Komplementäre Verfahren in der Onkologie: evidenzbasiert aufklären

Kennen Sie sich mit komplementären Maßnahmen genauso gut aus wie Ihre Patienten? Die S3-Leitlinie hilft bei der evidenzbasierten Gesprächsführung.

Nutzung von komplementärer und alternativer Medizin (CAM):

Viele Methoden, wenig gute Daten

Die Bandbreite an komplementärmedizinischen Maßnahmen ist groß. Sie reicht von biologisch basierten Methoden (Substanzen) über holistische Therapien (z. B. TCM, Homöopathie, Akupunktur) bis hin zu sogenannten Mind-Body-Methoden wie Meditation, Tai Chi und Yoga

Gleichzeitig gibt es seit einigen Jahren eine regelrechte Flut an Publikationen zum Thema CAM, die kaum noch zu überschauen ist und außerdem nicht immer von guter methodischer Qualität ist. Insbesondere mangelt es an fundierter Grundlagenforschung, während Reviews und Metaanalysen unverhältnismäßig zahlreich vertreten sind – oft mit fraglichem Aussagegehalt. 

S3-Leitlinie: aktuelle Evidenz zur Komplementärmedizin 

So ist es nach wie vor schwierig, evidenzbasierte Informationen über CAM zu erhalten. Umso nützlicher ist die kürzlich aktualisierte S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patienten“. Sie bietet einen Überblick über die aktuelle Datenlage zu einzelnen Substanzen und Verfahren. Zudem wird explizit empfohlen, alle Patienten zur Anwendung von CAM zu befragen und auf mögliche Interaktionen hinzuweisen. Denn obwohl viele Betroffene gern auf komplementäre Methoden zurückgreifen, wissen sie oft wenig über mögliche Risiken und Wechselwirkungen.

Ein dort inkludierter Fragebogen zur Nutzung begleitender Maßnahmen und Verfahren hilft dabei, Gefahren bei der Anwendung von CAM zu erkennen; ein Ampelsystem erleichtert die Einordnung:

CAM im Arzt-Patienten-Gespräch

Rot und gelb zeigen Gesprächsbedarf an. So bietet dieser (unter diesem Artikel auch verlinkte) Fragebogen einen niederschwelligen Zugang für ein Arzt-Patienten-Gespräch auf Augenhöhe – theoretisch. In der Praxis sind Leitlinie und Fragebogen allerdings wenig verbreitet, die Druckversion liegt bislang noch in kaum einem Zentrum aus. So wissen viele Patienten (und auch Ärzte und Pflegende) nicht einmal, dass es diese Informationsquelle gibt, und holen sich anderweitig Rat.

Dieses Kommunikationsdefizit müsse dringend ausgeglichen werden, so der Appell beim Deutschen Krebskongress 2024. Ärzte und medizinische Fachkräfte sollten wieder die Hauptansprechpartner für ihre Patienten werden. Dazu müssen sie sich jedoch selbst informieren und regelmäßig fortbilden. Gerade beim Thema CAM ist angesichts der heterogenen Studienlage eine kritische, fachlich fundierte Einordnung unabdingbar.

Quellen:
  1. Hübner, Jutta (Jena): Update komplementärmedizinischer Maßnahmen – was tut sich bei der Evidenz?; Büntzel, Jens (Nordhausen): Checkliste zur Beurteilung von Angeboten der komplementären und alternativen Medizin, Deutscher Krebskongress 2024, Berlin, 21.-24.02.2024.
  2. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen, Langversion 2.0, 2024, AWMF-Registernummer: 032-055OL