Der Klimawandel wird vor allem eines bringen, so die Modelle: Hitze und extremere Witterungsbedingungen. Hitze und Trockenheit fördern unter anderem die Dehydrierung, wenn die Menschen zu wenig trinken oder zu viel schwitzen, sodass Wasser- und Elektrolythaushalt leiden. Dies führt zu einer erhöhten Körpertemperatur und zu "dickerem" Blut aufgrund steigender Hyperosmolarität des Blutes. Dadurch steigt schließlich das Risiko einerseits für akute Nierenerkrankungen, andererseits aber kommt es häufiger zu Nephrolithiasis und Harnwegsinfektionen. Daher möchten wir heute gemeinsam mit Ihnen einen kurzen Blick auf die nahen urologischen Herausforderungen im Rahmen des Klimawandels werfen.
Den Einstieg geben wir Ihnen gern über eine im vergangenen Jahr erschienene Arbeit1 aus den USA. Darin untersuchten die ForscherInnen mögliche Zusammenhänge zwischen einer höheren Umgebungstemperatur und der Hospitalisierungsrate aufgrund von Nieren- und/oder Leberstörungen.1 Die Untersuchungen wurden dabei in den Jahren 1999 bis 2009 in Kalifornien durchgeführt.
Im Ergebnis zeigte sich, dass höhere Temperaturen auch mit einer höheren Rate an Krankenhauseinweisungen infolge von Nierenproblemen korrelierten.1 Ebenso nahm die Rate an Gallenblasenerkrankungen zu.1 Besonders interessant war in diesem Zusammenhang jedoch, dass es tatsächlich regionale Unterschiede gab in der Ausprägung der Nierenprobleme je nach "Witterung". Darüber hinaus scheint ebenso die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle zu spielen.1 So litten beispielsweise Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln ("Hispanics") vermehrt unter Harnwegsinfektionen und Sepsis.1
Eine ganz aktuell erschienene Arbeit geht sogar noch einen Schritt weiter und zeigt erstmals, dass Temperatur, Urolithiasis und das Geschlecht der Betroffenen unmittelbar zusammenhängen.2 Gingen ExpertInnen bisher davon aus, dass die temperaturabhängige Bildung von Nierensteinen – z. B. durch zu geringe Wasseraufnahme und zu große Verluste über das Schwitzen im Sommer – uniform über beide Geschlechter hinweg erfolgt, so zeigte die neue Arbeit durchaus interessante und praxisrelevante Unterschiede auf.
Bei der Auswertung der Daten von 132.597 US-amerikanischen Kindern und Erwachsenen stellten die ForscherInnen durchaus "überrascht" fest, dass es offensichtlich statistisch nachweisbare geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bildung von Nierensteinen als Antwort auf höhere Umgebungstemperaturen gibt.2 Innerhalb der ersten 10 Tage nach dem Temperaturereignis hatten die Männer ein deutlich höheres relatives Risiko (RR) für Nephrolithiasis als die Frauen (1,73 vs. 1,15).2
Dennoch war das Risiko für eine Nephrolithiasis in beiden Geschlechtern in den ersten zwei Tagen nach einem Temperturereignis vergleichbar am höchsten.2 Dies deute jedoch mit Blick auf die beobachtete Nephrolithiasis während 10 Tagen eventuell doch eher auf einen Geschlechtsdimorphismus anstatt auf einen Klimaeffekt hin, so das Urteil der ForscherInnen in deren Arbeit.2
Auch eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019 beschäftigte sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels.3 Sogenannte Hitzewellen, wie wir sie in den vergangenen Jahren des öfteren erleben mussten, haben demnach allein im Jahr 2003 in Europa bis zu 73.000 Tode verursacht.3 Um einer Überhitzung des Körpers vorzubeugen, muss gerade auch in Hitzeperioden ausreichend viel getrunken werden. Jedoch haben bereits heute mehr als 10% der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Trinkwasser in Trockenzeiten mehr. Zukünftig, so die Prognosen, werden ganze Landstriche in Hitzezeiten unbewohnbar sein für Mensch und Tier.3
Die Dehydrierung und alle damit einhergehen Auswirkungen auf die Gesundheit, wie beispielsweise Nephrolithiasis, sind daher drängende Probleme der nahen Zukunft und rücken unter anderem die Urologie stärker in den Fokus.3 Die Niere als Filterstation des Blutes wird in besonderem Maße durch die Hyperosmolarität des Blutes in Hitzeperioden belastet und nimmt dann sehr schnell Schaden.3
Der umgangssprachliche Hitzschlag wird medizinisch bei einer Körpertemperatur von mehr als 40,6°C definiert und führt unter anderem zum Delirium bis hin zum Koma und Multiorganversagen.3 Doch tritt er keinesfalls nur wegen zu großer Hitze allein auf, sondern wird vor allem auch in Kombination mit körperlicher Arbeit und Sport an heißen Tagen gefördert.3
Der Hitzschlag schädigt Studien zufolge sehr stark die Nierenfunktion über den reduzierten Flüssigkeitshaushalt sowie Elektrolytentgleisungen hinaus. In der Folge kann es zu Entzündungen, zur Rhabdomyolyse oder auch zum Verlust der Nierenfunktion kommen.3
In den USA gibt es gerade in den südlichen Bundesstaaten eine Region, in der klimabedingt seit jeher mehr Nierensteine auftreten, im sogenannten "Steingürtel". Dort, so die Prognosen, wird mit dem Klimawandel ein Nordwärtswandern der Inzidenzen auftreten. In Studien zeigte sich zuvor für solche "klimabedingten" Nierensteine, dass diese vornehmlich aus Harnsäure bestehen.3 Dies hängt unter anderem mit der Harnansäuerung als eine Folge der Dehydrierung zusammen.3
Vor dem Hintergrund steigender Umgebungstemperaturen sollten UrologInnen daher insbesondere der Prophylaxe und Metaphylaxe zukünftig mehr Raum geben. Allerdings sollten Sie dabei den PatientInnen auch stets die "richtigen" Getränke mit an die Hand geben, zu denen überwiegend Wasser und ungesüßte Tees gehören dürften.
Nicht wenige PatientInnen jedoch tendieren eher zu den beliebteren Softdrinks, einige enthalten ja auch Obst und somit Vitamine, müssen demnach gesund sein. Für die hitzegestresste Niere sind solche Softdrinks allerdings Gift, denn sie enthalten sehr viel Fruchtzucker.3 Diese Fruktose wiederum fördert bei ihrer Verstoffwechselung Nierenschäden, z. B. durch Entzündungsreaktionen oder oxidativen Stress.3 Studien an Ratten ebenso wie am Menschen bestätigten: Die Rehydrierung durch Softdrinks beschleunigt und vergrößert bestehende Nierenschäden.3
Die Nieren sind aufgrund ihres "Flüssigkeitsbedarfs" sehr anfällig für hitzebedingte Hyperosmolarität des Blutes und erleiden relativ schnell Schaden. In der nahen Zukunft muss zahlreichen Studien zufolge als Antwort auf den Klimawandel mit seinen mehr und längeren Hitzeperioden auch wieder verstärkt mit Nierensteinen und anderen urologischen Krankheitsbildern gerechnet werden. Besonders gefährdete PatientInnengruppen sollten daher wieder umfassender auf die Prophylaxe und Metaphylaxe der Nephro- bzw. Urolithiasis hingeweisen werden.
Quellen:
1 Malig BJ et al., Environm Res 2019; 177: 108566
2 Vicedo-Cabrera AM et al., Urolithiasis 2020; 48(1): 37–46
3 Johnson RJ et al., Ann Nutr Metab 2019; 74(suppl. 3): 38–44