Dekolonisierung der Haut gegen schwere Strahlendermatitis

Es könnte so einfach sein: Nase und Körper von Bakterien befreien und damit gravierende Folgen einer Bestrahlung bei onkologischen Patienten verhindern. Doch funktioniert das auch in der Praxis?

Was ist eine akute Strahlendermatitis (ARD)?

Verstärkt Staphylococcus aureus eine akute Strahlendermatitis? 

Bei einigen inflammatorischen Hauterkrankungen wie z.B. der atopischen Dermatitis spielt Staphylococcus aureus in der Pathogenese nachweislich eine Rolle. Ob die Bakterien auch eine Strahlendermatitis auslösen oder verstärken können, ist bislang unklar. In der Theorie könnte die Durchbrechung der Hautbarriere durch die Radiatio zur Proliferation der Bakterien beitragen und proinflammatorische Prozesse in Gang setzen.

Dem ging das New Yorker Forschungsteam mit zwei Studien auf den Grund. In einer ersten Untersuchung wollten sie klären, ob überhaupt eine Assoziation zwischen einer Kolonisation mit Staph. aureus und einer ARD besteht. Für ihre prospektive Kohortenstudie rekrutierten sie 76 Patientinnen und Patienten mit Brustkrebs (n=41) bzw. einer Krebserkrankung im Kopf-Hals-Bereich (n=34), bei denen in kurativer Absicht eine fraktionierte Radiatio mit insgesamt 58,8 Gray Strahlendosis geplant war.

Welche Patienten erlitten eine hochgradige Strahlendermatitis?

Vor Beginn der Behandlung wurden Abstriche aus der Nase, dem bestrahlten Hautareal sowie der Gegenseite entnommen. Während der letzten Bestrahlungswoche wurden die Abstriche wiederholt. Prätherapeutisch hatten 16 Personen (21,1%) einen positiven Nasenabstrich.

Während der Behandlung erlitten alle 76 Teilnehmer eine akute Strahlendermatitis, die meisten Grad 1, etwa ein Drittel jedoch Grad 2 oder 3. Bei diesem Drittel wiederum war die Prävalenz der nasalen Kolonisation vor Therapiebeginn höher als bei denjenigen, die nur eine leichte ARD entwickelten (34,5% versus 12,8%). Am Ende der Therapie war außerdem die Kolonisationsrate an Nase und Haut bei Patienten mit ARD ab Grad 2 signifikant höher als bei denjenigen mit ARD Grad 1.

Für die Forscher lag damit ein Zusammenhang zwischen nasaler Kolonisation mit Staph. aureus und der Entwicklung einer höhergradigen ARD nahe.

Was bringt die bakterielle Dekolonisation vor Radiatio?

Dieser Frage widmeten sich Kost und Kollegen in einer zweiten, randomisierten klinischen Studie. Diesmal wurden 77 Patienten mit denselben Diagnosen eingeschlossen. Davon erhielten 39 eine antimikrobielle Behandlung mit Mupirocin-Nasensalbe 2% zweimal täglich und Chlorhexidinglukonat 4% Waschlotion einmal täglich, und zwar vor der Behandlung sowie alle zwei Wochen währenddessen. Die Vergleichsgruppe mit 38 Teilnehmern erhielt eine normale Basishygiene.

Das Ergebnis: Nach bakterieller Dekolonisation erlitt keiner der 39 Patienten eine höhergradige ARD, in der Kontrollgruppe dagegen knapp ein Viertel. Zudem war die Behandlung sehr effizient. So sanken die Kolonisationsraten in der Interventionsgruppe von 10,8% vor der Behandlung auf 5,4% danach, während sie in der Kontrollgruppe von 16,2% auf 24,3% anstieg.

Fazit für die Praxis

Die beiden Studien legen einen Zusammenhang zwischen einer Kolonisation mit Staph. aureus und der Ausprägung einer akuten Strahlendermatitis nahe. Daraus ließen sich laut den Autoren einfache, sichere und kostengünstige Präventionsmaßnahmen ableiten. Sie plädierten dafür, allen Krebspatienten unabhängig vom Screeningbefund vor der Strahlentherapie eine antibakterielle Prophylaxe zukommen zu lassen.
 

Quelle:
  1. Kost Y et al. Association of Staphylococcus aureus colonization with severity of acute radiation dermatitis in patients with breast or head and neck cancer. JAMA Oncol. 2023;9(7):962-965.

  2. Kost Y et al. Bacterial Decolonization for prevention of radiation dermatitis. A randomized clinical trial. JAMA Oncol. 2023;9(7):940-945.