Hormone bei HRT und Kontrazeption – Einflüsse auf das Krebsrisiko
Bei HRT und Verhütung kommen verschiedenste Hormone und Hormonkombinationen zum Einsatz. Manche haben einen Einfluss auf das Risiko für ein Mammakarzinom, Ovarialkarzinom und Endometriumkarzinom.
Viele Frauen nehmen in bestimmten Phasen ihres Lebens Hormone ein oder wenden sie an – zur Verhütung in jungen Jahren (z.B. Pille, Hormonspirale, Implantat) und als Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren. Bei einer HRT kommt entweder eine Monotherapie mit Östrogenen, eine Kombinationstherapie aus Östrogenen und Gestagenen oder das synthetische Steroid Tibolon zum Einsatz. Die Medikamente lindern Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche wirksam. Auch die Knochendichte kann durch Hormonsubstitution positiv beeinflusst werden1.
Kontrazeptiva und HRT stehen jedoch mit verschiedenen Krebsrisiken in Verbindung – positiv wie negativ. Wie diese Risiken für das Mammakarzinom, Ovarialkarzinom, Zervixkarzinom und Endometriumkarzinom ausfallen, hängt von der Art und Dauer der Kontrazeption sowie der HRT ab1.
Krebsrisiko durch hormonelle Kontrazeptiva
Kontrazeptiva enthalten häufig eine Kombination aus Östrogenen und Gestagenen. Dazu gehören zum Beispiel die Kombi-Pille, der Vaginalring oder das Verhütungspflaster. Solche kombinierten hormonellen Methoden wirken sich unterschiedlich auf das Risiko für Krebserkrankungen aus3. Einige Fakten zu den verschiedenen Krebsarten im Überblick.
Endometriumkarzinom
Die orale Kontrazeption (kombinierte orale Kontrazeptiva = KOK, Progesteron only pills = POP) senkt das Risiko für ein Endometriumkarzinom um etwa 50 Prozent2. Dieser risikoreduzierende Effekt hält bis zu 35 Jahre nach dem Absetzen der hormonellen Kontrazeption an. Durch Anwendung eines Levonorgestrel-IUP (52 mg) über fünf fahre wurde das Risiko für das Endometrium um 50 Prozent reduziert, bei Anwendung über mehr als fünf Jahre (2 IUP in Folge) waren es 75 Prozent.
Ovarialkarzinom
KOK vermindern das Risiko für ein Ovarialkarzinom in Abhängigkeit von der Einnahmedauer um 30 bis 50 Prozent2. Die Risikominderung hält etwa 10 bis 35 Jahre an. Dieser Effekt lässt sich auch durch niedriger dosierte KOK erreicht, sofern sie noch Ovulationen unterdrücken. Den in den letzten Jahren beobachteten Rückgang der Ovarialkarzinominzidenz in Europa und Nordamerika führen Experten zumindest teilweise auf die Anwendung von KOK zurück. POP (Minipille, Gestagen-IUP) vermindern das Ovarialkarzinomrisiko dagegen nicht so eindeutig.
Zervixkarzinom
Eine derzeitige oder weniger als fünf Jahre zurückliegende Einnahme von KOK verdoppelt das Risiko für ein Zervixkarzinom2. Nach dem Absetzen normalisiert sich das Risiko aber innerhalb von fünf bis zehn Jahren wieder. Die alleinige Kontrazeption mit Gestagenen (POP) oral oder als IUP hat dagegen keinen nachweisbaren Effekt auf die Inzidenz von Zervixkarzinomen.
Mammakarzinom
Das Risiko für Brustkrebs steigt auch durch moderne kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) (20-50 µg Ethinylestradiol) in Abhängigkeit von der Einnahmedauer um etwa 20 Prozent2. Bei mehr als zehnjähriger Einnahmedauer erhöht sich das Risiko um 46 Prozent. Die Risikosteigerung fällt bei jüngeren Frauen und bei Kinderlosigkeit deutlicher aus. Zwischen den verschiedenen Gestagenen gibt es keinen Unterschied in der Risikoerhöhung.
Nach dem Absetzen der KOK normalisiert sich das Risiko meist nach einem Jahr wieder. Bei längerer KOK-Anwendung (mehr als fünf Jahre) bleibt das Risiko auch noch fünf bis zehn Jahre nach Absetzen erhöht.
In absoluten Zahlen fällt die Erhöhung des Brustkrebsrisikos jedoch gering aus, wie dieses Beispiel zeigt: Bei Frauen, die KOK derzeit anwenden oder kürzlich (unter sechs Monate) abgesetzt haben, bedeutet eine Erhöhung des relativen Risikos um 20 Prozent (RR = 1,2), dass ein zusätzlicher Brustkrebsfall pro Jahr unter 7.690 Frauen im Vergleich zu Nichtanwenderinnen auftritt.
Die hormonelle Kontrazeption allein mit Gestagenen (oral als Minipille oder als IUP mit Levonorgestrel) kann das Risiko für ein Mammakarzinom ebenfalls in einem vergleichbaren Ausmaß vorübergehend erhöhen.
Fazit: Der vorübergehende Anstieg des Risikos für ein Mamma- und Zervixkarzinom aufgrund der hormonellen Kontrazeption führt nicht zu einer erhöhten Krebssterblichkeit.
HRT und Mammakarzinom
Fachleute gehen heute davon aus, dass eine Hormontherapie mit Östrogen alleine (ET) oder der Kombination aus Östrogen und Gestagen (EPT) das Brustkrebsrisiko nur geringfügig erhöht. Das Brustkrebsrisiko steigt vor allem, wenn Frauen die Hormone in Kombination, über einen langen Zeitraum und über die natürlichen Wechseljahre hinaus anwenden. Wenn Frauen die HRT absetzen, sinkt das Brustkrebsrisiko wieder1.
Die aktuelle S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“4 berichtet folgende Daten für die EPT unter Bezug auf verschiedene Studien:
- Das relative Risiko einer EPT-Anwendung in der WHI-Studie liegt bei 1,26. Dies entspricht acht zusätzlichen invasiven Mammakarzinomen pro 10.000 Frauen pro Anwendungsjahr.
- Die Risikoerhöhung zeigte sich ab einer Anwendungsdauer der EPT von fünf oder mehr Jahren.
- Aus einer Kohortenstudie liegen Hinweise dafür vor, dass eine kontinuierlich kombinierte EPT das Brustkrebsrisiko stärker erhöht als eine sequentielle EPT.
- Randomisiert-kontrollierte Studien sowie Beobachtungsstudien wiesen nach, dass die jetzige Anwendung der EPT das Risiko für ein Mammakarzinom zwar erhöht, dieses allerdings nach dem Absetzen binnen weniger Jahre wieder sinkt und sich dann nicht mehr vom Brustkrebsrisiko von Nichtanwenderinnen unterscheidet.
- Der Beginn einer HRT im Verhältnis zum Menopausenalter beeinflusst das Ausmaß des Risikos. Frauen, die die Hormontherapie im oder kurz nach dem Menopausenalter begonnen hatten, zeigten eine höhere Risikosteigerung als jene, die erst mehr als fünf Jahre danach angefangen hatten.
- Die Anwendungszeiten, die zur Risikosteigerung führen, werden kontrovers diskutiert. Für die EPT wird mehrheitlich eine fünfjährige Anwendungsdauer als Mindestgrenze für einen statisch signifikanten risikosteigernden Effekt der EPT angesehen. Eine jüngere Studie der WHI zeigte schon nach drei Jahren eine risikosteigernde Wirkung.
- Es gibt Hinweise, dass eine EPT mit Progesteron das Risiko in geringem Maß ansteigen lässt. Allerdings hat natürliches Progesteron im Vergleich zu synthetischen Gestagenen einen schwächeren antiproliferativen Effekt auf das Endometrium.
Für die ET alleine zeigen sich laut Leitlinie folgende Effekte auf das Brustkrebsrisiko:
- Die WHI-Studie ermittelte im Gegensatz zu vielen Beobachtungsstudien eine Senkung des Mammakarzinomrisikos im Vergleich zu Placebo-Anwenderinnen.
- Die Beobachtungsstudien zeigten eine geringe Steigerung des Brustkrebsrisikos bei der Anwendung der ET im Vergleich zur ETP.
- Die Dauer der ET, die zur Risikosteigerung führt, wird unterschiedlich beurteilt. Anwendungszeiten von mehr als fünf, zehn bzw. 20 Jahren werden diskutiert.
Zusammengefasst: Eine HRT sowohl mit ET als auch EPT kann mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden sein. Diese Risikoerhöhung ist jedoch gering. Sie muss aber bei der Nutzen-Risiko-Analyse mit einbezogen werden.
Die aktuelle S3-Leitlinie rät daher: Frauen, die eine HRT erwägen, sollen darüber aufgeklärt werden, dass eine HRT (Östrogen/Gestagen-Kombination oder Östrogen-Monotherapie) zu einer geringen Erhöhung des Brustkrebsrisikos führen kann. Die mögliche Risikoerhöhung hängt von der Zusammensetzung der HRT und Behandlungsdauer ab. Das Risiko für ein Mammakarzinom reduziert sich nach dem Absetzen der HRT wieder.
HRT und Ovarialkarzinom1,4
- Die Hormontherapie mit Östrogen allein beziehungsweise die Kombination aus Östrogenen/Gestagenen erhöht das Risiko für Eierstockkrebs.
- Das Risiko für ein Ovarialkarzinom steigt schon bei einer Anwendungsdauer der HRT von unter fünf Jahren. Das erhöhte Risiko in Absolutzahlen beträgt 1:1000 nach fünfjähriger HRT und 1:600 nach zehnjähriger HRT.
- Nach dem Absetzen der HRT reduziert sich das Eierstockkrebsrisiko wieder.
Daher gilt: Frauen, die eine HRT erwägen, sollen über die Risiken einer ET bzw. EPT hinsichtlich des Ovarialkarzinomrisikos aufgeklärt werden.
HRT und Endometriumkarzinom1,4
- Die HRT mit Östrogenen allein (ohne Gestagenzusatz) gilt bei Frauen ohne Hysterektomie als Risikofaktor für ein Endometriumkarzinom. Dieser Effekt hängt von der Dauer und Art der Östrogen-Behandlung ab. Bei der Anwendung von Standarddosen (z. B. 2 mg Estradiol und 0,625 mg CEE) ist das relative Risiko bei mehr als dreijähriger Anwendung bis zu fünffach erhöht, bei zehnjähriger Anwendung bis zu zehnfach. Diese Risikoerhöhung besteht auch noch mehrere Jahre nach dem Absetzen der ET.
- Das Risiko wird bei den eingesetzten Medikamenten mit zusätzlichen Gestagenen zur Hormontherapie in der Regel minimiert.
- Eine kontinuierlich-kombinierte HRT mit einer Anwendungsdauer von weniger als fünf Jahren gilt hinsichtlich des Endometriumkarzinomrisikos als sicher. Die Langzeitanwendung von mehr als sechs Jahren beziehungsweise über 10 Jahre kann zu einem erhöhten Risiko für ein Endometriumkarzinom führen.
- Die sequentiell-kombinierte HRT kann das Risiko für die Entstehung eines Endometriumkarzinoms erhöhen. Der Effekt ist von der Dauer, Art und Dosis der Gestagenanwendung abhängig. Eine Anwendungsdauer von unter fünf Jahren und die Verwendung eines synthetischen Gestagens kann hinsichtlich des Endometriumkarzinomrisikos als riskoärmer angesehen werden.
Fazit: Die HRT ist mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsrisiken verbunden. Diese sind abhängig von der Wahl der HRT sowie Dosis und der Dauer der Anwendung. Die Krebsrisiken sinken nach Beendigung der Therapie. Frauen sollten immer gemeinsam mit Ihrem Arzt oder der Ärztin sämtliche Vor- und Nachteil der HRT besprechen.
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/krebsrisiko-hormonersatztherapie-in-den-wechseljahren.php
- Emons, G. Hormone und Krebs. gynäkologie + geburtshilfe 26, 35–37 (2021). https://doi.org/10.1007/s15013-021-4207-x
- BZgA, https://www.familienplanung.de/verhuetung/gesundheitsrisiken-bei-hormoneller-verhuetung/
- S3-Leitlinie: Peri- und Postmenopause - Diagnostik und Interventionen, gültig bis 31.12.2024, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-062.html