AID-Systeme: Einführung in die Technik
Systeme zur Automatischen Insulin-Dosierung (AID) sowie ihre Anwendung im Praxisalltag weckten auf der Diabetes-Herbsttagung 2022 großes Interesse. Humanbiologe Dr. Stefan Pleus erklärte Funktionsweise und Technik.
Die 4 Bausteine der AID-Systeme
AID-Systeme hätten die Glukosekontrolle mit nur minimalen bzw. ohne Eingaben durch die Patienten selbst zum Ziel. Der Aufbau der AID-Systeme beruhte Pleus zufolge auf 4 Bausteinen. CGM-Systeme seien ein wesentlicher Bestandteil davon und dienten der kontinuierlichen Messung des Glukosegehalts in der Gewebsflüssigkeit im Bereich des Unterhautfettgewebes. Diese CGM-Systeme seien entweder bereits kalibriert oder müssten noch mittels Blutproben kalibriert werden. Pleus empfahl bei Erstbenutzung eines AID-Systems eine Kontrolle der Blutglukosewerte mit anschließendem Vergleich der Messwerte. Neben dem CGM-System benötige ein AID-System eine Insulinpumpe sowie ein Steuerungselement mit Algorithmus. Der vierte Baustein eines AID-Systems sei Pleus zufolge die sichere und zuverlässige Datenübertragung innerhalb des Systems.1
Das Wichtigste zu AID-Systemen
Den Systemen zur automatisierten Insulin-Dosierung unterliegt das Grundprinzip der teilautomatisierten Insulinabgabe. Sie bestehen aus drei Komponenten:
- Insulinpumpe
- System zur kontinuierlichen Glukosemessung (rtCGM)
- Algorithmus zur Berechnung von Insulindosierungen basierend auf Glukosewerten
Die verschiedenen AID-Systeme unterscheiden sich durch ihre Algorithmen, Eingabe- und Steuerungsmöglichkeiten voneinander. Gemein ist allen AID-Systemen, dass sie die natürliche Funktion einer stoffwechselgesunden Bauchspeicheldrüse nachahmen. Ein großer Vorteil der AID-Systeme -verglichen mit der manuellen Gabe von Insulin- ist die Reduktion von Glukoseschwankungen. Dies gilt vor allem für das nächtliche Auftreten von Hypoglykämien. Es gibt insgesamt vier Entwicklungsstufen von AID-Systemen: Hybrid-AID-Systeme, Advanced Hybrid-AID-Systeme, vollständig geschlossene AID-Systeme und bihormonelle AID-Systeme.2,3
Glukosemessung mittels CGM-System
Mit Hilfe eines elektrochemischen Glukoseoxidase-Sensors im Bereich des Unterhautfettgewebes sei eine Glukosemessung mittels CGM-System möglich. Die Glukoseoxidase wandle Pleus zufolge Glukose in Wasserstoffperoxid und Glukunolacton um. Das Wasserstoffperoxid erzeuge anschließend an der Elektrode einen Stromfluss. CGM-Sensor messe genau diesen Stromfluss. Es erfolge keine direkte Glukosemessung, wie es bei einer Massenspektrometrie der Fall wäre, betonte Pleus. Die Ergebnisse des gemessenen Stromflusses müssten erst durch das System umgerechnet werden, bevor sie interpretiert werden könnten. Dies sei durch die bereits zuvor erfolgte Kalibrierung möglich. Erst dann könnten die so gewonnenen Glukosewerte am Anzeige-Gerät abgelesen werden.1
Vorteile der CGM-Systeme
CGM-Systeme würden Pleus zufolge einige Vorteile gegenüber der manuellen Glukosemessung bieten. Die kontinuierliche Messung der Gewebeglukosewerte ginge einher mit:
- Mehr Informationen durch häufigere Werte
- Darstellung älterer Werte als Kurve
- Trendpfeil
- Glukosalarm1
Nachteile der CGM-Systeme
Nachteile von CGM-Systemen seien eine Zeitverzögerung („Time lag“). Es gäbe einen Unterschied zwischen Blut- und Gewebeglukosewerten. Tracer-Studien zufolge läge die physiologische Zeitdifferenz bei etwa 6 Minuten. Dies sei die Zeit, die benötigt werde, damit die Glukose aus den Kapillaren in das Unterhautfettgewebe bis hin zu den Zielzellen (z.B. Muskel-/Fettzellen) diffundiere. Diese physiologische Komponente der Zeitverzögerung hänge auch von der individuellen Durchblutung ab. Die Enzymreaktion im Sensor sowie die Signalverarbeitung (Rauschentfernung) stelle die technische Komponente des "Time lag" dar.1
Zeitverzögerung moderner CGM-Systeme
Pleus informierte das Auditorium über die Zeitverzögerung moderner CGM-Systeme. Diese läge bei 5 bis 15 Minuten. Er hob die starke Variabilität dieser Zeitwerte zwischen den unterschiedlichen Anwendern hervor. Weitere Einflussfaktoren seien mögliche Abhängigkeit vom Glukosebereich, Sensorbeschichtung und CGM-Algorithmen (Kalibrationsalgorithmen). Die Zeitverzögerung müsste bei der Entwicklung von Kontrollalgorithmen berücksichtigt werden.1
Kalibrierung von CGM-Systemen
Pleus informierte in seinem Vortrag die Zuhörerschaft darüber, dass manche CGM-Systeme von Hand kalibriert werden müssten. Hierfür seien genaue Glukosemessungen notwendig. Die Kalibration sollte zu Zeiten stabiler Blutglukosewerte erfolgen. Eine gute Kalibration sei ausschlaggebend für die spätere Messgenauigkeit.1
Fazit für die Praxis:
- 4 Bausteine der AID-Systeme:
- CGM-Systeme
- Insulinpumpe
- Steuerungselement mit Algorithmus
- sichere und zuverlässige Datenübertragung innerhalb des Systems
- Glukosemessung mittels CGM-System durch elektrochemischen Glukoseoxidase-Sensors im Bereich des Unterhautfettgewebes
- Vorteile der CGM-Systeme:
- Mehr Informationen durch häufigere Werte
- Darstellung älterer Werte als Kurve
- Trendpfeil
- Glukosalarm
- Nachteile der CGM-Systeme: Zeitverzögerung ("Time lag")
- Eine gute Kalibration sei ausschlaggebend für die spätere Messgenauigkeit
- Pleus, Stefan, Dr. biol. hum., AID - BGM, CGM, Pumpe Was muss ich wissen! AID Systeme im Praxisalltag, RheinMain CongressCenter Wiesbaden, 25.11.2022, 16:30-18:00 Uhr.
- https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_lexikon/aid-system
- https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_lexikon/cgm-continuous-glucose-monitoring