Detektiv-Geschichten aus der Welt der Neurologie

Kuriose Symptome, knifflige Anamnesen, unklare Befunde und atypische Verläufe – in der Neurologie können die Fälle so seltsam sein, dass selbst die betreuenden Ärzte Mühe haben, sie zu lösen. Darum geht es in "Brainstorm" – dem neuen Buch einer Neurologin und talentierten Autorin.

Kuriose Symptome, knifflige Anamnesen, unklare Befunde und atypische Verläufe – in der Neurologie können die Fälle so seltsam sein, dass selbst die betreuenden Ärzte Mühe haben, sie zu lösen. Darum geht es in "Brainstorm" – dem neuen Buch einer Neurologin und talentierten Autorin.

Wohl jeder Arzt erlebt im Laufe seines Berufslebens etliche Sonderbarkeiten und lernt Patienten kennen, die einem einfach nicht wieder aus dem Sinn gehen. Geschichten, an die man sich viele Jahre später als unterhaltsame Anekdoten erinnert, kamen einem vielleicht im Moment des Geschehens überhaupt nicht lustig vor und haben einem den Schweiß auf die Stirn getrieben.

Manchmal scheint der Alltag verrückter als jede Fiktion

Unter allen Fachgebieten sind es vor allem immer wieder die Psychologie, Psychiatrie und Neurologie, die mit ihren spannenden Einsichten und komplexen Verläufen schon zu vielen Buchklassikern inspiriert haben. Man denke an die klinischen Geschichten des Neuropsychologen Oliver Sacks ("Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte") oder an die fiktionalen Bücher des emeritierten Stanforder Psychiatrieprofessors Irvin D. Yalom ("Und Nietzsche weinte").

Beides sind Fachgebiete mit immer wieder ergreifenden Schicksalen. Durch kritische Reflexion und zuweilen auch Humor wird das Erlebte erst verdaubar.

Oliver Sacks schrieb: "Meine Arbeit, mein Leben gehört den Kranken aber sie und ihre Krankheit bringen mich auf Gedanken, auf die ich sonst vielleicht nicht kommen würde."
"Meine Patienten stellen mich ständig vor Fragen, und meine Fragen führen mich ständig zu neuen Patienten..."1

Herausfordernde Fälle aus O'Sullivans Epilepsie-Sprechstunde

Das Gehirn kann wohl zurecht als eine der komplexesten Strukturen des Universums bezeichnet werden. Neurologen müssen zuweilen lebensverändernde Diagnosen aus den winzigsten Hinweisen austüfteln das Ultimative in Sachen medizinischer Detektivarbeit.2

Eine der führenden britischen Neurologen und Preisträgerin des "Wellcome Prize 2016" für ihr Buch It's All in Your Head, Suzanne O'Sullivan, nimmt den Leser mit in diese Welt. In 12 Kurzgeschichten folgen wir den Spuren der Symptome ihrer Patienten:
ein Mann, der Cartoon-Figuren durch den Raum rennen sieht; ein Teenager, der eines Tages mit unerklärlich zerrissenen Kleidern nach Hause kommt; ein Mädchen, deren Welt schrumpft wie bei Alice im Wunderland und ein anderes Mädchen, das sich in eine Ragdoll-Katze verwandelt, wenn sie nur daran denkt, sich zu bewegen.2     

Eine Rezension des Buches im aktuellen Lancet betont, wie O'Sullivan die persönlichen Geschichten ihrer Patienten mit klinisch-anatomischen Fakten und einer detailgenauen Herangehensweise an die neurologische Diagnosestellung verbindet.3
Zu jedem Kapitel gibt es wichtige Lernpunkte, die auch für Kollegen, die selten Epilepsiepatienten betreuen, spannend und relevant sein dürften. Abgerundet wird das Ganze mit ungewöhnlichen Krankheitsmanifestationen, Ausflügen in die Elektrophysiologie sowie in die Evolution der kranialen CT und MRT von struktureller zu funktioneller Bildgebung.

"Eine Reise, die die Augen des Lesers für die unfassbaren Feinheiten des Gehirn öffnet", schreibt der Herausgeber.2 Wir hoffen, Ihnen mit diesem Beitrag vielleicht ein wenig Lust aufs Lesen gemacht zu haben!

Referenzen:
1. Oliver Sacks, M.D. The Man Who Mistook His Wife for a Hat. (1985).
2. Brainstorm. Available at: https://www.penguin.co.uk/books/111/1112515/brainstorm/9781784741310.html. (Accessed: 22nd October 2018)
3. Gorelick, P. B. Epilepsy “detective stories” for the curious neurologist. The Lancet Neurology 17, 938 (2018).