Eine kürzlich erschienene Metaanalyse deckt signifikante Unterschiede in der Effektivität von Immun-Checkpoint-Inhibitoren zwischen Männern und Frauen auf.
Mit zunehmendem klinischen Einsatz von Immuntherapien wird es immer kritischer, die Ansprechraten im Vorhinein abschätzen zu können – längst läuft die Suche nach geeigneten Biomarkern auf Hochtouren, um möglichst Patienten zu selektieren, die von dieser Therapieoption profitieren. Doch ein Aspekt wird bislang erstaunlich wenig ins Kalkül gezogen: das Geschlecht des Patienten.
Anerkannt ist, dass Männer und Frauen sich hinsichtlich ihrer Immunantworten voneinander unterscheiden. Eine kürzlich im Lancet erschienene systematische Metaanalyse1,2 geht der Frage nach, ob die Heterogenität hinsichtlich der Wirksamkeit von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) vielleicht ebenfalls mit dem Geschlecht zusammenhängen könnte.
Für das systematische Review wurden 20 randomisierte klinische Studien zu Ipilimumab, Tremelimumab, Nivolumab oder Pembrolizumab mit insgesamt über 11 Tsd. Patienten herangezogen, die das Gesamtüberleben (OS) getrennt nach Geschlecht untersuchten.
Es handelte sich dabei um fortgeschrittene oder metastasierte Neoplasien – am häufigsten um Melanome (32 %) und NSCLCs (nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome, 31 %), aber auch um Urothelkarzinome, Nierenzellkarzinome und Kopf-/ Halstumoren.
Die gepoolte HR für das Gesamtüberleben lag für Männer bei 0,72 (95 % KI 0,65-0,79) und 0,86 (95 % KI 0,79-0,93) für Frauen, jeweils verglichen mit Placebo oder anderen Tumortherapien. Ein Benefit der Immuntherapie war also erkennbar, aber dessen Ausprägung war abhängig vom Geschlecht. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen fiel hoch signifikant aus (p = 0,0019). Subgruppenanalysen konnten diesen Effekt unabhängig von Tumorentität und Behandlungsart bestätigen.
Zukünftige Forschung sollte einen größeren Einschluss von weiblichen Probanden sicherstellen. Das derzeit bestehende Ungleichgewicht war auch in diesem Review zu bemerken: 67 % der Patienten waren Männer und nur 33 % Frauen. Neben dem Geschlechtsdimorphismus hinsichtlich der Immunantworten unterscheiden sich Männer und Frauen in Genetik, hormonellen Wechselwirkungen, Mikrobiom und Verhalts- oder Lebensstilfaktoren. Eventuell sollten verschiedene immuntherapeutische Ansätze für Frauen und Männer erprobt werden, um die Effektivität, insbesondere bei Frauen, zu verbessern.
Die Studie möchte nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen anhalten und schon gar nicht nahelegen, Frauen weniger Zugang zu Immuntherapien zu gewähren – aber es ist ein Gedankenanstoß. Wie viele Zusammenhänge fehlen uns eigentlich, die wir bräuchten, um im Kampf gegen Krebs weitere Schritte nach vorn zu machen? Häufig sind nicht einmal fehlende Informationen das Problem, sondern dass vorhandene Daten so selektiv sind, dass leicht ein verzerrtes Bild entsteht. Dies mahnt auch das aktuelle – übrigens sehr lesenswerte – Editorial des Lancet Oncology3 mit dem Titel "Immuntherapie: Hype und Hoffnung" an.
An Immuntherapie-Studien per se mangelt es nicht unbedingt – wie auch beim größten onkologischen Kongress des Jahres, dem ASCO Annual Meeting Anfang Juni in Chicago, zu merken war. ICIs stellen einen therapeutischen Durchbruch dar, doch darüber darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die wirklich bemerkenswerten Erfolge hinsichtlich Ansprechraten und Überleben, für die ICIs bekannt geworden sind, sich nur bei einem Bruchteil der Patienten einstellen, ohne dass bis ins Detail klar ist, weshalb das so ist. Wie bei vielen neuen Wirkstoffen bestehen die Studienpopulationen oft aus sehr speziell selektierten Patienten, was nicht selten zu Fehleinschätzungen der Effektivität für das wesentlich heterogenere Patientenkollektiv "draußen" in der klinischen Praxis führt. Das Editorial bewertet es als sehr besorgniserregend, dass Outcomes von Respondern, Super-Respondern oder in Extremfällen sogar einzelnen Patienten die meist diskutierten Daten dominieren und als handfeste Belege der Wirksamkeit gewertet werden, während Berichte von Patienten mit weniger spektakulären Resultaten weniger Raum erhalten.
Auch die Bewegung im Forschungsfeld um die Biomarker zeigt, dass die Signalwege, in die wir eingreifen (oder in Zukunft eingreifen sollten) vielleicht doch noch nicht ausreichend verstanden sind. Biomarker für das Ansprechen oder therapeutische Targets, die in einigen Studien zunächst vielversprechend aussahen, lassen sich oft doch nicht validieren.
Dies alles rechtfertigt natürlich die nun immer häufiger gestellte Frage nach der Sicherheit, insbesondere da sich das Nebenwirkungsprofil grundlegend von dem anderer Therapien unterscheidet und ICIs mittlerweile für eine zunehmende Bandbreite verschiedener Entitäten eingesetzt werden, oft jedoch ohne konsequentes Langzeit-Follow-up.
Die Botschaft aus alledem lautet für den Moment: Immuntherapien und andere innovative Therapieansätze sollten weiter erforscht und entwickelt werden, doch derzeit fehlt uns ein umfassender Überblick über Faktoren, die in Therapieerfolg oder -versagen mit hineinspielen – wie heute beispielhaft anhand der Geschlechterdifferenz gesehen. Daher gilt es, inmitten professionell vermarkteter Medikamente und teils unrealistischer Hoffnungen, die auch verzweifelte Patienten an neue Therapien knüpfen, einen objektiven wachen Blick zu behalten und im Zweifel den Grundsatz "erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen" im Hinterkopf zu behalten.
Referenzen:
1.Conforti F et al. Cancer immunotherapy efficacy and patients' sex: a systematic review and meta-analysis. Lancet Oncol. 2018 Jun;19(6):737-746. doi: 10.1016/S1470-2045(18)30261-4.
2. Abdel-Rahman O. Does a patient's sex predict the efficacy of cancer immunotherapy? Lancet Oncol. 2018 Jun;19(6):716-717. doi: 10.1016/S1470-2045(18)30270-5.
3. Immunotherapy: hype and hope. Lancet Oncol. 2018 Jul;19(7):845. doi: https://doi.org/10.1016/S1470-2045(18)30317-6