In der aktuellen Novemberausgabe der European Urology (2019 IF: 17,947) ist gerade ein sehr interessanter Artikel erschienen, der einmal die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die zukünftige Versorgung von PatientInnen mit Urothelkarzinomen wirft. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat ganz sicher die Versorgung gerade auch von KrebspatientInnen nachhaltig verändert. Die Digitalisierung in der Medizinlandschaft erlebte in diesem Jahr einen noch vor Kurzem für unmöglich gehaltenen Boom. Dabei ist eines sicher: Dieser Innovationsschub wird bleiben und erfordert weitere Anpassungen für die Zukunft, um die Versorgung nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern in der Fläche zu verbessern.
Derzeit steigen die Zahlen für COVID-19-Erkrankte in ganz Europa erneut drastisch an. Und es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation mithilfe der erneuten Lockdowns wieder unter Kontrolle bringen lässt. Leidtragende sind neben dem medizinischen Personal und den Betroffenen auch Nicht-COVID-PatientInnen, deren Untersuchungen oder planbare Operationen erneut verschoben werden müssen. Das macht etwas mit den Menschen und auch mit unserem Gesundheitssystem. Um jedoch das Risiko für Folge- und Kollateralschäden möglichst niedrig zu halten, blicken MedizinerInnen bereits heute in die Zukunft und stellen sich die Frage: Wie kann die medizinische Versorgung nach Corona zukunftssicher und vor allem flächendeckend angeboten werden?
In Zukunft wird es auch in der Uroonkologie mehr und mehr virtuelle Angebote geben. Wir testen das gemeinsam ja bereits heute in Zeiten der Pandemie, und mit Erfolg. Telemedizin, virtuelle Pflegeangebote sowie das Telemonitoring werden weiter verbessert und in Zukunft den Kontakt zwischen PatientInnen und ÄrztInnen intensivieren, auch wenn diese sich nicht mehr in jedem Konsultationsfall physisch begegnen werden (müssen). Gleichzeitig erhöht dies aber die Angebotsbreite, ohne dass dadurch gleich Mehrkosten entstünden, so die Ansicht der ExpertInnen.
Die Ansätze in der Telemedizin, die zu einem Teil als Folge des Social Distancing in der Coronazeit entstanden sind, sollten zukünftig integrativer ausgerichtet sein, und so auch die mentale und die sozioökonomische Gesundheit der PatientInnen mit berücksichtigen. Untersuchungen und Behandlungsregime müssen effizienter gestaltet werden und damit die Notwendigkeit für die PatientInnen minimiert werden, einen Arzt aufsuchen zu müssen. Gerade für ältere PatientInnen und solche, die auf dem Lande zuhause sind, wäre das vielfach eine Erleichterung. Desweiteren können zukünftige Lösungen mehr Tageskliniken, hypofraktionierte Radiatio oder oral und weniger häufig zu verabreichende Medikamente umfassen.
Interessant ist der Denkansatz, dass die COVID-19-Pandemie möglicherweise auch innehalten lässt, wenn es darum geht, Eingriffe und deren Notwendigkeit bei TumorpatientInnen zu hinterfragen und zu verschieben. Ist wirklich jeder Eingriff immer zum Wohle der PatientInnen und auch unumgänglich nötig?
Zudem werden Forschung und Lehre zunehmend den virtuellen Austausch suchen, wie sie es jetzt in der Corona-Pandemie notgedrungen für sich entdecken mussten. Virtuelle Plattformen für den gemeinsamen Datenaustausch werden entstehen, welche es weniger notwendig machen werden, sich physisch dafür zu begegnen. Auch die PatientInnen haben in der digitalen Welt viele Möglichkeiten, sich auf diesen Plattformen einzubringen oder zumindest weiter zu informieren.
Unter Telemonitoring wird allgemein der digitale Versand von physiologischen Daten verstanden. Gemeint ist damit, dass elektronische Überwachungsgeräte, wie z.B. Wearables, Smartwatches oder Aktivitätstracker, Daten sammeln und auf Wunsch an einen Empfänger übertragen bzw. für eine zentrale Auswertung speichern. Dadurch wird ermöglicht, dass PatientInnen auch im häuslichen Umfeld postoperativ versorgt werden können, was unter anderem deren Lebensqualität erhöht.
Darüber hinaus reduzierte sich einerseits die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus nach einer OP oder Krebsbehandlung, andererseits zeigte sich in Studien, dass das Risiko für eine Rehospitalisierung durch das Telemonitoring abnahm.
Quelle: Wallis CJD et al., Eur Urol 2020; 78: 731-742