Der Begriff „Pille“ sei heutzutage häufig negativ besetzt, konstatierte der Experte zu Beginn seines Vortrags. Risikoanstieg in Bezug auf Thrombose, Depression und Brustkrebs – gerade die Populärmedien vermittelten hier oft ein einseitiges und angsteinflößendes Bild. Dabei sei ein leicht erhöhtes Auftreten von Mammacarcinomen weniger mit der Pille als eher mit Hormonersatztherapien assoziiert und einige frauenspezifische Krebsarten wie Ovarial-Ca oder Endometrium-Ca nähmen mit Einnahme hormoneller Antikontrazeptiva sogar ab. Von solchen und diversen anderen positiven Aspekten sei in diesen Artikeln aber fast nie die Rede, merkte Prof. Römer an.
Und selbst der vermeintlich negative Einfluss auf die Libido sei letztlich nicht klar erfassbar und auch komplexer zu bewerten: Nicht selten führe beispielsweise die pillenbedingte Normalisierung von Blutungsstörungen bereits zu einer Verbesserung der sexuellen Funktion – und in manchen Fällen helfe auch einfach ein Partnerwechsel, fügte der Referent augenzwinkernd hinzu.
Aufseiten der Patientinnen gäbe es viel Halbwissen, welches in einer guten (und ggf. wiederholten) Beratung aufgefangen und thematisiert werden sollte. Wenn durch eine umfassende Anamnese/ Erstkonsultation das jeweils optimal passende Kontrazeptivum frühzeitig gefunden wird, spare das viel Zeit und steigere die Compliance deutlich. Hier seien explizit auch die Wünsche der Patientinnen zu berücksichtigen, so Römer.
Ein besonderes Anliegen war dem Kölner Gynäkologen auch die Laien oft nicht bewusste Unterscheidung zwischen östrogenhaltigen Pillen (KOK/ kombinierte orale Kontrazeptiva) und solchen auf reiner Gestagenbasis (POP/ „progestogen-only pill“). Die seit 1980 verfügbaren und stetig weiterentwickelten Präparate böten auch vielen Patientinnen, für die ein Kombinationsmittel aus verschiedensten Gründen nicht infrage kommt, eine gute und sichere Alternative.
Das auch unter dem Begriff „Minipille“ bekannte Verhütungsmittel verfüge neben der konzeptions- und nidationshemmenden Wirkung auf Zervixpfropf und Endometriumschleimhaut heute zudem meist auch über eine antiovulatorische Komponente. Diese Effekte sowie teilweise erweiterte Einnahmefenster von 12 Stunden steigerten die kontrazeptive Sicherheit deutlich und ließen auch kleinere Unregelmäßigkeiten bei der Einnahme zu (was man nach Meinung von Prof. Römer aber nicht unbedingt jeder Patientin auch mitteilen sollte).
Orale Gestagenmonokontrazeptiva bieten viele Vorteile, von denen der Wegfall östrogenbedingter Nebenwirkungen klinisch besonders bedeutsam ist. Günstig ist auch die weitgehend alters- und lifestyle-unabhängige Verwendbarkeit. So können auch Frauen über 35 Jahren, Raucherinnen, Adipöse und stillende Mütter mit POP verhüten und gleichzeitig zyklusabhängige Beschwerden minimieren. Dass reine Gestagen-Pillen zudem auch bei Diabetes (Typ 1 und 2), Migräne, Hypertonus sowie vielen anderen Erkrankungen und KOK-bezogenen Kontraindikationen verschrieben werden können, rundet ihr vielseitiges Anwendungsgebiet ab.
Als mögliche Nachteile nannte Prof. Römer initiale, aber gut behandelbare Blutungsstörungen, gelegentliches Auftreten von Ovarialzysten und die fehlende Östrogenwirkung (z.B. bei Akne). Auch betonte er die Notwendigkeit einer verlässlichen Einnahme seitens der Patientin zum Erreichen eines erstrebten niedrigen Pearl-Indexes.
Bevor er die Suche nach dem individuell passenden Kontrazeptivum anhand einer Vielzahl spezifischer Kasuistiken erläuterte (siehe Teil 2), streifte Prof. Römer noch das zentrale Thema „Thrombose und Pille“. Einige seiner take-home-Messages: Bei den meisten Frauen überwiegt der mit der Anwendung von KOK verbundene Nutzen das Risiko für das Auftreten schwerwiegender Nebenwirkungen bei weitem. Ein generelles Thrombophilie-Screening vor Verordnung von Kombinationspräparaten ist nicht empfohlen. Um ein angeborenes – häufig durch kombinierte Mutationen bedingtes – gesteigertes VTE-Risiko zu erkennen, sei vor allem eine sorgfältige Eigen- und Familienanamnese wichtig.
Hinsichtlich der erworbenen Gefahren für venöse Thrombembolien durch Immobilität z. B. bei größeren OPs oder längeren Flugreisen riet er, das orale Verhütungsmittel nicht prinzipiell abzusetzen, sondern Nutzen und Risiken einer solchen Unterbrechung sorgfältig abzuwägen.
Mit östrogenfreien Pillen stünde man in all diesen Fragen sowieso auf der sicheren Seite: Hier müsste man bei operativen Eingriffen, Fernreisen sowie anderen VTE-begünstigenden Faktoren in der Regel gar keine Änderung bezüglich der Pilleneinnahme vornehmen.
Nach Vorstellung und Diskussion einiger schwieriger Fallbeispiele aus der Praxis appellierte der Kölner Gynäkologe abschließend an die anwesenden Kollegen: Die Verantwortung für die Vermeidung einer ungewünschten oder für die Patientin unter Umständen gefährlichen Schwangerschaft liegt bei uns Frauenärzten!
Zusammenfassung: Dr. med. Monika Steiner