Mensch oder Maschine?

Die digitale Medizintechnik wird mehr und mehr die ärztliche Tätigkeit bestimmen und damit auch die Rolle der ÄrztInnen und ihre Behandlungen verändern. Das kann Fluch und Segen zugleich sein. Daher sollte der Wandel aktiv gestaltet werden.

Die Wissenschaft im Zeitalter der Digitalisierung

Die digitale Medizintechnik wird mehr und mehr die ärztliche Tätigkeit bestimmen und damit auch die Rolle der ÄrztInnen und ihre Behandlungen verändern. Das kann Fluch und Segen zugleich sein. Daher sollte der Wandel aktiv gestaltet werden.

Der "gläserne Patient" – dieses Schlagwort ist längst keine Zukunftsvision mehr. Die Digitalisierung und Vernetzung im Gesundheitswesen wird immer mehr vorangetrieben und hält Einzug in viele deutsche Kliniken. Maschinen können ein Segen sein, denn sie unterstützen in der Optimierung von Entscheidungen und Planung, verbessern die Effizienz, Effektivität und Sicherheit und ermöglichen einen intensiveren Arzt-Patienten-Kontakt. Prozessoptimierungen oder die Roboter-assistierte Chirurgie eröffnen viele Chancen, machen das System hinsichtlich kapitalisierbarer Daten aber auch verletzlich. Darüber hinaus können Maschinen auch eine Überlastung von ChirurgInnen, einen Verlust des ärztlichen Handelns sowie Maschinen-induzierte Komplikationen triggern.

Weniger Krankenhäuser, bessere Versorgung

Lange sah es so aus, als würde sich vor allem der Krankenhaussektor dem neuen Markt verweigern. Inzwischen ist deutlich geworden, dass vor allem niedergelassene ÄrztInnen den Weg in die Zukunft scheuen. Die aktuelle Situation im Krankenhaus sieht jedoch so aus, dass trotz Personalmangels immer mehr Patientinnen und Patienten stationär behandelt und insgesamt mehr Operationen durchgeführt werden. Das resultiert aus den vielen im Wettbewerb stehenden Kliniken und fehlenden Anreizen im Vergütungssystem. Der Blick ist auf die Kostendeckung gerichtet, nicht auf die Qualität. Einer aktuellen Analyse nach führt das in Deutschland zu der paradoxen Situation, dass es pro EinwohnerIn mehr Klinikpersonal gibt als in anderen Ländern, pro PatientIn aber deutlich weniger. Die Bertelsmann Stiftung hat ein Szenario entworfen, das die Krankenhaus-Landschaft zukunftsfähig machen soll. Demnach müsste die Anzahl der Krankenhäuser deutlich reduziert werden und die stationäre Versorgung auf wenige größere Kliniken konzentriert werden. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Bevölkerung empfindet die Schließung eines Krankenhauses als Verlust und auch die Politik bangt dann um ihren Einfluss. Was also tun?

Die ÄrztInnen nehmen die Sache jetzt selber in die Hand und richten sich mit einem Appell gegen das Diktat der Ökonomie in den Krankenhäusern. Sie fordern eine grundlegende Reform des Fallpauschalensystems, den Stopp der ökonomisch gesteuerten Über- bzw. Untertherapie sowie eine Planung und gute Ausstattung von Krankenhäusern an Orten, wo diese wirklich benötigt werden von Seiten des Staates. Auch, wenn letzteres den Mut erfordert, mehrere Kliniken zu einem größeren, leistungsfähigeren und personell besser ausgestatteten Zentrum zusammenzuführen. Denn laut Berufsordnung für ÄrztInnen ist deren erste Aufgabe, der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung zu dienen.

Quelle:
Manzeschke, Arne, Prof. Dr. theol., Nürnberg, Melzer, Andreas, Prof. Dr. med., Mainz, Miller, Kurt, Prof. Dr. med., Berlin, Peukert, Jens, Dr. med., Hamburg, Hakenberg, Oliver, Prof. Dr. med., Rostock, Symposium: Plenum – Mensch, Maschine, Medizin, Wissenschaft, 71. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU), Hamburg, 20. September 2019.