Wenn psychische Aspekte der Gesundheit in den Vordergrund rücken – ungeachtet ihrer Prävalenz, steigt nicht nur die Nachfrage nach einer geeigneten Therapie, sondern auch nach Ansätzen zur Prävention und Stärkung der psychischen Widerstandskraft. Eine Option sind Vorsorgekuren für Mütter und Väter.
Alarmierend sind Angaben der Weltgesundheitsorganisation, wonach weltweit über 300 Millionen Menschen depressiv erkrankt sind. Bis 2030 könnten Depressionen zur führenden Volkskrankheit werden, so die Ergebnisse eines Updates der Global Burden of Disease-Studie 2004. Andererseits weist eine Versorgungsanalyse des GBA von 2011 auf widersprüchliche Angaben zur Prävalenz depressiver Erkrankungen hin, die keinen eindeutigen Trend in Deutschland erkennen lassen. Die Erkrankungsraten der Erwachsenen reichen von 3 bis 11 Prozent. Bei Jugendlichen sind sie teils geringer, bei Senioren teils höher bis zu einer Jahresprävalenz von 18,5 Prozent.
Im Schnitt erkranken im Jahr knapp 28 Prozent der Erwachsenen psychisch. Diese Angaben legt der Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsministeriums in seinem Gutachten 2018 zugrunde. Es gebe keine Belege für eine Zunahme der wahren Prävalenz. Geändert hätten sich vielmehr die Wahrnehmung psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung, das Hilfesuchverhalten und die Diagnostik im Sinne einer korrekteren oder zumindest häufigeren Diagnosestellung.
Ein aktuelles Positionspapier der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Handlungsbedarf in der psychosozialen Versorgung ergänzt, dass mehr altersbedingte psychische Erkrankungen auftreten, während die Rate der schweren psychischen Erkrankungen mit etwa ein bis zwei Prozent konstant bleibt. Zählt man kleinere Beeinträchtigungen, Ängste und (temporäre) Abhängigkeiten hinzu, könnte fast jeder im Laufe seines Lebens mindestens einmal von einer psychischen Episode betroffen sein ähnlich wie von einem grippalen Infekt, sagt Professor Jules Angst im Journal der DGPPN 2019.
Die Spannbreite macht deutlich, wie schwer es ist, das Problem der psychischen Erkrankungen zu erfassen und Betroffene bei Bedarf einer adäquaten Behandlung zuzuführen, deren Abschluss in einer gleichberechtigten Teilhabe an allen gesellschaftlichen Lebensbereichen mündet - vorausgesetzt Behandlungskapazitäten stehen zur Verfügung. Umso notweniger ist die Vorbeugung.
Resilienz ist das Schlüsselwort, das für die psychische Widerstandsfähigkeit steht, mit den Widrigkeiten des täglichen Lebens umzugehen. Belastungen werden so eher als Herausforderung, denn als ausweglose Situation empfunden. Dazu gehört, Krisen als Teil des Lebens zu akzeptieren, zu trauern, sich Zeit zu nehmen, doch dann einen Weg in den Alltag zurückzufinden, sich auf seine Handlungsfähigkeit zu verlassen und dem Leben wieder seine positiven Seiten abzugewinnen.
Unter Umständen kann eine Vorsorgekur sinnvoll sein, um dem notwendigen Freiraum zu haben, die psychische Widerstandsfähigkeit (wieder)aufzubauen. Krankenkassen bieten gezielt Maßnahmen für besonders belastete Bevölkerungsgruppen an. So können Erziehungsverantwortliche, deren Gesundheit so geschwächt ist, dass sie voraussichtlich in absehbarer Zeit erkranken würden, eine Mutter-/Vater-Kind-Kur beantragen (§ 24 SGB V). Die Begutachtungsanleitung gemäß Richtlinie des GKV Spitzenverbands nennt exemplarisch folgende Störungen:
Zusätzlich müssen medizinische Indikationskriterien wie Vorsorgebedürftigkeit, Vorsorgefähigkeit, Vorsorgeleistungen und günstige Vorsorgeprognose erfüllt sein.
Ärzte können ihren Verordnungsaufwand über die Gebührenposition (GOP) 01624 im Formular 64 "Verordnung medizinischer Vorsorge für Mütter oder Väter" abrechnen. Die Leistung ist mit 210 Punkten bewertet. Für mitzubehandelnde Kinder gilt die GOP 01622 mit 83 Punkten im Formular 65.
2017 reichten rund 136.000 Frauen und 11.500 Männer einen Antrag auf medizinische Vorsorge für Mütter und Väter ein. Außerdem lagen 13.500 unerledigte Anträge aus den Vorjahren vor. 21.000 Anträge wurden aus medizinischen Gründen abgelehnt. Andere Gründe spielten eine untergeordnete Rolle (ca. 3300). 118.000 Leistungen wurden wie beantragt genehmigt.
Die Kur kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Im Falle einer ambulanten Kur müssen erwerbstätige Versicherte Urlaub nehmen, da sie als arbeitsfähig gelten.