aktualisierten Onkopedia-Leitlinien vom August 2017 empfohlen.
Referenz:
Thaler J. Kolonkarzinom adjuvant. DGHO 2017, Stuttgart, V358.