Cannabis bei Endometriose
Endometriose ist eine schmerzhafte Erkrankung, die viele Frauen betrifft. Es gibt viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten – von Schmerzmitteln, hormoneller Therapie bis zu operativen Maßnahmen. Ein relativ neuer Ansatz bei Endometriose ist die Behandlung mit Cannabis.
Endometriose ist weit verbreitet und gilt als eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Es gibt keine genauen Zahlen zur Häufigkeit, denn viele Frauen haben Endometrioseherde, die keine Symptome verursachen und die sie daher auch nicht bemerken. Fachleute gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Frauen mit stark schmerzhaften Regelblutungen unter Endometriose leiden1.
Bislang ist die Endometriose nicht vollständig heilbar. Es gibt jedoch verschiedene Therapiestrategien, um die Beschwerden zu behandeln, allen voran die starken Schmerzen. Eine Möglichkeit der Schmerzbehandlung könnte zukünftig Cannabis sein, wie Studien vermuten lassen.
Cannabis kann Symptome bei Endometriose lindern
Ein australisches Forscherteam um Justin Sinclair von der Western Sydney University untersuchte in einer aktuellen Studie2, ob und wie gut Cannabis bei Symptomen der Endometriose helfen kann. Die retrospektive Kohortenstudie umfasste 252 Frauen mit Endometriose, die Cannabis konsumierten (gesamt 16.193 Sitzungen, Dokumentation/Bewertung von Symptomen durch Patientinnen, von April 2017 bis Februar 2020). Die Probandinnen sollten anhand ihrer Symptome selbst angeben, ob und wie gut ihnen Cannabis geholfen hatte. Die Frauen bewerteten Symptomcluster wie Unterleibskrämpfe, Schmerzen im Beckenbereich und im Gastrointestinaltrakt, Übelkeit, Depressionen und Libido. Zudem gaben die Frauen an, in welcher Form und Dosierung sie Cannabis konsumiert hatten.
Die Ergebnisse:
- Am häufigsten wendete die Probandinnen Cannabis per Inhalation an (n = 10914, 67,4%).
- Das am häufigsten behandelte Symptom waren Schmerzen (n = 9281, 57,3%).
- Gastrointestinale Symptome besserten sich den Angaben zufolge am stärksten – sie waren jedoch ein seltener ein Grund für den Cannabisgebrauch (15,2%).
- Die Inhalation zeigte eine stärkere Wirksamkeit bei Schmerzen. Orale Formen waren dagegen überlegen bei der Stimmung und gastrointestinalen Symptomen.
- Die Dosierung variierte je nach Methode des Cannabiskonsums. Die höchste Dosis nahmen Frauen auf, die inhalierten (9 mg/ml oder Zug). Die niedrigste Dosis konsumierten Frauen, die Cannabis oral anwendeten und ihre Schmerzen behandelten oder zur Verbesserung der Stimmung (1 mg/ml als Kapsel oder Piece). Die Dosierung für topische Anwendungen lag durchschnittlich bei 2 mg/ml.
- Das Verhältnis von THC zu Cannabidiol (CBD) variierte erheblich, je nach Anwendungsform.
Die Forschenden ziehen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass Cannabis bei Schmerzen im Beckenbereich, gastrointestinalen Symptomen und Stimmungsproblemen wirksam zu sein scheint – je nach Aufnahmemethode. Dass Frauen Cannabis eher inhalieren als oral einnehmen, könnte mit dem schneller eintretenden schmerzlindernden Effekt zu tun haben. Bei oralen Cannabisprodukten setzt die Wirkung langsamer ein. Allerdings scheinen orale Präparate hinsichtlich der Stimmungsaufhellung und gastrointestinalen Beschwerden besser abzuschneiden als inhalative Aufnahmeformen. Es seien aber weitere klinische Studien notwendig, die sich mit der Verträglichkeit und Wirksamkeit des Cannabis bei Endometrioseschmerzen und anderen Symptomen befassten, so das Fazit der Forschenden.
Cannabis als Strategie zum Selbstmanagement
In einer früheren Studie3 hatte das australische Forscherteam bereits gezeigt, dass eine von acht Frauen in Australien mit Endometriose Cannabis als Selbstmanagement-Strategie nutzt, um Schmerzen und andere Symptome zu lindern. An der Studie nahmen 484 Frauen zwischen 18 und 45 Jahren teil. Unter allen Strategien wie Atemtechniken, Yoga, oder Ernährungsveränderungen stuften die Frauen den Cannabiskonsum als wirksamste Methode ein. Den Frauen zufolge reduzierte Cannabis die Schmerzen und besserte Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinale Symptome, Schlafstörungen, Depressionen und Ängste.
Außerdem berichteten die Frauen, dass sie ihre normale Medikation, die sie gegen die Endometriose-Symptome anwendeten, durch die Anwendung von Cannabis reduzieren konnten – mehr als die Hälfte der Frauen senkte ihre übliche Medikation um 50 Prozent und mehr. Die Studienautoren betonen jedoch, dass der Cannabiskonsum nicht ohne Risiko sei, auch wenn nur wenige und leichte Nebenwirkungen berichtet worden seien.
Eine neue Meta-Analyse4, in die 41 Studien zu Endometriose und Cannabis eingeschlossen waren, kam zu diesem Schluss: Bevor man Cannabinoide bei Endometriose empfehlen und verschreiben könne, seien erst noch weitere Studien nötig, welche die Wirksamkeit und Vorteile dieser Produkte besser belegten.
Endometriose – Behandlungen im Überblick5,6,7
Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten bei Endometriose – die wichtigsten Therapien im Überblick:
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Medikamentöse Schmerztherapie, NSAID z. B. Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen, Cox-2-Hemmer
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Endokrine Behandlung zur Absenkung des Östrogenspiegels bzw. Induktion einer therapeutischen Amenorrhoe. Als Erstliniensubstanz der hormonellen Therapie sind reine Gestagene (z. B. Dydrogesteron, Dienogest) empfohlen. In der Zweitlinientherapie können einphasige Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate und GnRH-Analoga zum Einsatz kommen. Die Wahl der endokrinen Therapie hängt stark vom Krankheitsbild und den individuellen Wünschen der Patientinnen ab. Auch Kombinationstherapien sind möglich.
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Operation bei schwerer Endometriose und Kinderwunsch – Entfernung der Endometrioseherde durch Laser, Strom oder Skalpell im Rahmen der Laparoskopie. Nach dem chirurgischen Eingriff treten jedoch bei jeder zweiten Frau binnen fünf Jahren neue Endometrioseherde als Rezidiv auf. Daher folgt meist zusätzlich eine Hormontherapie über drei bis sechs Monate, die den Effekt der OP unterstützt.
Supportive Therapien bei Endometriose5,6,7
Daneben können in manchen Fällen supportive Behandlungsansätze hilfreich sein:
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Pycnogenol – ein Pflanzenextrakt aus der Rinde der französischen Seekiefer. Es hemmt entzündliche Prozesse in den Gebärmutterschleimhautzellen, die auch die Menstruationsschmerzen auslösen. In Kombination mit einem oralen Kontrazeptivum kann Pycnogenol zu einer stärkeren Reduktion der Dysmenorrhoe führen. Die Studienlage hierfür ist allerdings begrenzt.
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Vitamin D – ein niedriger Vitamin D-Spiegel könnte Endometriose-Beschwerden verstärken. Bei einer Unterversorgung mit Vitamin D könnte der Ausgleich des Vitamin D-Haushalts hilfreich sein, berichtet der Berufsverband der Frauenärzte e.V. unter Bezug auf eine Studie der Sichuan University, China8.
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Ernährung: Grundsätzlich gelten auch bei Endometriose die Empfehlungen für eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit vielen frischen, natürlichen und unverarbeiteten Lebensmitteln. Sie trägt zum Wohlbefinden bei. Manchen Frauen mit Endometriose hilft jedoch eine vegane Ernährung, anderen eine Ernährungsweise ohne Gluten und manchen eine fleischhaltige Low-Carb-Kost. Ratsam ist das Ausprobieren.
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Sport (z. B. Wandern, Radfahren, Schwimmen, Walking), Yoga, Achtsamkeitsübungen, Entspannungstechniken können schmerzlindernde Wirkung haben.
- Auch die Physiotherapie kann bei Endometriose positive Effekte erzielen.
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Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) – bei Endometriose liegt der Schwerpunkt auf der Kräutermedizin, Lebensführung, speziellen Körperübungen wie Qi Gong und einer ausgewählten Ernährung.
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Psychotherapie, z. B. Verhaltenstherapie, Psychoanalyse
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Selbsthilfe – zur besseren Krankheitsbewältigung. Adressen bietet die Endometriose Vereinigung Deutschland e.V.
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), https://www.gesundheitsinformation.de/endometriose.html (Abruf: 15.12.2021)
- Sinclair J, Collett L, Abbott J, Pate DW, Sarris J, Armour M. Effects of cannabis ingestion on endometriosis-associated pelvic pain and related symptoms. PLoS One. 2021 Oct 26;16(10):e0258940. doi: 10.1371/journal.pone.0258940. PMID: 34699540; PMCID: PMC8547625.
- Sinclair J, Smith CA, Abbott J, Chalmers KJ, Pate DW, Armour M, Cannabis Use, a Self-Management Strategy Among Australian Women With Endometriosis: Results From a National Online Survey, Gynaecology| Volume 42, ISSUE 3, P256-261, March 01, 2020
- Mistry M, Simpson P, Morris E, Fritz AK, Karavadra B, Lennox C, Prosser-Snelling E. Cannabidiol for the Management of Endometriosis and Chronic Pelvic Pain. J Minim Invasive Gynecol. 2021 Nov 25:S1553-4650(21)01286-3. doi: 10.1016/j.jmig.2021.11.017. Epub ahead of print. PMID: 34839061.
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Endometriose, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-045l_S2k_Diagnostik_Therapie_Endometriose_2020-09.pdf, gültig bis 31.08.2023 (Abruf: 15.12.2021)
- Endometriose Vereinigung, https://www.endometriose-vereinigung.de/therapie.html (Abruf: 15.12.2021)
- Berufsverband der Frauenärzte e.V., https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/endometriose/therapie/ (Abruf: 15.12.2021)
- Qiu Y, Yuan S, Wang H. Vitamin D status in endometriosis: a systematic review and meta-analysis. Arch Gynecol Obstet. 2020 Jul;302(1):141-152. doi: 10.1007/s00404-020-05576-5. Epub 2020 May 19. PMID: 32430755.