Die molekularen Mechanismen, durch die Valproat die Entwicklung stört, sind bislang noch weitgehend unbekannt, resultieren aber wahrscheinlich aus seiner Funktion als Histon-Deacetylase-Inhibitor (in dieser Eigenschaft liegt auch der Einsatz in der Krebstherapie begründet).
Das Team aus Frankreich untersuchte sowohl menschliche Organoide – im Labor gezüchtete, dreidimensionale Cluster menschlicher Zellen – als auch Mäuse, um die Auswirkung einer Valproat-Einnahme auf das Ungeborene zu untersuchen. Valproat führte bei den Mäusen zu Exenzephalie, Mikrozephalie und Rückenmarksdefekten. Sie entdeckten, dass Valproat zelluläre Seneszenz in Neuroepithelzellen auslöst, den Stammzellen, aus denen das zentrale Nervensystem entsteht.
Zelluläre Seneszenz ist eine Form des permanenten Zellzyklusarrests, der als Reaktion auf eine Vielzahl von Stimuli ausgelöst wird. Sie wird durch Aktivierung von Zellzyklusinhibitoren vermittelt.
Nachdem in Vorarbeiten bereits beschrieben war, dass Valproat in bestimmten Situationen zelluläre Seneszenz auslöst, und zwar durch direkte Aktivierung wichtiger Seneszenzmediatoren wie p21, p16Ink4a und p19Arf, untersuchte das Team diese Signalwege näher und stellte fest, dass ein bestimmtes Gen hierfür eine zentrale Rolle spielt. Dieses Gen kodiert für p19Arf, einen Zellzyklus-Inhibitor, der normalerweise im Erwachsenenalter aktiv wird und dazu beiträgt, Krebs- und alternde Zellen aus dem Körper zu entfernen. Obwohl bei Erwachsenen hilfreich, treibt das Molekül bei Embryonen wichtige Zellen in die Seneszenz und stört die Entwicklung des Nervensystems.
Wenn das Team genmodifizierte Mäuse testete, denen p19Arf fehlte, führte die Valproat-Exposition während der Schwangerschaft nicht mehr zu Mikrozephalie (kleine Kopfgröße) oder zu mit ASD assoziierten Veränderungen der Genexpressionsmuster, obwohl das Medikament auch bei diesen Mäusen zu anderen Defekten führte.
"Während die zelluläre Seneszenz seit langem mit Altern und altersbedingten Erkrankungen in Verbindung gebracht wird, zeigen wir nun, dass eine fehlerhafte Induktion der Seneszenz auch zu Entwicklungsstörungen beitragen kann", fasst Erstautorin Muriel Rhinn zusammen.2 "Insgesamt lässt die Entdeckung, dass eine abnorme Aktivierung der Seneszenz im Embryo die Entwicklung stören kann, die Vermutung aufkommen, dass sie auch zu Defekten in anderen als den hier untersuchten Entwicklungskontexten beitragen könnte."
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