Die Evidenzlage zum Diabetes-Risiko durch inhalative Kortikosteroide (ICS) war bislang ambivalent. Eine aktuelle, große Real-World-Studie liefert wertvolle nationale Registerdaten aus der Primärversorgung.
Beeinflussen inhalative Kortikosteroide (ICS) das Diabetes-Risiko von COPD‑Patienten? Bisherige Studienergebnisse waren durchwachsen. Einige frühere Arbeiten brachten insbesondere hoch dosierte ICS mit einem erhöhten Risiko für Neuerkrankung und Verschlechterung eines bestehendes Diabetes in Zusammenhang, während andere Studien keine solche Assoziation berichteten.
Wissenschaftler der Universität Uppsala, Schweden, analysierten daher Daten hoher Qualität von über siebentausend Patienten.1 Da diese aus Praxen der Grundversorgung stammten, dürften die Beobachtungen repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung und die klinische Praxis sein.
In einem kürzlichen Beitrag hatten wir den weit verbreiteten Über-/ Fehlgebrauch von ICS thematisiert.
Zum Zeitpunkt der Studie war die Grundsituation bezüglich der ICS‑Therapie in Schweden der anderer Länder vergleichbar: die nationalen Leitlinien empfahlen den Einsatz von ICS nur in Kombination mit langwirksamen Beta‑2-Sympathomimetika (LABA) für Patienten mit einer FEV1 (Einsekundenkapazität) < 50% und Exazerbationen in der Vorgeschichte. Dennoch ging aus Real-World-Erhebungen hervor, dass viele Patienten in den GOLD-Stadien A und B ebenfalls ICSs/ LABA erhalten.2 Dies könne ein Hinweis dafür sein, dass mehr Patienten den potenziellen Risiken einer ICS‑Therapie ausgesetzt seien als nötig, meinen die Autoren.
Um auf die Effekte inhalativer Steroide zu fokussieren, wurden Patienten ausgeschlossen, die im Studienzeitraum sowie im vorhergehenden Jahr mehr als einmalig orale Steroide (OCS) erhalten hatten. Für die Analyse verblieben sodann 7.078 COPD-Patienten mit einem Durchschnittsalter von 68,6 Jahren (55,7% Frauen). Hiervon entwickelten 418 (5,9%) im Nachverfolgungszeitraum einen Diabetes Typ 2. Die kumulative 5‑Jahres‑Inzidenzrate pro 100.000 Personenjahre lag bei 1.507 und die jährliche Inzidenzrate pro 100.000 Personenjahre bewegte sich zwischen 850 und 1.919.
Im Vergleich zur Referenzkohorte (ohne ICS-Therapie) erhöhte sich das relative Risiko für die Neuentwicklung eines Typ‑2-Diabetes nach Exposition mit ICS signifikant: für Patienten unter stabiler niedriger ICS‑Dosis um 32% (p = 0,0201) und für Patienten unter kontinuierlicher hoher Dosis um 64% (p = 0,0088).
Hohe, aber nicht stabile Dosen waren sogar mit einer Verdopplung des Risikos verknüpft: bei schwankendem Gebrauch lag es um 96 % (p = 0,0234) und bei Wechsel von stabiler niedriger zu stabiler hoher Dosis um 100 % höher (p = 0,0088).
Nicht dosisabhängig schien dagegen die Zeitspanne bis zur Entwicklung eines Diabetes zu sein, hier waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den ICS‑Dosisgruppen zu beobachten.
Zu den Limitationen der ansonsten guten und wertvollen Studie gehört das retrospektive Design. Es gilt, eine Fülle weiterer Faktoren, die das Erkrankungsrisiko ebenfalls beeinflussen, zu berücksichtigen, wofür hier sicherlich nur zum Teil Daten vorlagen.
Eine Korrektur für Hypertonus und Herzinsuffizienz wurde jedoch durchgeführt, diese blieb ohne signifikanten Einfluss auf das Ergebnis.
Die Resultate stehen in Einklang mit denen etlicher anderer Arbeiten, unter anderem mit denen einer sehr großen Kohortenstudie von 2019, die sich auf zwei britische Datenbanken stützte.3 Eine Langzeit-Therapie mit durchschnittlichen ICS-Dosen > 500 µg/ Tag ging auch hier mit einem signifikant erhöhten Risiko für Diabetes (Neuauftreten sowie Progress) und Osteoporose einher. Die Thematik verdient daher weitere Evaluation.
Referenzen:
1. Ställberg, B. et al. Inhaled corticosteroids and the risk of type 2 diabetes among Swedish COPD patients. npj Primary Care Respiratory Medicine 30, 1–3 (2020).
2. Sundh, J. et al. Factors influencing pharmacological treatment in COPD: a comparison of 2005 and 2014. European Clinical Respiratory Journal 4, 1409060 (2017).
3. Price, D. B. et al. Inhaled corticosteroids in COPD and onset of type 2 diabetes and osteoporosis: matched cohort study. npj Primary Care Respiratory Medicine 29, 1–13 (2019).