Katheterablation bei Kindern und Neugeborenen: Indikationsstellung und Risiken
Tachykarde Herzrhythmusstörungen bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen lassen sich postnatal per Ablation therapieren. Dieses Verfahren ist in diesem jungen Lebensalter sehr anspruchsvoll und war Thema beim EHRA-Kongress 2022.
Supraventrikuläre Tachykardie bei Neugeborenen und Kindern
- In den meisten Fällen kann die Supraventrikulare Tachykardie (SVT) mittels Antiarrhythmika behandelt werden.1-3
- Eine SVT, die aufgrund eines Wolff-Parkinson-White-Syndroms im Säuglingsalter beginnt, kann auch wieder verschwinden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit des Wiederauftretens in der späteren Kindheit.1-3
- Tritt die SVT nach dem 5. Lebensjahr auf, so bleibt sie bei mehr als 75% der Patienten bestehen.1-3
- Bei 60-90% der Kinder mit Atrioventrikularknoten-Reentrytachykardie (AV-Knoten-Reentrytachykardie) oder Wolff-Parkinson-White-Syndrom kommt es bis zum 5. Lebensjahr zu keinem SVT-Rückfall nach Therapieabbruch im Alter von 6-12 Monaten.1-3
Fokale atriale Tachykardie bei Neugeborenen und Kindern
- Die fokale atriale Tachykardie (FAT) ist eine seltene Form der supraventrikulären Tachykardie. Der Ursprung der Erregung ist ein ektoper Fokus im Vorhof.1,4
- Bei 28% der Patienten kommt es zu einer Kardiomyopathie.1,4
- First-Line-Therapie erfolgt in den meisten Fällen medikamentös. Am wirksamsten sind hier Betablocker.1,4
- Die Katheterablation ist bei 80% der Patienten erfolgreich.1,4
- In 34% der Fälle bessert sich die fokalen atriale Tachykardie spontan.1,4
- Bei der fokalen atrialen Tachykardie ist eine Katheterablation auch erst im späteren Verlauf möglich. Hier empfiehlt es sich erst eine spontane Besserung abzuwarten und derweil medikamentös zu therapieren.1,4
Katheterablation bei Kindern und Neugeborenen
- Die korrekte Indikationsstellung ist der entscheidende Schritt bei der Ablationstherapie bei Kindern und Neugeborenen.1
- Der Katheterablation geht eine Therapieentscheidungsalgorithmus voraus, der u.a. den medikamentösen Kardioversionsversuch mittels Adenosin und Amiodaron, sowie das transösophageale Overdrive-Pacing beeinhaltet.1
Therapieentscheidungsalgorithmus an einem Beispielpatienten
Tachykardes Neugeborenes im schlechten Allgemeinzustand. Es liegt eine supraventrikuläre Tachykardie mit eingeschränkter Pumpleistung vor. Das Neugeborene weist folgende Parameter auf: Alter=3 Monate alt, Körpergewicht=5 kg, Herzfrequenz=265/min, pH=6,9, Laktat=-8, BE=-15.
- Aus therapeutischer Sicht gibt es wenige Möglichkeiten.1
- Die Kardioversion durch Adenosin-Bolus ist eine Möglichkeit.1
- Ist dies nicht möglich, dann ist der nächste Schritt die Amiodarongabe. Bei der Therapieentscheidung spielt der potentiell negativ inotrope Effekt von Amiodaron zur Kardioversion von Neugeborenen eine Rolle.1
- Bei vielen anderen Tachyarrythmien, die nicht auf die medikamentöse Therapie reagieren, kann eine transösophageale Overdrive-Pacing durchgeführt werden. Diese Methode dient u.a. dazu sicherzustellen, dass die Katheterablation die einzige verbleibende therapeutische Option ist. Gleichzeitig kann der potentiell negativ inotrope Effekt einer Amiodarongabe abgefangen werden. Liegt die Pacing-Frequenz deutlich über der Herzfrequenz des Patienten, so kann diese reduziert werden. Der Grund dafür ist das Hervorrufen eines AV-Blocks im AV-Knoten. Die schnelle Pacing-Frequenz kann nicht 1:1 übertragen werden. Auf diese Weise kann die Herzfrequenz reduziert und der kardiale Output während des transösophagealen Overdrive-Pacing verbessert werden.1
- Waren all diese therapeutischen Maßnahmen erfolglos so ist der nächste Schritt die potentiell risikobehaftete Katheterablation.1
Aus dem Therapieentscheidungsalgorithmus geht hervor, dass der Katheterablation in den meisten Fällen andere Kardioversionsversuche vorausgehen. Im klinischen Alltag ist die korrekte Indikationsstellung zur Katheterablation entscheidend. Da die Katheterablation mit Risiken einhergehen kann gestaltet sich diese Indikationsstellung äußerst streng.1
Probleme und Risiken einer Katheterablation
- Schwierige anatomische Ausgangssituation hinsichtlich Zugangs für die Katheterablation.1
- Eine Verletzung der Koronarien.1
- Eine Zunahme der mit der Kathetersonde gesetzten Läsionen in den weiteren Lebensjahren.1
- Ein AV-Block.1
- Eine Herzperforation.1
- Bei 0,12%-1,8% der Kinder kann es zum Tod nach Katheterablation kommen.1
- Je jünger (<5 Lebensjahren) und kleiner (<15 kg Körpergewicht) die Patienten sind, desto höher sind die Risiken einer Katheterablation.1
Zum Schluss berichtet Gebauer noch von den 2021 publizierten Daten des EUROPA-Registers. Anbei die wichtigsten Stichpunkte zum EUROPA-Register.1,5
Europäisches multizentrisches pädiatrisches Katheterablations-Register EUROPA
- Prospektive Datensammlung zur Katheterablation bei pädiatrischen Patienten (≤18 Jahre) von Juli 2012 bis Juni 2017.1,5
- 55,7% der Patienten hatten eine AV-Knoten-Reentrytachykardie oder eine SVT bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom.1,5
- Bei 3,5% der Patienten lag eine ventrikuläre Tachykardie und bei 2,9% eine fokale atriale Tachykardie vor.1,5
- Größere Komplikationen traten bei lediglich 0,7% der Patienten auf.
- Es wurde kein persistierender AV-Block gemeldet.1,5
- Bei 7,8% der Patienten ein kam es nach Katheterablation zu einem erneuten Auftreten der Tachykardie.1,5
Die Datenauswertung des EUROPA-Registers belegt die hohe Wirksamkeit und Sicherheit der Katheterablation bei unterschiedlichen Tachykardie-Entitäten im Kindesalter. Gleichzeitig zeigt sich hier eine außergewöhnlich niedrige Komplikationsrate, sowie ein hoher Langzeiterfolg. Eine Ausnahme bildet jedoch die Katheterablation bei ventrikulärer Tachykardie. Hier lag die Rezidivrate bei 33%.1,5
Fazit für die Praxis
- Supraventrikuläre Tachykardien sind die häufigsten Formen von symptomatischen Tachyarrhythmien bei pädiatrischen Patienten.
- Bei einigen Tachykardie-Entitäten ist eine spontane Ausheilung möglich.
- Der Indikationsstellung für eine Katheterablation gehen andere therapeutische Verfahren voraus.
- Die Katheterablation kann in einem geringen Prozentteil der Fälle mit Risiken einhergehen. Hier gilt: Je jünger und kleiner die Patienten, desto höher die Risikorate.
1. Roman Gebauer, University of Leipzig, Heart Center - Leipzig, Germany, Ablation in children and neonates: technical and procedural aspects, Ablation and device therapy in the pediatric population, EHRA 2022 Kopenhagen, 5 April - 14:05 Uhr.
2. Ko J. K. et al. (2004). Use of Transesophageal Atrial Pacing for Documentation of Arrhythmias Suspected in Infants and Children. pn Heart J. 2004 Jan;45(1):63-72.
3. Perry J. C. et al. (1990). Supraventricular tachycardia due to Wolff-Parkinson-White syndrome in children: early disappearance and late recurrence. J Am Coll Cardiol. 1990 Nov;16(5):1215-20.
4. Kang K.T. et al. (2004). Current management of focal atrial tachycardia in children: a multicenter experience. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2014 Aug;7(4):664-70.
5. Krause U. et al. (2021).Pediatric catheter ablation at the beginning of the 21st century: results from the European Multicenter Pediatric Catheter Ablation Registry ‘EUROPA’. Europace (2021) 23, 431–440 doi:10.1093/europace/euaa325.