Stellungnahme der DGIM zum Arbeitsentwurf der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO)

Mit dem Arbeitsentwurf zur neuen Approbationsordnung vom 29. November 2019 des Bundesministeriums für Gesundheit gibt es eine konkrete Diskussionsgrundlage, wie das Medizinstudium im Masterplan 2020 weiterentwickelt werden soll.

Mit dem Arbeitsentwurf zur neuen Approbationsordnung vom 29. November 2019 des Bundesministeriums für Gesundheit gibt es eine konkrete Diskussionsgrundlage, wie das Medizinstudium im Masterplan 2020 weiterentwickelt werden soll. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin begrüßt die Möglichkeit zur Weiterentwicklung des Arbeitsentwurfes und bedankt sich ausdrücklich für die Möglichkeit des fachlich vertiefenden Austausches. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin unterstützt ausdrücklich die zukünftige Wissens- basierte Kompetenzorientierung des Medizinstudiums und insbesondere die explizite Verankerung der Wissenschaftskompetenz, der digitalen Kompetenzen und der interprofessionellen Kompetenzen, aber auch die zentrale Aspekte wie ärztliche Gesprächsführung, Patientensicherheit, Professionelles Handeln und Stärkung der klinischpraktischen Fertigkeiten. Positiv wird der geplante modulare und longitudinal aufbauende Logbuch- dokumentierte Kompetenzerwerb und die Zusammenführung von NKLM und GK als Grundlage für das Studium und Prüfung gesehen. Auch die Festschreibung der Verantwortung für die Prävention und Gesundheitsförderung wird sehr positiv beurteilt.

Gleichzeitig bestehen aber aus einer Reihe von Gründen zentrale Bedenken gegen eine Umsetzung in der vorliegenden Form. Im ersten Teil unserer Stellungnahme werden die aus unserer Sicht zentralen Kritikpunkte des Arbeitsentwurfes erläutert; im zweiten Teil finden sich detaillierte Stellungnahmen zu einzelnen Paragraphen und Anlagen.

Teil 1, zentrale Aspekte des Arbeitsentwurfes zur ÄApprO

Ambulante primärärztliche Versorgung von Patienten und Patientinnen

Die geplante Vertiefung des Kompetenzerwerbs im Bereich der ambulanten Medizin, insbesondere im Bereich der hausärztlichen Primärversorgung von Patienten und Patientinnen und deren Lotsenfunktion für diese, ist ausdrücklich zu begrüßen. Diese setzt die im Masterplan Medizinstudium 2020 ausdrücklich intendierte Stärkung der hausärztlichen Primärversorgung konsequent um. Diese Umsetzung muss sich aber an der Versorgungsrealität in Deutschland und deren rechtlichen Rahmenbedingungen orientieren. So erfolgt 30 % der hausärztlichen Primärversorgung durch hausärztliche Internistinnen und Internisten. Folgerichtig wird in den Empfehlungen der Expertenkommission zum Masterplan Medizinstudium 2020 die Fächergruppe der „hausärztlichen Versorgung“ (Abschnitt C.II.2, S. 72) nach § 73 des Sozialgesetzbuches (SGB) V wie folgt definiert (https://www.sozialgesetzbuchsgb. de/sgbv/73.html):

Die mit diesen Intentionen zu erwerbenden Kompetenzen und das damit verbundene Wissen sind aber nicht synonym mit dem Begriff „Allgemeinmedizin“ abzubilden. So erfährt im Arbeitsentwurf insgesamt das Fach der Allgemeinmedizin einen nicht angemessenen Bedeutungszuwachs, der sich z. B. in der Festschreibung in den § 19, § 21 und § 22 widerspiegelt. Diese Festschreibung ist zu streichen.

Der nicht angemessene Umfang der Allgemeinmedizin drückt sich auch darin aus, dass in diesem Fach insgesamt 8 Wochen Blockpraktikum und in den großen Fächern Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde und Frauenheilkunde jeweils nur noch 1 Woche Blockpraktikum (siehe dazu § 18, § 23 und § 27) verpflichtend sind. Hier muss aus Sicht der DGIM ein ausgeglichenes Verhältnis mit mindestens 50 % klinisch- stationären Blockpraktika hergestellt werden. Verwiesen sei auch auf das völlige Fehlen von Pflichtpraktika im neurologisch/ psychiatrischen Bereich.

Empfehlung: Die DGIM empfiehlt daher in den entsprechenden Paragraphen (§ 19(4)1, § 21(4)1, § 22(4)1 den Begriff „Allgemeinmedizin“ im Arbeitsentwurf der ÄApprO durch „Kompetenzen aus Fächern der hausärztlichen Versorgung“ zu ersetzen. So wäre die Denomination von § 27 „Unterrichts- veranstaltungen in der Allgemeinmedizin in „Unterricht in Fächern der hausärztlichen Versorgung“ zu verändern.

Wichtung zwischen Kernfächern der Medizin und Querschnittsfächer

Der Arbeitsentwurf der ÄApprO unterscheidet nicht mehr zwischen zentralen Kernfächern wie der Inneren Medizin, Chirurgie, Neurologie/Psychiatrie, Frauenheilkunde oder Pädiatrie und sogenannten Querschnittsbereichen (Anlage 2 ÄAppO, S. 90/91 und § 19–21). Dadurch werden Fächer wie die Innere Medizin oder Chirurgie abgewertet und ihr prozentualer Anteil in Lehre und Prüfungen den Querschnittsfächern gleichgestellt. Zu befürchten ist, dass die Inhalte kleinerer Schwerpunkte in der Inneren Medizin, z. B. Endokrinologie, Rheumatologie und Angiologie, vor dem Hintergrund der zu erwartenden Abwertung zu kurz kommen und somit langfristig Wissensdefizite entstehen.

Empfehlung: Eine Wichtung bzw. Kategorisierung der in Anlage 2 aufgeführten Fächer ist durchzuführen. Wenn gewünscht, kann die DGIM in Abstimmung mit anderen Fächern gerne einen Vorschlag entwickeln.

OSCE-Prüfungen/Lehrpraxen

Grundsätzlich wird die konsequente Einführung von OSCE- Prüfungen zur Qualitätssicherung im Studium der Humanmedizin begrüßt. Die Umsetzung der geplanten OSCEPrüfungen oder die Rekrutierung einer großen Zahl von Lehrpraxen werden – wie weitere Maßnahmen auch -umfangreiche zusätzliche Ressourcen und Finanzierungen erfordern, die auf ihre kapazitätsrechtlichen Auswirkungen zu prüfen sind. Somit ist eine erfolgreiche Umsetzung des Arbeitsentwurfs unter den Vorbehalt der adäquaten Ressourcenzuführung zustellen.

Der Arbeitsentwurf zur ÄApprO sieht die Einbeziehung von akademischen Lehrpraxen sowohl im curricularen Unterricht an Patienten oder Patientinnen (§ 13 Absatz 2 Nummer 3) als auch im Praktischen Jahr (PJ) (§ 40 Absatz 1 Nummer 3) vor. Das fachliche Spektrum umfasst neben den Fachgebieten der hausärztlichen Versorgung zusätzlich auch Lehrpraxen und andere geeignete Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung ohne fachliche Einschränkung. Wir begrüßen ausdrücklich die Stärkung der ambulanten Medizin durch die Einbeziehung qualifizierter Lehrpraxen unterschiedlicher Fachgebiete, mit der der „in Kooperation mit hausärztlich ausgerichteten Praxen eingeschlagene Weg konsequent und nachhaltig fortgesetzt wird“ (Beschlusstext Masterplan Medizinstudium 2020) und mit der auch eine frühzeitigere persönliche Schwerpunktsetzung der Studierenden unterstützt wird. Die DGIM bietet an, Lehrkonzepte für akademische Lehrpraxen zu entwickeln und bei deren Qualifizierung durch die Universitäten mitzuwirken und Maßnahmen zur Qualitätssicherung der ambulanten Lehre zu unterstützen.

Vierte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M4)

Der vierte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung stellt die studiumsabschließende Überprüfung der im gesamten Studium einschließlich der im Praktischen Jahr erworbenen „Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, deren ein Arzt und eine Ärztin zur eigenverantwortlichen und selbstständigen Tätigkeit bedürfen“ dar. Inhalt dieser Prüfung ist die Kontrolle der notwendigen Kompetenz und Fähigkeiten direkt am Patienten oder an der Patientin aus dem stationären und ambulanten Bereich (§ 116 Absatz 2). Die erneute Aufnahme von OSCE-Prüfungen erscheint entbehrlich. Hier werden Ressourcen-intensiv in zeitlich kurzen künstlichen Szenarien „Fähigkeiten und Fertigkeiten“ geprüft, über die die Studierenden bereits vor dem PJ verfügen müssen. Lehrinhalte des PJ vermitteln Studierenden die Kompetenz, in realen, auch nicht standardisierten Situationen adäquat und professionell zu handeln.

In dem Arbeitsentwurf der Approbationsordnung ist festgelegt, dass der Patient oder die Patientin für die Prüfung am Patienten oder an der Patientin aus dem stationären Bereich entweder aus dem Bereich der Chirurgie oder der Inneren Medizin kommen muss. Die Prüfungskommission besteht für diesen Teil der Prüfung aus einer vorsitzenden Person und einem weiteren Mitglied. Hier erscheint aus Sicht der DGIM notwendig, dass in der Prüfungskommission ein Facharzt/eine Fachärztin für Innere Medizin und ein Facharzt/ eine Fachärztin für Chirurgie vertreten sein müssen.

Empfehlung: Streichung der OSCE- Prüfung im vierten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M4). Festlegung, dass in der Prüfungskommission für die Prüfung an dem Patienten oder der Patientin aus dem stationären Bereich ein Facharzt/ eine Fachärztin für Innere Medizin und ein Facharzt/eine Fachärztin für Chirurgie in der Prüfungskommission vertreten sein müssen.

Innovationsklausel

Die sog. Innovationsklausel (§ 137) erlaubt eine Verkürzung des Studiums auf fünf Jahre unter Aufgabe wesentlicher neuer Elemente wie Vertiefung der wissenschaftlichen Qualifikation (z. B. die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit) sowie einer Verkürzung des Praktischen Jahrs mit der Reduktion der Möglichkeiten zum Erwerb praktischer Kompetenzen und Generierung von Situationserfahrungen. Festzuhalten ist, dass diese Innovationsklausel zu Lasten der Wissenschaftlichkeit und des Erwerbs praktischer Kompetenzen geht und damit sowohl wesentliche Ziele des Masterplans 2020 als auch Empfehlungen z. B. des Wissenschaftsrates unterläuft.

Empfehlung: Die DGIM empfiehlt die Innovationsklausel, insbesondere die Verkürzungen zu Lasten der Wissenschaftskompetenz und der praktischen Erfahrungen ersatzlos zu streichen.

Teil 2: Kommentare und Vorschläge zu einzelnen Paragraphen und Anlagen:

§ 1 Das Ziel der ärztlichen Ausbildung „Fähigkeit zur angemessenen Beachtung der gesundheitsökonomischen Auswirkungen ärztlichen Handelns“ ist um den Zusatz „unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen Notwendigkeiten, um eine Über- und Unterversorgung der Patientinnen und Patienten zu vermeiden“ zu erweitern. In diesem Zusammenhang sei auf den Ärzte Codex der DGIM „Medizin vor Ökonomie“ verwiesen https://www.dgim.de/ veroeffentlichungen/aerzte-codex/

Sehr positiv sehen wir die Festschreibung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien, der Nutzung von Daten in Forschung und Versorgung einschließlich der wissenschaftlichen Methodik, der ethischen Aspekte sowie der datenschutzrechtlichen Grundlagen und Kenntnisse bei seltenen Erkrankungen.

§ 44 (3): Die Festschreibung der notwendigen fachlichen Qualifikation für ausbildende Ärzte oder ausbildende Ärztinnen auf Ärztinnen und Ärzte mit einer mindestens dreijährigen Weiterbildung zum FA oder abgeschlossener Weiterbildung ist wünschenswert, aber nicht umsetzbar. Dieses sollte in eine abgeschwächte Formulierung („z. B. wünschenswert/ anzustreben …) umgewandelt werden. So erlauben insbesondere in Lehrkrankrankenhäusern die Personalstrukturen nicht die Erfüllung der in § 44, Absatz 3 genannten Strukturen. Das Festhalten an dieser Formulierung würde somit die Zahl der für die Ausbildung zur Verfügung stehenden Lehrkrankenhäuser deutlich reduzieren.

Die in § 30 zum Pflegedienst formulierten Ausführungen „… Der Pflegedienst hat den Zweck, Studienanwärter und Studienanwärterinnen oder Studierende in den Betrieb und die Organisation eines Krankenhauses einzuführen, mit den üblichen Verrichtungen der Pflege vertraut zu machen“ ist zu begrüßen, aber um den Zusatz „… und ein Verständnis für die Bedeutung der Pflege für die Gesundheit zu schaffen und die interprofessionelle Kommunikation zu stärken“ zu ergänzen. Dieses erscheint vor dem Hintergrund der notwendigen Berufsgruppen-übergreifenden Gesprächskompetenz sinnvoll.

§ 47: Die in diesem Paragraphen in Absatz 2 festgeschriebene Formulierung, dass „…während eines Ausbildungsabschnittes oder eines Teilabschnittes mindestens zwei Patienten oder Patientinnen unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes oder der ausbildenden Ärztin von der Aufnahme bis zur Entlassung oder Verlegung ganzheitlich zu betreuen“ ist unzureichend. Wenn im Sinne eines ausreichenden Qualifikationserwerbs eine festgeschriebene Zahl gewünscht wird, ist diese auf mindestens „10“ zu erhöhen. Dieses würde in etwa einem Patienten bzw. einer Patientin pro Woche entsprechen. Die in Absatz (4) aufgeführte Infrastruktur („eigener Arbeitsplatz mit Computerausstattung“) ist nicht umsetzbar, da nicht einmal die auf der Station arbeitenden Ärztinnen und Ärzte über diese Ausstattung verfügen.

Anlage 2: Positiv wird die Festschreibung von Kompetenzen in den Querschnittsfächern „Klinische Umweltmedizin“ sowie der Medizin des Alterns und des alten Menschen gewertet. Wir schlagen vor „Klinische Umweltmedizin“ um den Zusatz „einschließlich Klimawandel und Gesundheit“ zu erweitern.

Anlage 8: Das Wahlfach Homöopathie ist zu streichen. Der Homöopathie fehlt eine klinischwissenschaftliche Grundlage, somit steht dieses im zentralen Widerspruch zu den Grundprinzipien der Evidenz-basierten Medizin. Wenn in diesem Bereich ein Kompetenzerwerb möglich sein sollte sind diese Inhalte mit dem Begriff der „Komplementärmedizin“, besser der „Naturheilverfahren“ zu überschreiben.

Prof. Dr. med. Andreas Stallmach
Kommission Aus,– Weiter- und Fortbildung

aProf. Dr. med. Jürgen Floege
Vorsitzender

aProf. Dr. med. Georg Ertl
Generalsekretär

aProf. Dr. med. Ulrich Fölsch
Generalsekretär a. D.

aFolgende Gesellschaften unterstützen die Stellungnahme:
Deutsche Gesellschaft für Angiologie e. V.
Dt. Ges. für Endokrinologie e. V.
Dt. Ges. für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V.
Dt. Ges. für Geriatrie e. V.
Dt. Ges. für Hämatologie und
Medizinische Onkologie e. V.
Dt. Ges. für Infektiologie e. V.
Dt. Ges. für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin e. V.
Dt. Ges. für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V.
Dt. Ges. für Nephrologie e. V.
Dt. Ges. für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.
Dt. Ges. für Rheumatologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und
Jugendmedizin e.V.