Das Darmmikrobiom moduliert das Immunsystem und somit auch das Ansprechen auf die Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs). In unserem letzten Beitrag zur Immuntherapie bei Urothelkarzinom und der Rolle des Darmmikrobioms ging es bereits um den Einfluss von Dysbiosen, Probiotika, Antibiotika und altersbedingten Veränderungen. Eine aktuelle Publikation in der Zeitschrift 'Science' liefert neue Erkenntnisse über die Effekte der Ernährung zu Beginn einer Immuntherapie.1,2
Wissenschaftler des MD Anderson Cancer Center an der Universität Texas untersuchten fortgeschritten erkrankte Melanompatienten. Sie berücksichtigten deren fäkale Mikrobiota-Profile, die Ernährungsgewohnheiten und ob die Teilnehmer frei verkäufliche probiotische Präparate zu sich nahmen. Von ursprünglich über 438 Patienten blieben 128 übrig, die eine Anti-PD-1-Therapie erhielten und von denen alle erforderlichen Daten vorlagen.
Die Patienten, die angaben, mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte zu essen (n = 37), erfüllten den Schwellenwert für eine ausreichende Ballaststoffzufuhr und überlebten signifikant länger ohne Tumorprogress als die 91 Patienten mit unzureichender Ballaststoffaufnahme (PFS Median nicht erreicht versus 13 Monate).
Jede Erhöhung der täglichen Ballaststoffzufuhr um fünf Gramm war mit einem um 30% geringeren Risiko für ein Fortschreiten der Krebserkrankung oder Tod verbunden.
Der ausgeprägteste Nutzen war bei Patienten mit ausreichender Ballaststoffzufuhr, aber ohne Einnahme von Probiotika zu beobachten (Gesamtansprechen 82% versus 59%).
Die Einnahme von Probiotika allein war nicht mit einem signifikanten Unterschied hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens oder der Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine Immuntherapie verbunden.
Parallel dazu führten die Wissenschaftler präklinische Studien durch, in denen diese Ergebnisse reproduziert werden konnten. Auch bei Mäusen, die eine ballaststoffarme Ernährung oder Probiotika erhielten, verzeichneten sie ein schlechteres Ansprechen auf eine Anti-PD-1-Therapie, mit einer geringeren Häufigkeit von zytotoxischen T-Zellen in der Mikroumgebung des Tumors.
In einer Vorarbeit konnte das Forschungsteam bereits zeigen, dass Patienten, die auf eine Immuntherapie ansprechen, mehr Ruminococcaceae und Faecalibacterium prausnitzii besitzen – als nützlich bekannte Bakterien, die an der Verdauung von Ballaststoffen und Stärke beteiligt sind.3
Ausreichend Ballaststoffe zu essen, verbessert die Gesundheit der Darmflora, da diese eine bevorzugte Nahrungsquelle für nützliche Darmbakterien darstellen. Eine adäquate Zufuhr gesunder Ballaststoffe erhöht die Diversität des Mikrobioms und je vielfältiger eine mikrobielle Gemeinschaft ist, desto weniger störungsanfällig ist sie.
Viele Tumorpatienten beschäftigt die Frage, was sie selbst begleitend zur Therapie tun könnten und zunehmende Evidenz deutet darauf hin, dass es für das Behandlungsresultat eine immense Rolle spielt, wie sich derjenige ernährt.
Außerhalb der Ballaststoffe ist beispielsweise ein signifikanter Einfluss einer ketogenen Ernährung auf die Tumor-'Immunosurveillance' (Immunüberwachung) beschrieben.4 Diese Ernährungsweise und der wichtigste Ketonkörper, 3-Hydroxybutyrat, insbesondere in Kombination mit Intervallfasten, verzögerte die natürliche Progression aggressiver Tumoren. Das geschah durch Stärkung der T-Zell-Abwehr und durch Verschiebung der Zusammensetzung der Darmflora hin zu mehr immunogen wirkenden (und weniger tolerogen wirkenden) Bakterientaxa. "Eine ketogene Diät könnte vor oder begleitend zu Krebstherapien (einschließlich immunogener Chemotherapie und Immuntherapie) eingesetzt werden, um deren immunstimulierende Effekte zu potenzieren, die Anzahl der Therapiezyklen zu reduzieren und eine höhere Rate an vollständigen Remissionen zu erreichen", schlossen die Autoren.4
Ein auch auch für Patienten geeignetes Praxisbuch hierzu: Travis Christofferson: Über die Wahrheit stolpern – Die metabolische Theorie. Christoffersons Ansatz deckt sich in großen Teilen mit dem des renommierten Tumorbiologie-Forschers Prof. Thomas Seyfried, PhD, dessen hochrelevante Arbeit wir in im Beitrag Krebs als Erkranung des Sotffwechsels mit metabolischen Lösungsstrategien auszugsweise vorgestellt hatten.5,6 Er ist Autor von Cancer as a Metabolic Disease, ein Werk, das unser Verständnis des Tumorstoffwechsels revolutioniert hat. Prof. Seyfrieds jahrzehntelange Laborarbeit hat Otto Warburgs These wiederbelebt, dass Krebs eine Erkrankung der Mitochondrien ist. Er entwickelte einzigartige Tiermodelle, um die Prozesse der Inflammation, der Angiogenese und der Lipidbiochemie aufzuklären und ist mitverantwortlich für das erneuerte Interesse an Kalorienrestriktion, Fasten und ketogener Ernährung.7
Referenzen:
1. Release, M. A. N. High-fiber diet associated with improved progression-free survival and response to immunotherapy in melanoma patients. MD Anderson Cancer Center.
2. Spencer, C. N. et al. Dietary fiber and probiotics influence the gut microbiome and melanoma immunotherapy response. Science 374, 1632–1640 (2021).
3. Bacteria in the gut modulates response to immunotherapy in melanoma | MD Anderson Cancer Center.
4. Ferrere, G. et al. Ketogenic diet and ketone bodies enhance the anticancer effects of PD1 blockade. JCI Insight (2020).
5. Metabolic Health Summit - MHS Video Interviews.
6. Metabolic Health Summit auf Instagram: The Metabolic Theory of Cancer.
7. The Moss Report: Cancer As A Metabolic Disease with Thomas N. Seyfried.