Pro oder Contra: Löst COVID-19 Autoimmunerkrankungen aus?

Eine Pro- und Contra-Debatte beleuchtete den Zusammenhang von Covid-Infektionen und Autoimmunerkrankungen.  Die Frage ist: Gibt es ihn überhaupt?

Interviews mit Dr. Hasseli-Fräbel und Prof. Schulze

Es handelt sich um normale Immunreaktionen

Nach der Virusinfektion wurden häufig Phänomene wie Gefäßentzündungen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen beobachtet, die ziemlich rasch als autoimmune Erkrankungen definiert wurden. Das ist streng genommen nicht korrekt, sagt Prof. Schulze-Koops, weil das Immunsystem nach vielen Virusinfektionen solche vorübergehenden Angriffe gegen körpereigene Strukturen entwickeln kann. Das geschieht bei Influenza, aber auch beim Epstein-Barr-Virus und anderen Infektionen. Diese lösen sich in der Regel von allein wieder auf und werden nicht chronisch. Dauerhafte, chronische Immunreaktionen gegen körpereigenes Gewebe mit Zerstörungen des Gewebes zeigen sich nach Corona-Infektionen extrem selten. Schulze-Koops: "Derartige Erkrankungen nach Corona gibt es so gut wie gar nicht."

Vorübergehende Reaktionen nach Corona-Infektionen gibt es also durchaus - ebenso wie nach vielen anderen Infektionen. Es kommt dabei zur Aktivierung des gesamten Immunsystems, da ein Virus eine Gefahr für den Körper darstellt. Entsprechende Signale aktivieren das Immunsystem. Das virusinfizierte Zellmaterial wird somit aus dem Körper entfernt, dabei können auch nicht beteiligte körpereigene Strukturen angegriffen werden - ein normaler physiologischer Abwehrmechanismus. Der Körper ist danach in der Lage, die überschießende Immunreaktion innerhalb von sechs Wochen bis drei Monaten wieder zu beenden. Während dieser Zeit kann es allerdings zu klinischen Komplikationen kommen - wie etwa Herzrhythmusstörungen oder auch Gelenkentzündungen. Aber in der Regel bekommt der Körper das selbst in den Griff. Und das ist dann eben keine chronische Autoimmunerkrankung. Publikationen, die etwas Gegenteiliges nahelegen, beziehen sich auf Autoimmunphänomene zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem es die Rheumatologie noch nicht als Erkrankungen definiert. Auffällig ist dabei zudem, dass diese Phänomene bei Männern und Frauen gleichermaßen vorkommen, während manifeste Autoimmunerkrankungen bei Frauen zwischen 3 bis 10 mal häufiger vorkommen. Allein das spricht gegen eine Autoimmunerkrankung und vielmehr für eine klassische, bei Männern und Frauen gleich verlaufende Abwehrreaktion gegen das virusinfizierte Gewebe. 

Momentaufnahmen zeigen erhöhte Assoziation von Corona und Autoimmunerkrankungen

Indizien für einen Zusammenhang von Corona-Infektionen mit der Entstehung von Autoimmunerkrankungen sieht Dr. Hasseli-Fräbel. Sie bezieht sich unter anderem auf Daten aus der TU Dresden. Dort wurden 39 Millionen Krankenkassendaten ausgewertet. In der Zeitspanne von 2020 bis 2021 zeigte sich eine um 43 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Allerdings beziehen sich diese Zahlen auf ICD-Codes. Das heißt, es muss nicht unbedingt das ganze Bild der Erkrankung vorliegen, wenn der entsprechende ICD-Code verwendet wird. Es wurde ein Unterschied gemacht zwischen einer autoimmunen Erkrankung, die medikamentös therapiert werden musste und solchen, wo dies nicht der Fall war. Hier zeigen sich wesentlich geringere Assoziationen zwischen Corona-Infektionen und Autoimmunerkrankungen - sie sind nur noch bis zu dreifach erhöht. Aber unklar ist, ob das Vollbild einer Autoimmunerkrankung vorliegt oder ob die Symptomatik im Laufe der Zeit wieder zurückgeht. 

Eine weitere Arbeit hat 88 800 Personen, die positiv bzw. negativ auf Sars-Cov-2 getestet wurden, verglichen. In der positiv getesteten Kohorte zeigte sich eine höhere Assoziation für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Das sind Momentaufnahmen, offen ist, ob es sich um Immunphänomene handelt, die sich im Verlauf von selbst zurück entwickeln. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es unter der Covid-Infektion zu einer Zunahme von verschiedenen Entzündungsmediatoren kommt, zu einer Hyperinflammation, und diese könnten zusammen mit anderen Veranlagungen und Faktoren Autoimmunerkrankungen triggern. Ein kausaler Zusammenhang ist derzeit allerdings nicht nachweisbar. 

Die DGRh hat zu den Daten klar Stellung bezogen: Man kann aus einem Immunphänomen nicht schließen, dass es zur Manifestation einer Autoimmunerkrankung führt. 
 

Quelle:

  1. COVID: Post-Covid, Long COVID, Autoimmunität nach COVID oder Impfung, Registerdaten... Deutscher Rheumatologiekongress 2023 in Leipzig, 10:30 -12:00 Uhr, 02. September 2023. 

Weitere Informationen vom Rheumatologiekongress 2023

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