Rückgang der Krebs-Neudiagnosen in 2020

Die COVID-19-Pandemie stellt nicht nur intensivmedizinisch ein Problem dar, sondern könnte weitere Kollateralschäden nach sich ziehen. Verspätete oder ausbleibende Krebsdiagnosen gefährden ebenso Menschenleben. Eine Audit-Studie aus Italien liefert erste belastbare Daten.

Kollateralschaden: SARS-CoV-2 lässt Krebsdiagnosen sinken

Die COVID-19-Pandemie stellt nicht nur intensivmedizinisch ein Problem dar, sondern könnte nach Ansicht von Pathologen weitere Kollateralschäden nach sich ziehen. Verspätete oder ausbleibende Krebsdiagnosen gefährden ebenso Menschenleben. Eine Audit-Studie aus Italien, einem der in der ersten Coronawelle 2020 am stärksten betroffenen europäischen Staaten, liefert erste belastbare Daten.

In ihrer Studie werteten die Forscher die Zahl der pathologisch bestätigten Erstdiagnosen verschiedener Tumoren in den Wochen 11 bis 20 der Jahre 2018, 2019 und 2020 aus. Das Interesse lag dabei auf den in Italien am häufigsten auftretenden Tumorentitäten: Mamma-, Prostata-, Lungen-, Colon- sowie Blasenkarzinom, Magenkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom, Leberkrebs und das Melanom.

Zahl der Krebsdiagnosen sank signifikant in der Pandemie

Das Ergebnis der Studie ist eindeutig und führt vor Augen, dass das Problem der Kollateralschäden in der Onkologie mittlerweile für die Gesundheit der Patienten signifikante Größenordnungen erreicht. Im Corona-Jahr 2020 sank die Anzahl der Neudiagnosen für Krebs demnach im Allgemeinen um -39% im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen.

Beim Prostatakarzinom nahm die Zahl der Neudiagnosen sogar um -75% ab, beim Blasenkrebs um -66% sowie beim kolorektalen Karzinom um -62%. Beim Non-Hodgkin-Lymphom gab es immerhin noch -37% weniger Neudiagnosen, beim Mammakarzinom waren es 2020 -26% weniger.

Gleichzeitig stieg jedoch das Risiko für spätere Krebsdiagnosen in einem bereits fortgeschrittenen Stadium. So nahm die Zahl der Neudiagnosen von Metastasen allgemein um +79% zu. Verzögerte oder späte Tumordiagnosen erhöhen auch die Mortalität und können somit das Outcome für die betroffenen Patient:innen deutlich verschlechtern.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Autor:innen der Studie diskutieren am Ende ihres Kurzbeitrages, dass der Einbruch der Diagnosen für die einzelnen Tumorentitäten ganz unterschiedlich zu bewerten ist. So ist trotz des Erstdiagnose-Minus von 75% beim Prostatakarzinom eher nicht mit gravierenden Kollateralschäden zu rechnen. Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass selbst 12-monatige Verzögerungen in der Behandlung des Prostatakarzinoms zu keinem signifikant schlechteren klinischen Ergebnis führten. 

Anders verhält es sich allerdings beim kolorektalen Karzinom. Aus einer früheren Studie aus Taiwan ist bekannt, dass das Risiko – beispielsweise an einem Kolonkarzinom zu versterben – mit der Zeit von der Diagnose bis zum Therapiebeginn ansteigt. Bei einem Intervall zwischen 31 und 150 Tagen ist das Mortalitätsrisiko um 51% erhöht (HR = 1,51), bei Verzögerungen über 151 Tage hinaus liegt es hingegen bereits bei 64% (HR = 1,64).

Dies verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig die regelmäßige Darmkrebsvorsorge ist, um die Karzinome frühzeitig diagnostizieren und behandeln zu können. In der Praxis sollten Patient en deshalb auch in Coronazeiten weiter zur Krebsvorsorge beraten werden und ein entsprechendes Angebot erhalten. Für den Darmkrebs oder auch das kolorektale Karzinom bedeutet das in erster Linie iFOBT und/oder Koloskopie – in Anbetracht der Zahlen kann sich dies langfristig nur positiv auf die Gesundheit der Patienten auswirken.

Quelle:
De Vincentiis L et al., Cancer diagnostic rates during the 2020 ‘lockdown’, due to COVID-19 pandemic, compared with the 2018–2019: an audit study from cellular pathology. J Clin Pathol 2021; 74: 187–189. doi:10.1136/jclinpath-2020-206833