Es gibt zahlreiche Wege, um Energie und Emissionen im Arbeitsalltag einzusparen. Aber vermutlich ist den wenigsten überhaupt bekannt, wo am Arbeitsplatz welche Bilanzen entstehen. Haupteinsatzort in der klinischen Urologie ist und bleibt der Operationssaal. Schätzen Sie einmal, wieviel Energie und CO2-Äquivalente hier in einem Jahr anfallen. Ein Tipp: Seien Sie großzügig bei Ihrer Schätzung. Denn der Betrieb eines einzigen Operationssaales in der Urologie verbraucht pro Jahr tatsächlich soviel Energie wie 2.000 Haushalte!
Einsparpotenzial findet sich im OP unter anderem mit Blick auf die Anästhesie. Hier hatte sich unlängst gezeigt, dass Operationen in lokaler Anästhesie eine gute Alternative zur Vollnarkose sind. Es lohnt sich demnach, einmal zu überprüfen, welche Eingriffe eventuell genauso gut unter lokaler Anästhesie vorgenommen werden können.
Müllvermeidung und Recycling sind ein weiterer Ansatzpunkt, um Energie einzusparen oder den CO2-Fußabdruck am Arbeitsplatz zu verringern. Darüber hinaus lässt sich häufig ebenso der Wasserverbrauch in Klinik und Praxis optimieren.
Gerade in den vergangenen Jahren nahm die Attraktivität von Einwegmaterialien in der Urologie stetig zu. Denken wir nur an laparoskopische Ports oder an Einweg-Endoskope. Häufig zeigten sich diese Utensilien sogar als kostengünstiger im Vergleich mit den wiederverwendbaren Systemen. In einem auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Gesundheitssystem sind kostensparende Materialien selbstverständlich besonders attraktiv. Jedoch zeigen aktuelle Studien, dass kostengünstig vielfach nicht nachhaltig meint.
Bereits 2021 wurde auf dem AUA-Kongress in den USA eine Arbeit vorgestellt, welche die gängige Praxis mit den Einwegmaterialien in der Urologie hinterfragte. Demnach ist die Umweltbilanz z. B. für wiederverwendbare flexible Zystoskope deutlich besser als die der Einweg-Zystoskope. Interessanterweise schienen die Vorteile der wiederverwendbaren Zystoskope dabei auch unabhängig von der Anzahl der Eingriffe zu sein.
Ebenso bietet das Reisen potenzielle Einsparmöglichkeiten für eine bessere Energiebilanz im Gesundheitssektor. Wie die Coronavirus-Pandemie uns deutlich vor Augen geführt hat, lassen sich über die digitale Sprechstunde und Video-Konferenzen Wege und damit auch Energie sowie klimaschädliche Emissionen einsparen. Welchen Einfluss digitale Konferenzen darauf haben können, war bereits Inhalt eines anderen esanum-Artikels zur "Urology for Future".
Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass Präsenz-Kongresse immer auch Netzwerke stützen oder neue Kontakte knüpfen lassen. Das funktioniert in einer rein digitalen Welt nicht wirklich gut. Es könnte jedoch ein Umdenken erfolgen, indem Urologinnen und Urologen überweigend wohnortnahe Kongresse besuchen, auf Übernachtungen verzichten und eine Balance zwischen Präsenz und virtuell finden, die es ermöglicht und auch aushält, sich international dann nur zweijährlich von Angesicht zu Angesicht zu treffen.
In Präsenz bieten sich zukünftig weitere Einsparmöglichkeiten, z. B. indem die Kongressunterlagen auf das Wesentliche beschränkt werden oder vermehrt Apps zur Anwendung kommen, die sowohl die Inhalte des Kongresses vermitteln als auch eine Vernetzung der Teilnehmer untereinander sowie mit Industriepartnern fördern.
Wenn wir dann am Ende auf den Kongressen der Zukunft in der Mehrzahl auch noch den "Veggie-Day" ausrufen, würde das die Energiebilanz im Bereich Catering zusätzlich in den grünen Bereich verschieben, so die Experten.
Alles zusammen wirkt sich schließlich sogar positiv auf die Netzwerkbildung, den Wissenszuwachs und auf den persönlichen CO2-Fußabdruck aus. Denn wir sollten unseren Kindern und Enkeln – energetisch betrachtet – keine zu großen Fußstapfen mehr hinterlassen. Diese können sie gar nicht mehr ausfüllen und werden schließlich über unsere Sorglosigkeit stolpern.
Der Klimawandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von uns als Individuen, als Gesellschaft und ebenso von der Politik gezielter Lösungen bedarf – und das schon heute.
Quelle: Eardley I. How can we reduce Urology's carbon footprint? BJU Int 2022; 129: 7–8