Diabetes ist eine der am rasantesten zunehmenden chronischen Erkrankungen weltweit. Daten von mehr als 19 Mio. Patienten bestätigen ein erhöhtes Krebsrisiko für Diabetiker.
Frühere Arbeiten zeigten bereits eine Erhöhung des Krebsrisikos für Typ‑1- und Typ‑2-Diabetiker, doch bislang fehlte es an systematischen Reviews zu der Frage, ob Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind.
Die bislang größte Metaanalyse1 zu diesem Thema, die im Oktober in der Zeitschrift Diabetologia erscheinen wird, kommt zu folgendem Ergebnis:
Diabetes ist mit einem signifikant höheren Risiko für Neoplasien verknüpft. In die Auswertung gingen Daten von über 19 Mio. Patienten und 1 Mio. Krebsfällen ein. Für Frauen nahm das relative Krebsrisiko durch Diabetes (gemittelt über alle Organsysteme) mit 27 % etwas stärker zu als für Männer mit 19 %. Auch das lokalisationsspezifische Risiko für Malignome der Mundhöhle, der Niere und des Magens war für Diabetikerinnen größer, ebenso jenes für Leukämien.
Diese Zahlen sind vor allem deshalb relevant, weil die weltweite Prävalenz des Diabetes rapide zunimmt.
Im Jahr 2017 waren bereits 8,8 % der Erwachsenen weltweit (425 Mio.) Diabetiker.2 Bei Einschluss hochbetagter Patienten ≥ 80 Jahren steigt diese Zahl auf 451 Mio.
Elf Prozent der weltweiten Gesundheitsausgaben (850 Mrd. Dollar) entfielen auf Diabetes und dessen Komplikationen und 4 Mio. Todesfälle waren 2017 Diabetes zuzuschreiben — das entspricht etwa einem Tod alle acht Sekunden oder 11 % aller Todesursachen unter Erwachsenen.
In den kommenden Jahren und Dekaden wird auch mit einer weltweiten Belastung durch weiter steigende Krebsinzidenzen gerechnet.
Hier wäre ein großer Ansatzpunkt für Prävention, da bekannte Risikofaktoren für Krebs wie Übergewicht oder Diabetes Typ 2 oft das Resultat jahrelanger, wenn nicht gar lebenslanger, gesundheitsschädlicher Lebensführung, falscher Ernährung und fehlender körperlicher Aktivität sind. In Ländern mit hohem Einkommen leiden etwa 87‑91 % der Diabetiker an einem Diabetes Typ 2. Damit stellt sich die Frage, wie viele Krebsfälle und andere Folgeerkrankungen des Diabetes potenziell vermeidbar wären.
Hinzu kommt, dass ungefähr die Hälfte der Patienten nichts von ihrer Diagnose weiß.
Die Autoren der eingangs genannten Studie vermuten, dass jahrelange pathologisch erhöhte Blutglukose-Spiegel die Entstehung von Malignomen fördern. Der karzinogene Effekt könnte über DNA‑Schäden durch die Hyperglykämie (direkt und indirekt durch erhöhten oxidativen Stress) zu erklären sein. In einem früheren Beitrag hatten wir bereits ausgeführt, wie der übermäßige Konsum raffinierter und künstlicher Zucker beträchtlich dazu beiträgt, dass so viele Menschen krank sind.
Das für Frauen noch höhere Risiko durch Diabetes könnte auf verschiedene Aspekte zurückzuführen sein.
Ein wesentlicher Punkt könnte sein, dass die Blutzucker-Einstellung bei Frauen mit Diabetes Typ 2 im Schnitt schlechter gelingt als bei Männern.3 Auch wird von einer tendenziell niedrigeren Therapieadhärenz bei Diabetikerinnen berichtet.
Des Weiteren könnte ein bei Frauen längerer unbehandelter Zustand von Insulinresistenz und Hyperinsulinämie für das Krebsrisiko eine Rolle spielen. Die prädiabetische Phase dauert bei weiblichen Patienten im Mittel mehr als 2 Jahre länger an als bei männlichen. Hyperinsulinämie scheint die Proliferation von Krebszellen zu begünstigen, indem sie den Insulin-Rezeptor direkt und den Insulin-like growth factor indirekt stimuliert.1
Wer wäre bei diesen Forschungsergebnissen nicht daran interessiert, gewisse Lebensgewohnheiten zu überdenken und welche Rolle könnte dabei der ärztlichen Aufklärung zukommen?
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Referenzen:
1. Ohkuma, T., Peters, S. A. E. & Woodward, M. Sex differences in the association between diabetes and cancer: a systematic review and meta-analysis of 121 cohorts including 20 million individuals and one million events. Diabetologia 61, 2140–2154 (2018).
2. IDF Diabetes Atlas. Available at: https://www.idf.org/e-library/epidemiology-research/diabetes-atlas/134-idf-diabetes-atlas-8th-edition.html. (Accessed: 15th September 2018)
3. Kautzky-Willer, A. et al. Sex-specific differences in metabolic control, cardiovascular risk, and interventions in patients with type 2 diabetes mellitus. Gend Med 7, 571–583 (2010).