Hormonskepsis bei der Verhütung: Richtige Beratung zählt!
Hormonellen Kontrazeptiva stehen manche Frauen heute skeptisch gegenüber – aus Angst vor gesundheitlichen Risiken. Auch mit zunehmendem Alter steigt die Anzahl kritischer Stimmen. Die gynäkologische Arztpraxis ist nach wie vor eine der ersten Anlaufstellen in Verhütungsfragen.
Hormonelle Kontrazeptiva wie die Pille, Minipille oder der Verhütungsring sind nach wie vor beliebt. Sie gehören zu den am häufigsten angewendeten Verhütungsmitteln und schützen zuverlässig vor einer unerwünschten Schwangerschaft. Doch heutzutage haben hormonelle Kontrazeptiva ihre jahrelange Beliebtheit bis zu einem gewissen Grad eingebüßt. Das gilt besonders für die Pille, deren Nutzung vor allem bei jungen Frauen gesunken ist. Doch in späteren Partnerschaften entscheiden sich viele wieder für die Verhütung mit Hormonen. Die erste Auswertung einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)1 ergab, dass
- Jugendliche beim ersten Geschlechtsverkehr vor allem mit Kondomen verhüten. 77 Prozent der 14- bis 17-Jährigen gaben dies an.
- die Nutzung der Pille bei jungen Frauen rückläufig ist. Nur noch 30 Prozent entscheiden sich für die Pille beim ersten Geschlechtsverkehr. Im Jahr 2014 waren es noch 45 Prozent.
- mit zunehmender sexueller Erfahrung mehr junge Menschen vom Kondom auf die Pille umsteigen.
- die Pille in Partnerschaften das häufigste Verhütungsmittel der Wahl ist.
Die Forschenden hatten im Jahr 2019 bundesweit 6.032 Interviews geführt. 3.556 davon mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren sowie deren Eltern und 2.476 davon mit jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren – 1.874 davon hatten einen Migrationshintergrund.
Pille: Insgesamt positive Beurteilung, aber auch „Hormonangst“
Eine mögliche Ursache für die sinkende Beliebtheit der Pille ist – so ein Ergebnis der Studie –, dass Mädchen die Gesundheitsverträglichkeit von Hormonen zur Verhütung schlechter beurteilen als bei der letzten Befragung fünf Jahre zuvor. „Die sinkende Nutzung steht im Zusammenhang mit einem Vertrauensverlust in die Verträglichkeit der Pille“, schreibt die BZgA.
Obwohl sexuell aktive Mädchen und junge Frauen zwischen 14 und 25 Jahren die Pille insgesamt eher positiv beurteilen, gebe es auch Hinweise auf eine kritischere Haltung hinsichtlich der Verträglichkeit.
Einige Zahlen und Fakten:2
- Etwa 4 von 10 (potenziellen) Nutzerinnen halten die Pille für gut oder sehr gut verträglich (39 %).
- Jede fünfte Nutzerin (19 %) glaubt aber, dass das Gegenteil der Fall ist und die Pille schlecht oder sogar sehr schlecht für die Gesundheit sei.
- Mit zunehmendem Alter der Befragten steigt der Anteil an kritischen Stimmen: Unter den 14- bis 17-Jährigen zweifeln 10 Prozent die Verträglichkeit der Pille an. Bei den 18- bis 20-Jährigen sind es dagegen 17 Prozent und bei Frauen zwischen 21 und 25 Jahren sind es 22 Prozent.
- Bei der Beurteilung der gesundheitlichen Verträglichkeit der Pille spielt auch die Bildung mit. Vor allem Mädchen und junge Frauen mit höherem Bildungsniveau üben Kritik an diesem Verhütungsmittel (25 %). Bei mittlerem und einfacherem Bildungsstatus sind es nur 13 % beziehungsweise 7 %.
Dennoch hat die Pille für viele der befragten Frauen einen entscheidenden Vorteil: Die 18- bis 25-jährigen Nutzerinnen attestieren ihr ein hohes Maß an Sicherheit vor einer ungewollten Schwangerschaft (80 %). Das ist ihren Angaben zufolge der entscheidende Vorteil der Pille, aber auch, dass sie leicht zu bekommen und einfach zu handhaben ist. Das größte Anwendungsproblem ist nach wie vor das Thema „Pille vergessen“.
In Verhütungsfragen: Ärztinnen und Ärzte sind wichtige Anlaufstellen
Auch wenn sich viele über die Eltern, Schule oder das Internet über Sexualthemen und das passende Verhütungsmittel informieren ist die Beratung, Aufklärung und Information durch Gynäkologinnen und Gynäkologen besonders wichtig.3 Für mehr als jedes zehnte 14- bis 17-jährige Mädchen seien Ärztinnen und Ärzte die wichtigsten Ansprechpersonen, so der BZgA-Report.3 Ihnen kommt damit eine besondere Rolle bei der Beratung zu.
Einige Fakten hierzu:2
- Im Schnitt besuchen junge Mädchen heute erst mit 15 Jahren erstmals eine gynäkologische Arztpraxis (2014: ca. 13 Jahre). Der Grund ist, dass sie erst später ins Sexualleben einsteigen.
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Verhütungsfragen sind für viele Mädchen und Frauen (41 %) der wichtigste Anlass für den Erstbesuch in der gynäkologischen Praxis, gefolgt von Problemen mit der Menstruation (40 %).
- Der Wunsch, sich Informationen zum Verhütungsthema einzuholen und/oder ein Verhütungsmittel verschreiben zu lassen, hat unter den sexuell erfahrenen Frauen einen höheren Stellenwert (50 % versus 11 % bei den Unerfahrenen).
- Unter den sexuell aktiven Mädchen und jungen Frauen geben 78 % an, sie hätten sich schon einmal ärztlichen Rat zum Thema Verhütung eingeholt.
- Aber auch unter den sexuell Inaktiven gibt etwa jede Fünfte (21 %) an, sie habe die Verhütung schon einmal bei einer Ärztin oder einem Arzt thematisiert.
Die meisten Mädchen und junge Frauen wollen also über sämtliche Verhütungsmethoden aufgeklärt werden, die jeweiligen Vor- und Nachteile erfahren und auch über ihre individuellen Risiken informiert werden. Ärztinnen und Ärzte können der Kritik an hormonellen Verhütungsmitteln mit Sachverstand begegnen und den potenziellen Anwenderinnen die Sorgen um gesundheitliche Beeinträchtigungen nehmen.
Hormonelle Verhütung – Vorteile
Hormonelle Kontrazeptiva besitzen viele Vorteile, allen voran ist es die Sicherheit. Bei richtiger und regelmäßiger Einnahme sind Frauen sicher vor einer unerwünschten Schwangerschaft geschützt. Dies ist auch für die Anwenderinnen das wichtigste Argument, um sich für die Verhütung mit Hormonen zu entscheiden. Bei einem Kinderwunsch lässt sich das hormonelle Kontrazeptivum zudem in der Regel problemlos wieder absetzen. Daneben gibt es noch einige andere Vorteile4,5 für die Frauen:
- Hormonelle Kontrazeptiva sind sofort wirksam – bei korrekter/empfohlener Einnahme ab dem ersten Tag der Anwendung.
- Die Regelblutungen fallen bei den meisten Frauen etwas kürzer und schwächer aus als ohne Einnahme der Pille, was als angenehm empfunden wird.
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Gute Verträglichkeit – die hormonellen Kontrazeptive sind inzwischen deutlich niedriger dosiert als früher und besitzen daher ein besseres Nebenwirkungsprofil.
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Menstruationsbeschwerden nehmen ab: Regelschmerzen und Bauchkrämpfe lassen sich mit hormonellen Kontrazeptiva meist lindern.
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Unreine Haut und Akne bessern sich in vielen Fällen durch den Einsatz hormoneller Verhütungsmittel. Einige Gestagenkomponenten (z. B. Dienogest) wirken sich durch ihre antiandrogene Wirkung positiv bei Akne aus. Das Hautbild bessert sich meist deutlich, was gerade für junge Frauen oft nicht unwesentlich ist.
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Hilfe beim Prämenstruellen Syndrom6,7 Das PMS kennen viele Frauen. Etwa 20 bis 40 % aller Mädchen und Frauen haben mehrere stärker ausgeprägte PMS-Beschwerden, die den Alltag und die Lebensqualität beeinträchtigen. Bei ungefähr 3 bis 8 % sind die Symptome – vor allem die psychischen Probleme – so stark ausgeprägt, dass sie das Alltagsleben empfindlich stören. Man spricht von einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS). Besonders Frauen, die unter ausgeprägten Stimmungstiefs in der zweiten Zyklushälfte leiden, profitieren häufig von hormonellen Kontrazeptiva wie der Pille.
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Gute Zykluskontrolle: Frauen wissen den genauen Zeitpunkt, an dem die Menstruation einsetzt – und können sich gut darauf einstellen. Wenn gewünscht, kann die Periodenblutung auch durch eine Einnahme der Pille im sogenannten Langzyklus reduziert werden.
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Kein Einfluss auf die Fruchtbarkeit: Nach dem Absetzen des hormonellen Kontrazeptivums ist eine schnelle Schwangerschaft möglich. Das gilt selbst für Frauen, die über viele Jahre Hormone zur Verhütung angewendet haben.
Nachteile hormoneller Kontrazeptiva
Hormonelle Kontrazeptiva sind insgesamt sehr sicher, haben aber auch Nachteile und bergen in Einzelfällen auch gesundheitliche Risiken.4,5 Wichtig ist es daher, die Vor- und Nachteile immer gut gegeneinander abzuwägen.
Kombinierte hormonelle Verhütungsmittel
- schützen nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten (STD). Hiervor schützen nur Kondome.
- können Nebenwirkungen wie z. B. Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, sexuelle Lustlosigkeit, Zwischenblutungen oder Spannungsgefühle in den Brüsten verursachen.
- können Auswirkungen auf Herz und Kreislauf (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) haben und den Blutdruck verändern.
- bergen bei mehr als fünfjähriger Einnahme4 ein leicht erhöhtes Risiko für Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Nach dem Absetzen sinkt dieses Risiko jedoch wieder binnen weniger Jahre auf das Niveau von Frauen, die keine hormonellen Kontrazeptiva eingenommen haben.
- können die Blutgerinnung beeinflussen – für Frauen mit einem bereits bestehenden Thrombose- oder Embolierisiko sind sie deshalb nicht geeignet – eine gute Alternative kann hier eine östrogenfreie Pille z. B. mit dem Gestagen Desogestrel sein.
- können in Kombination mit dem Rauchen zu einer Verengung der Blutgefäße führen – für Raucherinnen sind sie deshalb nicht empfehlenswert. Auch hier eignet sich eine östrogenfreie Pille z. B. mit dem Gestagen Desogestrel.
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Jugendsexualität 9. Welle. Repräsentative Wiederholungsbefragung. Die Perspektive der 14- bis 25-Jährigen“, https://www.bzga.de/aktuelles/2020-12-03-erste-ergebnisse-der-neuen-befragungswelle-bzga-studie-jugendsexualitaet/ (Abruf: 21.4.2022)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Jugendsexualität 9. Welle Im Fokus: Die Pille,
https://publikationen.sexualaufklaerung.de/fileadmin/redakteur/publikationen/dokumente/Jugendsexualitaet/Faktenblaetter/2021-Factsheet-Jugendsexualitaet-Sexualaufklaerung-Pille_Version_1-0.pdf (Abruf: 21.4.2022)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Jugendsexualität 9. Welle Im Fokus: Die Frauenärztinnen und Frauenärzte,
https://publikationen.sexualaufklaerung.de/fileadmin/redakteur/publikationen/dokumente/Jugendsexualitaet/Faktenblaetter/2021-Factsheet-Jugendsexualitaet-Sexualaufklaerung-Frauenaerzt_innen_Version_1-0.pdf (Abruf: 21.4.2022)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):
https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/pille-und-minipille/pille/ (Abruf: 21.4.2022)
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs,
https://www.gesundheit.gv.at/leben/sexualitaet/verhuetung/verhuetungsmittel/hormonelle-verhuetung/pille (Abruf: 21.4.2022)
- Frauenärzte im Netz e.V, https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/verhuetung-ohne-hormone-moeglich-sinnvoll-notwendig/ (Abruf: 21.4.2022)
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), https://www.gesundheitsinformation.de/praemenstruelles-syndrom-pms.html (Abruf: 21.4.2022)