Update Typ-1-Diabetes
Was ist neu bei Diagnostik und Therapie des Typ-1-Diabetes? Prof. Dr. Thomas Haak erklärt die Tücken der Diagnostik und das Phänomen Doppeldiabetes.
Interview mit Prof. Dr. Karsten Müssig
Der Typ-1-Diabetes verläuft in 3 Stadien
In allen 3 Stadien sind mindestens zwei persistierende Autoantikörper nachweisbar. Im ersten Stadium herrscht noch Normoglykämie. Tritt das zweite Stadium ein, so liegt bereits eine Dysglykämie vor: Der IFG-Wert beträgt 100-125 mg/dl (5,6-7 mmol/l) oder der HbA1c-Wert befindet sich zwischen 5,7-6,4% (39-47 mmol/mol). Im dritten Stadium kommt es dann zu Stoffwechseldekompensation mit Eintritt einer Hyperglykämie mit einem IFG ≥ 126 mg/dl (7 mmol/l) oder einem HbA1c ≥ 6,5% (11,1 mmol/mol).1
Äthiopathogenese des Typ-1-Diabetes noch unklar
Beim Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine chronische immunvermittelte Erkrankung, die mit einer selektiven Zerstörung insulinproduzierender β-Zellen einhergeht. Die hierzu führenden Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Genetische Faktoren können eine prädisponierende oder eine schützende Rolle spielen. Bakterielle Infektionen scheinen ebenso protektiv zu wirken. Der zugrundeliegende Mechanismus ist hierbei noch unklar. Die Beeinflussung vom Mikrobiom mittels Probiotika konnte im Tiermodell das Auftreten eines autoimmunen Diabetes verhindern. In der prospektiven TEDDY-Studie wurde ein Zusammenhang von Inselautoimmunität und dem Zeitpunkt des ersten Kontakts von Säuglingen mit Probiotika untersucht. Hier konnte gezeigt werden, dass je früher die Probiotikagabe (in den ersten 4 Lebenswochen) erfolgte, desto geringer das Risiko für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes war. Viren hingegen sind dem gehäuften Auftreten von Typ-1-Diabetes assoziiert. So sind z.B. Enteroviren positiv mit dem Typ-1-Diabetes vergesellschaftet. Möglicherweise liegt hier ein molekulares Mimikry vor oder es lässt sich auf direkt zytotoxische Effekte der viralen Infektion zurückführen. Eine hohe Anzahl an respiratorischen Infekten in der Kindheit ist ebenso mit dem vermehrten Auftreten von Typ-1-Diabetes verbunden.1
Tücken bei der Diagnostik des Typ-1-Diabetes
Die sehr aufwendige Bestimmung der Inselzell-Antikörper (ICA) wird nicht mehr empfohlen. Der immer noch sehr häufig durchgeführte Nachweis der Glutamin-Decarboxylase-Antikörper (GADA) kann zu unspezifischen Ergebnissen bei älteren Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes führen. GADA-Antikörper sind bei 70-80% der neu diagnostizierten Typ-1-Diabetiker nachweisbar. Die Tyrosin-Phosphatase-IA-2-Antikörper (IA-2A) werden bei Kindern und Jugendlichen bestimmt. Sie sind bei diesen jungen Typ-1-Diabetikern in 60-70% der Fälle messbar. Bei 60-80% der Kleinkinder mit Typ-1-Diabetes können Insulin-Autoantikörper (IAA) bestimmt werden. Zu beachten ist hierbei, dass eine vorherige Insulingabe zu einer zusätzlichen Bildung dieser Autoantikörper führen und das Ergebnis verfälschen kann. Bei erwachsenen Typ-1-Diabetikern liegen IAA in 40% der Fälle vor. Zinktransporter-8-Antikörper liegen bei 60-80% der Kinder und Jugendlichen mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes vor. Haak betonte in seinem Vortrag, dass das klinische Bild gemeinsam mit der Bestimmung der C-Peptide für die Diagnostik entscheidend sei. Diese beiden Punkte würden in der Diagnostik des Typ-1-Diabetes eine durchaus größere Rolle spielen als die Bestimmung der Autoantikörper.1
Doppeldiabetes: Mythos oder Wahrheit
Haak stellte die Frage in den Raum, ob eine Person mit langjährigem Typ-1-Diabetes und einem fehlenden C-Peptid einen Typ-2-Diabetes entwickeln könnte. Er stellte hierzu ein kurzes Patientenbeispiel vor: Eine erwachsene Patientin mit Typ-1-Diabetes und einem C-Peptid-Wert von 0 entwickelte eine Insulinresistenz (> 100 E Tagesbedarf). Es kam zu einer zunehmenden Entgleisung der Stoffwechsellage. Therapeutisch kam zwar eine Dosiserhöhung des Insulins in Frage, dies wurde jedoch aufgrund der Gefahr einer weiteren Gewichtszunahme verworfen. Weitere therapeutische Möglichkeiten in diesem Fall waren Metformin, GLP-1-Analoga und DDP-IV-Hemmer. SGLT2-Hemmer hingegen wurden nicht in Erwägung gezogen, da sie kontraindiziert waren.1
Technische Neuerungen in der Behandlung des Typ-1-Diabetes
Haak stellte dem Auditorium die aktuellen Therapiekonzepte zur Behandlung des Typ-1-Diabetes vor. Hinsichtlich der Pharmakotherapie gab es kaum Veränderungen. Die Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Stoffwechselkontrolle, Schulung und psychosoziale Betreuung dominierten weiterhin das Therapiekonzept bei Typ-1-Diabetes. Anders sah es bei der technischen Versorgung der Typ-1-Diabetiker aus. Hier hatte sich einiges in der Entwicklung der AID-Systeme getan. Glukose-Sensoren seien Standard der intensivierten Insulintherapie geworden und auch die technischen Entwicklungen in Richtung Closed-Loop verliefen rasant, so Haak.1
Fazit für die Praxis
- Das klinische Bild und die Bestimmung des C-Peptid-Wertes spielen in der Diagnostik des Typ-1-Diabetes eine größere Rolle als der Autoantikörper-Status.
- Ein Typ-1-Diabetes mit Insulinresistenz wird als Doppeldiabetes bezeichnet (Kodiervorschlag der DDG an das INEK).
- Die Äthipathogenese des Typ-1-Diabetes ist weiterhin unklar.
- Die frühzeitige Probiotikagabe im Säuglingsalter verringert das Risiko für das Auftreten eines Typ-1-Diabetes (TEDDY-Studie).1
Haak, Thomas, Professor, Dr. med., Symposium des Ausschusses Pharmakotherapie des Diabetes, Internationale Consensus Empfehlungen 2021/2022 (ADA,EASD,KDIGO): Was ist unterm Strich neu? Typ-1-Diabetes, Vorsitz: Klein H., Fritsche A, Diabetes, Kongress der Deutschen Gesellschaft für Diabetes 2023, Berlin, 14:00 Uhr, 18. Mai. 2023.